Homepage: „Hochschulen müssen schlagkräftig sein“ Wissenschaftsministerin Wanka über den Stand der Hochschulen, den Fall Kurths und ihre Kritiker
Frau Wanka, nach dem Rückzug von Prof. Jürgen Kurths vom Präsidentenamt der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus (BTU) gab es viel Kritik an Ihrem politischen Stil.
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Frau Wanka, nach dem Rückzug von Prof. Jürgen Kurths vom Präsidentenamt der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus (BTU) gab es viel Kritik an Ihrem politischen Stil.
Die Rahmenbedingungen für die Präsidentenämter sind in Brandenburg eindeutig geregelt. Das ist in der Ausschreibung der Präsidentenstelle definiert gewesen. Es gab gar keinen Verhandlungsspielraum. Nach der Wahl habe ich sofort die Urkunde fertigen lassen und Professor Kurths die Bestellung angeboten – ohne Wenn und Aber. Herr Professor Kurths stellte jedoch Forderungen, die nicht erfüllbar waren, da sie gegen in Brandenburg geltende Rahmenbedingungen verstoßen hätten. Er forderte eine Besserstellung der BTU – zu Lasten der anderen Hochschulen und eine Veränderung des Systems der Präsidentenbezüge. Dafür gab es keine rechtliche Grundlage.
Prof. Kurths sah seine Person stark beschädigt, weil Sie während der Verhandlungen an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Professor Kurths ist ein erfolgreicher und sehr engagierter Wissenschaftler. Seine Forderungen gaben dem Vorgang eine politische Wendung. Nachdem er sich dreieinhalb Wochen uns gegenüber nicht erklärt hatte – die Bestellungsurkunde war wie gesagt schon fertig – hat die Presse bei mir nachgefragt, was los ist. Die Medien waren über die Inhalte und Bedingungen, die an der BTU diskutiert wurden, schon informiert. Ich habe diese nicht einmal bestätigt sondern lediglich erklärt, dass die Bezüge des Präsidenten kein Verhandlungsgegenstand sind.
Hätten Sie vor Abschluss der Gespräche nicht besser das Interview abgelehnt?
Es gab keine Gespräche in diesem Sinne. Es gab eine klare Aussage von unserer Seite. Die Vorstellung von Professor Kurths, für die BTU mehr Geld zu bekommen, war nicht verhandelbar. Wir haben ein einvernehmlich beschlossenes Mittelvergabemodell im Land. Das kann nicht einfach gekippt werden. Wenn man einer Hochschule ohne Grundlage mehr Geld gibt, wäre das zu Lasten der anderen Hochschulen gegangen.
Wie geht es nun an der BTU weiter?
Es gibt das gemeinsame Bemühen von Senat und Landeshochschulrat die Führungsposition zu besetzen. In dieser Woche soll es eine Senatssitzung geben, um die weiteren Schritte festzulegen. Wenn Entscheidungen getroffen werden, kann es unter Umständen sehr schnell gehen.
Ihrem Ministerium wurden von der PDS Eingriffe in die Arbeit der Hochschulen vorgeworfen. Etwa entspreche der regelmäßige Bericht über die Verwendung der Mittel nicht der Autonomie.
Die Hochschulen haben Globalhaushalte und bekommen ihr Geld für Sach- und Personalmittel mit wesentlich größeren Freiheitsgraden als in anderen Ländern zur eigenen Verwendung. Dass alle zwei Monate ein Bericht über die Mittelverwendung abgeliefert werden soll, ist schlichtweg falsch. Wir verlangen nur, dass die Hochschulen uns alle zwei Monate darüber informieren, wie viel vom Budget sie in Anspruch genommen haben, und ob die Gefahr der Überschreitung des Budgets besteht. Wir müssen mögliche Gefahrenpunkte rechtzeitig erkennen und wollen nicht erst zum Jahresende aus allen Wolken fallen.
Als die Universität Potsdam ihrer Gleichstellungsbeauftragten eine Sonderzahlung gewähren wollte, lehnte das Ministerium aber ab. Auch kein Eingriff?
Wir haben in Brandenburg eine sehr gute Stellung der Gleichstellungsbeauftragten. Sie sind zur Hälfte von ihren eigentlichen Aufgaben, etwa Lehre, Forschung oder in der Verwaltung befreit. Dies noch zusätzlich zu honorieren war die Absicht, ist rechtlich aber nicht machbar.
Die Präsidien der Brandenburger Hochschulen haben eine sehr große Machtfülle. Kritiker bemängeln dies als ein Demokratiedefizit.
Das sehe ich nicht so. Die starke Stellung der Präsidien ist festgelegt durch das brandenburgische Hochschulgesetz aus dem Jahre 1999. Dies gilt bundesweit als sehr modern. Es liegt im Trend der Zeit, dass nicht alles über Diskussionsprozesse in den Senaten geregelt wird. Klagen gegen die Befugnisse der Präsidien wurden gerichtlich abgelehnt. Ich bin der Meinung, dass eine Hochschule mehr Autonomie braucht, innerhalb der Hochschule muss sie aber schlagkräftig sein. Es kann nicht immer alles über Mehrheitsverhältnisse im Senat geregelt werden.
Was halten Sie von studentischen Vizepräsidenten?
Viel. Das wird in Eberswalde erfolgreich praktiziert. Aber das Ministerium schreibt dies den Hochschulen nicht vor, das müssen sie selbst entscheiden. Ich bin strikt dagegen, von mehr Autonomie zu reden und auf der anderen Seite zu viele Vorschriften zu erlassen. Die Bedürfnisse sind auch von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich.
Im Senat sind die Studierenden als größte Statusgruppe unterrepräsentiert.
Den Hochschullehrern kommt eine herausragende Rolle zu, wenn es um die Geschicke der Hochschule geht. Ein Studierender ist nur vier, fünf Jahre an der Hochschule. Seine Interessenlage erstreckt sich also meist nur auf diesen Zeitraum. Die Überlegungen der Hochschule müssen aber längerfristiger und strategisch angelegt sein. Das kann man gar nicht von jemandem erwarten, der nur einige Jahre involviert ist. Die Hochschullehrer haben eine erhöhte Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der Hochschule. In dem Punkt der Lehre und Forschung gibt es auch eine gesetzliche Bindung durch das Bundesverfassungsgericht. Ein Senat darf nicht durch die Diskussion blockiert werden, wie von der PDS vorgeschlagen, bei jeder Frage die Mehrheiten neu zu definieren. Dann wird er handlungsunfähig.
Bei der Wahl des Präsidenten aber ist keine Professorenmehrheit notwendig.
Das ist richtig. Aber hier geht es formal um den Akt der Wahl. Zwar entscheidet der Präsident maßgeblich über die strategische Steuerung der Hochschule. Im engeren Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dies aber keine Kernangelegenheit von Forschung und Lehre, die eine Professorenmehrheit benötigt.
War die Entscheidung für Prof. Sabine Kunst als neue Präsidentin der Uni Potsdam richtig?
Ich denke, es ist eine sehr gute Entscheidung. Es kann sehr anregend sein, wenn jemand von Außen kommt, der die Dinge neutral und unvoreingenommen angeht. Außerdem bringt Frau Professor Kunst wertvolle Erfahrungen aus ihrem Amt als Vizepräsidentin an der Uni-Hannover mit, zum Beispiel bei der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge. Auch die Tatsache, dass sie sowohl im geisteswissenschaftlichen als auch im technischen Bereich zu Hause ist, ist wertvoll. Was ich ganz hervorragend fand, war die eindeutige Positionierung des Senats. Das ist eine große Chance für Frau Professor Kunst.
Es fällt auf, dass Sie in jüngster Zeit die Bedeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften immer wieder betonen. Ein Sinneswandel?
Ganz und gar nicht. Mir als Mathematikerin wird nur immer gern eine Präferenz für die Naturwissenschaften unterstellt. Es geht aber in erster Linie darum, was im Interesse des Landes ist. Und da zählt etwa ein Studiengang wie „Deutsches und Polnisches Recht“ hinzu. Die Geisteswissenschaften spielen gerade in unserer heutigen Zeit eine besondere Rolle, etwa wenn ich an ethische Fragen denke. Ich engagiere mich auch persönlich dafür, dass unsere geisteswissenschaftlichen Zentren bestehen bleiben. Bundesweit gibt es vielerorts eine Entwicklung gegen die Geisteswissenschaften. Hier haben wir in Brandenburg aufgepasst.
Der Transfer Wissenschaft-Wirtschaft läuft nach wie vor schleppend. Die beiden Bereiche geben sich gegenseitig die Schuld daran.
Die Ergebnisse im Transfer seitens unserer Hochschulen können sich sehen lassen. Heute kann es aber nur noch im Dialog funktionieren. Es ist nicht mehr so, dass eine Firma einfach bei einer Hochschule etwas bestellt. Beide Seiten müssen eine Bereitschaft zeigen. Unsere Hochschulen haben in den vergangenen Jahren beim Transfer enorm zugelegt. Wir gehören zu den Bundesländern mit den größten Steigerungen. Auch bei den Drittmittelsummen gibt es eine überproportionale Steigerung aus der gewerblichen Wirtschaft. Die Brandenburger Fachhochschulen sind beim Drittmittelaufkommen bundesweit ganz vorn, die TFH Wildau belegte sogar erste Plätze. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren ein Absinken aus der Brandenburger Wirtschaft. Die anderen Länder nutzen unser Potenzial also stärker als Brandenburg selbst. Wir wollen den Dialog zwischen den Hochschulen und der Brandenburger Wirtschaft daher verbessern. Dazu dient auch das Landesinnovationskonzept 2006.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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