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Landeshauptstadt: High Tech im Stall

In der Ulanen-Kaserne werden Hirnwasserdrainagen produziert

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In der Ulanen-Kaserne werden Hirnwasserdrainagen produziert Von Sabine Schicketanz „Die Grundfeste werden nicht wackeln“, sagt Christoph Miethke. „Das tun sie schon seit mehr als hundert Jahren nicht.“ Vielleicht braucht man dieses Gefühl der Unvergänglichkeit, um den Weltmarkt zu erobern. Sicher aber ist, dass man, um hochmodernes medizinisches Gerät zu entwickeln, kein Gewölbe braucht. Das gibt Christoph Miethke zwar unumwunden zu, aber haben will er es trotzdem. Kurz vor dem Jahreswechsel hat er den Kaufvertrag unterschrieben. Seitdem ist die Christoph Miethke GmbH & Co. KG Eigentümer eines Stalls – allerdings eines prachtvollen. Wo einst in der Garde-Ulanen-Kaserne an der Jägerallee königliche Rösser untergebracht waren, wo jetzt altes Gemäuer der Zeit trotz, soll spätestens im August dieses Jahres Feinmechanik von internationalem Rang produziert und verkauft werden. In die fünf Meter hohen Räume, über die sich das prachtvolle Kreuzgratgewölbe spannt, werden Geschäftsleute aus aller Welt spazieren. Eine „Rosinenlage“ nennt Miethke die neue Heimat seiner Firma. Die Miethke GmbH ist ein Brandenburger Vorzeigeunternehmen. Was sie erfunden hat, entwickelt und herstellt, klingt für Laien zunächst sehr absonderlich. „Wir machen Hirnwasserdrainagen“, sagt Miethke. Diese Schlauch-Ventil-Systeme werden Menschen implantiert, die unter der Krankheit Hydrocephalus – im Volksmund „ Wasserkopf“ genannt – leiden. Damit können sie zwar nicht geheilt werden, aber die Schädigung des Gehirns wird gestoppt und die Leiden der Patienten werden gelindert. Gegründet hat Miethke seine Firma 1992, damals im Rahmen eines Modellversuchs. Zwei Ingenieure und zwei Studenten versuchten sich an dem ambitionierten Projekt, zum ersten und einzigen deutschen Hersteller von Hydrocephalus-Ventilen zu werden. „Fünf große Hersteller gibt es weltweit“, sagt Miethke. „Wir haben mit dem neuen Gebäude die Voraussetzungen geschaffen, einer von den großen drei zu werden.“ Fünfzehn Prozent Marktanteil hat die Miethke GmbH schon in Deutschland. Noch residiert sie im Europarc in Kleinmachnow – dort sind die Räume natürlich nicht fünf Meter hoch und die Gebäude nicht voller historischer Würde, sondern von schlichter Funktionalität. Außerdem haben die mittlerweile 15 Medizintechniker hier viel zu wenig Platz. „Die Größe unserer Reinraumfertigung und der mechanischen Werkstatt wird sich mit dem Umzug verfünffachen.“ Das ist auch dringend nötig, Miethke kann im Reinraum kaum so viele Leute arbeiten lassen, wie er braucht, „das ist einfach zu eng“. Hinter dem Umzug in die Landeshauptstadt steckt jedoch mehr als ökonomisches Kalkül. Es ist sein ästhetischer Anspruch, dem Miethke gerecht werden will – und in den er zwei Millionen Euro investiert. Dass in die Stallung – in der baugleichen direkt gegenüber entstehen 13 exklusive Wohnungen (PNN berichteten) – sein Unternehmen hineinpasst, dafür sorgt Architekt Tassilo Soltkahn. Bis auf den letzten Cent hat er die Baukosten in Höhe von 1,475 Millionen Euro berechnet. Dass Miethke das zwischen 1860 bis 1864 errichtete Gebäude inklusive Baugenehmigung gekauft hat – die hatte der Vorbesitzer schon gestellt – erleichtert ihm die Arbeit. „An der Südseite sind große Tore, daraus machen wir Fenster“, sagt Soltkahn. Zugegeben, der Denkmalpflege war das nicht ganz recht. Aber Miethke kann sie gebrauchen, und außerdem lässt er die Stallung ansonsten komplett denkmalgerecht wieder herrichten. „Die medizinischen Räume werden unter die Gewölbedecken gesetzt“, erklärt Soltkahn. Sie werden also den Anblick des Kreuzgrats nicht schmälern. Und die Grundfeste nicht erschüttern.

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