
© Nigel Treblin/ddp
Von Jan Brunzlow: Hochburg der Fehlstunden
Schulen und Eltern in Potsdam sorgen sich: Das staatliche Schulamt Brandenburg hat keine Reservelehrer mehr
Stand:
Rekord-Stundenausfall an Grundschulen in Potsdam: Bis zu 16,8 Prozent des regulären Unterrichts sind an einzelnen Schulen im vergangenen Schuljahr ausgefallen. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt liegt Potsdam mit 9,4 Prozent Vertretungsstunden deutlich über dem Landesschnitt von sechs Prozent. Entsprechende Zahlen hat das Bildungsministerium in einer Statistik veröffentlicht. Weitere Auffälligkeiten der Statistik: Der Stundenausfall in den 7. bis 10. Klassen an Gymnasien in Potsdam liegt bei durchschnittlich zehn Prozent. An den vier Oberschulen beträgt der Stundenausfall dagegen „nur“ 6,3 Prozent.
Einige Schulleiter von Gesamtschulen und Gymnasien haben gegenüber PNN davor gewarnt, diese Zahlen schönzureden. Zwar sei ein Großteil der zu vertretenden Stunden durch Ersatzlehrer, Mehrarbeit der Kollegen, Freiarbeit und Zusammenlegung von Kursen letztendlich nicht komplett ausgefallen. Ihrer Ansicht nach leide jedoch die Qualität des Unterrichts darunter. Angesichts der Zahlen von Fehlstunden haben Schulleiter dieser Tage verwundert auf ein Schreiben des Staatlichen Schulamtes Brandenburg aus der Vorwoche reagiert, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Schulamt Brandenburg an der Havel keine Reservelehrer mehr hat. „Die sind alle an die Schulen verteilt worden“, sagte Ministeriumssprecher Stephan Breiding. Jede Schule habe nun mehr Stunden als sie benötigt und muss daraus allein und individuell fehlende Lehrer ersetzen. „Es scheint, als ob das Schulamt nicht genug Lehrer hat“, sagte ein Schulleiter, ohne seinen Namen lesen zu wollen. Denn erkrankte nur ein Lehrer, komme es bereits zu Engpässen. In den vergangenen Jahren sind bereits Lehrer aus der Lausitz nach Potsdam versetzt worden, um den Bedarf zu decken. Und inzwischen wurde eine Werbekampagne des Landes durchgeführt, um junge Lehrer zu binden. Denn Schülerzahlen und Lehrerbedarf werden weiter steigen.
An Potsdamer Schulen herrscht unterdessen bereits fünf Wochen nach Schulstart leichtes Durcheinander: Eltern der Priesterweg-Grundschule haben sich in einem Brief an Schulrat Olaf Schönicke gewandt, weil Lehrer an der Schule fehlen. Sie sorgen sich um ihre Kinder, weil ein Fachlehrer für Biologie und Wirtschaft-Arbeit-Technik (WAT) fehlt sowie eine erste Klasse auch vier Wochen nach dem Schulanfang noch keinen Klassenlehrer hat. Dafür musste die für andere Aufgaben vorgesehene Sonderpädagogin einspringen. Ihren Appell richten die Elternvertreter direkt ans Schulamt: „Was ist das für ein Schulstart? Und wer übernimmt die Verantwortung hierfür? Wir Eltern und Kinder fordern, dass die gesetzlich vorgegebene Stundentafel eingehalten wird und unserer Schule umgehend die benötigten Lehrkräfte zugewiesen werden“, heißt es in dem Schreiben. Besonders verwunderlich ist der Lehrermangel aus Sicht der Eltern, da der Standort ein Begabungsstützpunkt ist, an dem Kindern spezieller Förderunterricht zusteht. Zudem befürchten sie, dass sich der Lehrermangel auf die Leistungen und die anstehende Schulwahl der Kinder auswirken könnte. Denn die Sechstklässler, die derzeit ohne Bio-Fachlehrer sind, müssen sich mit dem Halbjahreszeugnis an einer weiterführenden Schule bewerben. Stephan Breiding vom Bildungsministerium sagte, dies sei „ärgerlich“, es werde jetzt ganz schnell reagiert. Die erste Klasse soll durch Umsetzung eine neue Klassenlehrerin erhalten, der Fachunterricht soll über einen Lehrer einer anderen Schule abgedeckt werden.
Es ist nicht der einzige Fall: In der Foerster-Grundschule im Bornstedter Feld fehlen beispielsweise einer Lehrerin Stunden. Sie kann daher Schülern einer sechsten Klasse nicht den ganzen Mathematik- Unterricht erteilen – Lösung der Situation: die Klasse hat eine zweite Mathe-Lehrerin. Zugespitzt formuliert, Frau Greiner (Name geändert) unterrichtet die Klasse montags und dienstags, Frau Werner donnerstags und freitags. Auch das werde kurzfristig geändert, sagte Breiding zu.
An den Schulen ist man sich der angespannten Lage bewusst. Einzelne Fördervereine haben inzwischen reagiert und finanzieren – wie an einer Grundschule im Norden der Stadt – gelegentlich aus ihrem Budget Aushilfslehrkräfte, um den Stundenausfall zu minimieren. In Nachbargemeinden wie Kleinmachnow haben Kommunalpolitiker sogar beschlossen, einen extra Fonds für Vertretungskräfte zur Verfügung zu stellen. Unterricht dürfen die nicht geben, darauf legt das Bildungsministerium wert. Jedoch können sie die Schüler fachlich betreuen.
Das scheint angesichts der vorliegenden Zahlen auch dringend nötig: Wie aus der Statistik des Ministeriums hervorgeht, hatten in Potsdam beispielsweise die Schüler der Grundschulen Am Priesterweg Drewitz, Zeppelin in Potsdam- West und Hauptmann in der Brandenburger Vorstadt mehr Fehlstunden als alle anderen. 16,8 Prozent des regulären Unterrichts ist in der Priesterweg-Grundschule ausgefallen, heißt es in der Statistik. Ein Großteil konnte allerdings durch andersweitige Beschäftigung der Schüler abgefangen werden. Ersatzlos ausgefallen seien nur 0,7 Prozent, das ist leicht unter dem Landesdurchschnitt, hieß es.
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