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SERIE ZUR PERSON: „Highlights in der Innenstadt werden immer schwieriger“ Hinter den Kulissen

Jürgen Börner von der Jazzinitiative Potsdam über das heute beginnende Jazzfestival und die Schwierigkeiten für die Jazzszene in Potsdam

Stand:

Herr Börner, heute beginnt das 9. Potsdamer Jazzfestival.

Was streng genommen nicht ganz richtig ist. Wir hatten schon lange vorher Jazz in Potsdam. Gleich nach der Wende habe ich ein deutsch-deutsches Jazzfestival organisiert. Das war PotsJazz. Dann kam zur Tausendjahrfeier PotsJazz1000 und das TrippleEastJazz Festival. Aber kontinuierlich findet das Potsdamer Jazzfestival erst seit 1999 statt und so werden wir im nächsten Jahr das zehnjährige Jubiläum feiern.

Eine Kontinuität und ein Jubiläum, die zufrieden stimmen könnten. Doch Sie wollen in diese allgemeine Zufriedenheit nicht recht einstimmen und warnen, dass das Angebot in der Innenstadt überwiegend aus dem Amateur- oder dem semi-professionellen Bereich kommt.

Nach dem Ausstieg des Stern-Centers, dessen damaliger Chef Andreas Unrath ja den Startschuss für ein jährlich stattfindendes Jazzfestival gab, hatten wir das Problem, das Niveau zu halten und für die Highlights selbst zu sorgen. Diese Aufgabe übernahmen das Waschhaus und der Nikolaisaal. Übrigens übernahmen beide Häuser zwangsläufig auch die Kosten und Risiken. In der Innenstadt bemühte ich mich um den Ausgleich mit ebensolchen hochkarätigen Beiträgen durch profilierte und professionelle Jazzmusiker. Neben der Bühne am Brandenburger Tor gab es kleinere Beiträge in Galerien, im Filmmuseum und im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Daneben präsentierten sich lokale und Nachwuchs-Bands auf der Bühne in der Dortustraße. Auch warben wir um die Beteiligung der gastronomischen Einrichtungen. In den vergangenen Jahren ist es immer schwieriger geworden in der Innenstadt Highlights zu präsentieren.

Wie stellt sich die Situation in diesem Jahr dar?

In diesem Jahr gibt es nur noch eine Open-Air-Bühne, die von der Jazzinitiative in enger Zusammenarbeit mit der Stadt organisiert wird. Mir geht es darum, dass dies nicht zum Standard wird und wir künftig wieder mehr herausragende Angebote auch in der Innenstadt machen können.

Aber eine fehlende Bühne ist kein Grund, von einem Amateurfestival zu sprechen.

Das habe ja ich auch nicht. Und ich kann nur für den Teil sprechen, für den ich mich engagiere, also die Innenstadt. Und die genannten Angebote, in diesem Jahr sind das unter anderem das Restaurant Am Pfingstberg, das Restaurantschiff John Barnett in der Schiffbauergasse und das Café Rothenburg, sind für mich wunderbare, gewollte Ergänzungen, die aber nicht das Hauptangebot ersetzen sollten und können.

Wie hoch ist diese Förderung?

Da die Veranstalter der Potsdamer Jazz-AG ihre Programme selbst tragen, fordern wir ja nicht einmal eine Gesamtfinanzierung des Festivals, sondern nur eine Förderung für den Teil in der Innenstadt, der für die Potsdamer und ihre Gäste kostenfrei bleiben soll. Im Wesentlichen fördern hier die Stadt und kontinuierlich auch die Stadtwerke. Zusätzlich hatten wir beim Land 6000 Euro beantragt – also eine überschaubare Summe, die wir nun leider nicht zu Verfügung haben.

Handelt es sich bei dieser Summe um eine Grundfinanzierung?

Es gibt keine Grundfinanzierung. Wir müssen jedes Jahr die Anträge stellen und jedes Jahr bangen wir, ob das Geld überhaupt reicht. Eine langfristige Planung ist unter diesen Umständen gar nicht möglich.

Aber trotz dieser Probleme bietet das Jazzfestival 14 Konzerte an zehn verschiedenen Orten an.

Was wir dieses Jahr auf dem Jazzfestival präsentieren, ist ein sehr schönes Programm. Für die große Open Air Bühne hätte ich gern noch ein paar größere Formationen. Aber das hatten wir ja schon. Darum bin ich froh, dass wir jetzt kontinuierlich mit den jeweiligen Landesjugendjazzorchestern immer eine Bigband auftreten lassen können. Für die kleinen Besetzungen könnte ich mir intimere Orte vorstellen, an denen sie besser wirken könnten.

Auch die Studentenkneipe Pub a la Pub gehört in diesem Jahr zum ersten Mal dazu.

Das Pub a la Pub ist ein guter Ort für solche Konzerte und hat ein entsprechendes Publikum, das wir auch erreichen wollen. Es gibt von unserer Seite auch schon Bestrebungen, verstärkt mit der Universität zusammen zu arbeiten, denn da sehe ich noch viel Potenzial.

Das Jazzfestival findet seit 1999 regelmäßig statt, die Jazzinitiative Potsdam wurde aber erst 2005 gegründet.

Viele Kultureinrichtungen und auch Vereine hatten sich damals Stück für Stück vom Jazz verabschiedet. Es hieß, man müsse jetzt marktwirtschaftlich denken und mit Jazz lasse sich kein Geld verdienen. Das konnte ich nicht so hinnehmen und habe zunächst versucht, allein dagegen zu halten. Dann habe ich Brigitte Faber-Schmidt , damals Kulturamt, heute Kulturland Brandenburg e.V. kennen gelernt, die sich sehr engagierte und vor allem auf dem Gebiet Jazz unwahrscheinliche Pionierarbeit geleistet hat. Hinzu kam, dass der Umgang mit öffentlichen Fördermitteln einen entsprechenden Verein voraussetzte. Und wenn wir in Potsdam eine Jazzszene etablieren wollen, braucht es einen entsprechenden Kopf.

Gibt es in Potsdam überhaupt eine Jazzszene?

Die Potsdamer Jazzszene gibt es natürlich. Aber die ist vorwiegend mit Auftritten in Gaststätten zu entdecken. Diese Szene ist schon sehr lebendig, aber immer auch gekoppelt an entsprechende Spielstätten. Ich hoffe, dass wir das Walhalla auch bald wieder gewinnen können.

Gibt es feste Jazzreihen in Potsdam, bei denen man die Musiker erleben kann?

Wir hatten drei Jahre lang eine feste Jazzreihe, doch die mussten wir bald zugunsten des Jazzfestivals aufgeben. Da habe ich immer noch Bauchschmerzen, denn nur einmal im Jahr in Erscheinung zu treten, ist einfach zu wenig. Wir sind jetzt dabei, eine neue Jazzreihe zu etablieren. In Zusammenarbeit mit dem HBPG und Verein „Pro Wissen Potsdam“. Veranstaltungsort soll der Kutschstall werden. Wir denken an eine Mischung aus Populärwissenschaft und Jazz . Diese Reihe wollen wir auch für ein größeres Publikum öffnen.

Die noch junge Reihe „Jazzwerkstatt“ geht nicht auf die Jazzinitiative zurück?

Nein, die hat der Berliner Ulli Blobel nach Potsdam gebracht. Der ist aber sehr dem zeitgenössischen Jazz verschrieben und hatte in Potsdam einen leicht unglücklichen Anfang, denn im Foyer des Hans Otto Theaters war es sehr schwierig. Jetzt findet die Jazzwerkstatt im Foyer des Nikolaisaals statt und ich hoffe, dass diese Reihe hier besser angenommen wird.

Der Jazz hat in Potsdam an sich einen schweren Stand. Die hervorragende Reihe „Foyervariationen“ des Nikolaisaals gibt es nicht mehr. Eine feste Adresse für Jazz auf hohem Niveau ist fast nur noch die Reihe „The Voice in Concert“.

Ja, leider. Jazzreihen kann nur der ausrichten, der auch noch andere Angebote zum Ausgleich hat. Es ist sehr schwer für einen Veranstalter allein mit Jazz zu überleben. Darum sind ja die Versuche privater Jazzclubs auch gescheitert. Von meinen eigenen Jazzreihen weiß ich, dass man mit einem gewissen Stammpublikum zwar rechnen kann, doch mit Laufpublikum froh ist, wenn 60 Zuhörer kommen. Jazz ist keine Massenmusik, soll es auch gar nicht sein. Aber einer Landeshauptstadt würde es sehr gut tun, wenn hier Jazzreihen in den bekannten Häusern auch mit einer gewissen Förderung angeboten werden.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Das Potsdamer Jazzfestival wird heute um 15 Uhr mit „Jazz am Tor“ auf dem Luisenplatz eröffnet. Neben dem Landesjugendjazzorchester Sachsen spielen For Free Hand, Krzysztof Puma Piasecki und Band du Conservatoire de Bobigny. Informationen zu den anderen Konzerten unter www.potsdamer-jazzfestival.de

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Jazzinitiative Potsdam

Was auf Potsdams Bühnen geschieht, kann jeder sehen. Was hinter den Kulturkulissen passiert, danach fragen wir im Gespräch – in loser Folge in den PNN.

Jürgen Börner, 1949 in Schwerin geboren, ist Musiker, Fachlehrer für Saxophon und Gründer der Jazzinitiative. Er lebt in Potsdam.

Börner studierte an der Fachschule „Martin Andersen Nexö“ in Meißen. 1977 machte er seinen Abschluss an der Spezialschule für Tanzmusik in Potsdam. Von 1978 bis 1980 ließ er sich in Potsdam zum Fachlehrer für Saxophon ausbilden. Seit 1982 ist Börner als freiberuflicher Musiker tätig.

Jürgen Börner war Mitbegründer des Landejugendjazzorchesters Brandenburg und Organisator zahlreicher Festivals. D.B.

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