Kunst im Landtag: Hitler hängt weiter
Landtagspräsidium will umstrittene Porträt-Ausstellung rechtzeitig zur Schlosseröffnung mit Tafeln und Flyern erklären
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Potsdam - Der brandenburgische Landtag wird die umstrittene Ausstellung mit 112 verfremdeten Porträts, darunter von Hitler und Stalin, trotz scharfer Kritik vom Zentralrat der Juden, SED-Opferverbänden und CDU-Fraktion wie geplant zeigen. Das entschied das Parlamentspräsidium am Mittwoch gegen die Stimmen der CDU. Um Irritationen auszuräumen, sollen zum kommenden Eröffnungswochenende des neuen Landtagsschlosses Flyer und Informationstafeln mit Erläuterungen erstellt werden.
„Durch die Ausstellung findet eine Auseinandersetzung mit Geschichte statt, der sich Abgeordnete und Bürger zu stellen haben“, sagte Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große (Linke). Das Landtagspräsidium werde das Gespräch mit dem Zentralrat der Juden suchen, um zu erklären, dass keine Ahnengalerie gezeigt werde.
Doch die CDU hält an ihrer Kritik fest, dass der neue Landtag der falsche Ort sei, um Diktatoren zu zeigen. SPD-Fraktionschef Klaus Ness sagte, mit der Entscheidung des Präsidiums sei Schaden vom Land abgewendet worden, die CDU habe sich völlig isoliert. Die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, Monika Grütters (CDU), äußerte Bedenken. Die 112 verfremdeten Porträts des Malers Lutz in einem Parlamentsgebäude zu zeigen sei außerordentlich problematisch. „Ich denke nur, dass ein sehr selbstkritischer Künstler wie Herr Friedel, die Verwerfungen, die diese Arbeit auslöst, hätte vorhersehen müssen und können“, sagte Grütters. Der Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, begrüßte die Landtagsentscheidung: Die Ausstellung habe bereits bewirkt, was Kunst nur im Idealfall erreichen könne: „Dass die Öffentlichkeit über existenzielle Fragen wie den Unterschied von Diktatur und Demokratie diskutiert.“ Friedel selbst will mit der Ausstellung zeigen,wie gefährdet eine Demokratie ist und dass sie keine Selbstverständlichkeit sei.
Die Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, Cilly Kugelmann, sagte, Kunst folge eigenen Regeln, und wenn man sie in den Landtag einlade, könne man nicht sicher sein vor ihrer Provokation. Sammlungsleiterin Inka Bertz sagte, Kunst habe ihren autonomen Freiheitsraum, sei „immer mit Risiko verbunden“, und wenn die Politik sie einlade, um an ihrem Renommee teilzuhaben, sei das wie auf einer Party: Man könne keinen geladenen Gast rauswerfen, weil er „nicht richtig angezogen sei“.
Christhard Neubert, Kunstbeauftragter der Evangelischen Landeskirche von Berlin und Brandenburg, kennt Friedel seit Jahren, zweimal hat er mit dessen Werken Ausstellungen in Kirchen realisiert. Die Potsdamer Skandalisierung, sagt der Pfarrer, sei überzogen. Der Ansatz des Künstlers sei nachvollziehbar: Es gehe darum, nicht auf andere zu verweisen, sondern Assoziationen „zu Anne Frank und zu Hitler in sich selbst“ aufzuspüren, Verzweiflung oder den Wahnsinn – oder „die Demagogie eines Goebbels“. Das sei gegen „Verdrängungsstrategien“ gerichtet, gegen das Delegieren von Verantwortung, also geeignet für ein Parlament. Neubert lobt den Mut, Bilder, die mehr als nur Deko seien, unkommentiert zu zeigen: ohne jene Erklärtafeln, die nun am Wochenende hinzugefügt werden sollen. Das eigene Urteil hätte man den Abgeordneten ruhig zutrauen können, eine „Handreichung“ sei eher ein Rückschritt in die Unmündigkeit.
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