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Klaus Jorek vor dem Hochhaus.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Hochhaus-Geschichten

Klaus Jorek schreibt Erzählungen über den Schilfhof 20 und nennt sie sein „Hausbuch“

Stand:

Am Schlaatz - Klaus Jorek hat mit Hausbüchern in der DDR offenbar keine schlechten Erfahrungen gemacht. Er setzt auf den Wiedererkennungseffekt und will seine Geschichtensammlung über Mieter des Hochhauses Schilfhof 20 „Hausbuch“ nennen. Zum Glück hat er etwas ganz anderes vor als die DDR, die per Hausbuch Ein- und Auszüge, Besucher und andere verdächtigen Bewegungen überwachen ließ. Jorek möchte über eines der buntesten und interessantesten Häuser in Potsdam schreiben, sagt er, über die Menschen aus vielen Nationen, die das Haus beherbergt. 92 Mietparteien wohnen im Hochhaus am Schlaatz, sie haben ihre Sorgen und Nöte, entwickelten – um Missstände zu beseitigen – einen beachtlichen Gemeinschaftssinn, gründeten einen Mieterclub und schafften es inzwischen auch, gemeinsam fröhlich zu feiern.

„Wir müssen aufschreiben, was ist“, sagt Jorek, „Es gibt so viele interessante Geschichten.“ Die will der 74-Jährige erzählen, ohne jemandes Privatsphäre zu verletzen, ohne ihn „nackig zu machen“. „Ich bringe mich in die Geschichten selbst mit ein, erzähle, was ich erlebt, gesehen und gehört habe.“ Es würden keine realen Namen genannt, aber Reales, Erlebtes erzählt Jorek, der sich aufs Zuhören versteht. Er ist erstaunt, was sich für Schicksale hinter einer oft unscheinbaren Fassade verbergen. Er denkt da an den alten Mann mit seiner Frau, die beide kein Wort deutsch sprechen und es wohl auch nicht mehr lernen werden. Als Kind ukrainischer Juden wurde er per Zug aus dem Kriegsgebiet herausgeschafft, als die deutsche Wehrmacht einmarschierte. Seine Familie hat er nie wiedergesehen. Nun ist er nach Deutschland übergesiedelt, in die einstige Heimat seiner Familie und ist doch auch wieder fremd.

Zwölf Erzählungen, die anderthalb bis vier DIN-A-4 Seiten lang sind, befinden sich „in der Endphase“, sagt Jorek. Etwa 20 sollen es insgesamt werden und in einem halben Jahr möchte er in die Endredaktion gehen. Angefangen hat er im Herbst 2008. Davor habe er mitgeholfen, den Mieterclub aufzubauen. Den würden nun die Frauen leiten, sagt er und so konzentriere er sich voll auf sein „Hausbuch“. Es liege noch ein schwieriges Stück Arbeit vor ihm, denn bisher habe er mit den Menschen gesprochen, die gern von sich und ihren Nachbarn erzählt hätten. Er wolle aber auch an die anderen, eher verschlossenen, herankommen. Und an diejenigen, die tagsüber außer Haus sind und einer Arbeit nachgehen. Vorbehalten will er mit viel Fingerspitzengefühl begegnen. Ein misslungenes Haus könne man zur Not abreißen und ein neues aufbauen. Worte, einmal ausgesprochen, seien nicht wieder zu tilgen, sagt er. „Ich will deshalb das, was ich schreibe, vor den anderen verantworten können.“

Klaus Jorek war Landarbeiter, lernte den Beruf des Bäckers, machte sein Abitur nach, studierte Journalistik in Leipzig und nahm danach noch ein Fernstudium in Soziologie auf. Er arbeitete für Tageszeitungen, neun Jahre dann in der Betriebszeitung des Kombinates Böhlen und war der letzte Pressechef des Automobilwerkes Ludwigsfelde. Nach 1990 war er Sozialarbeiter für den Behindertenverband in Potsdam, arbeitete am Stadtführer für Behinderte mit und koordinierte Filmarbeiten über ein behindertengerechteres Potsdam.Hella Dittfeld

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