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Verhandlung am Landgericht Potsdam: Hohe Haftstrafen für Panzerknacker
Sie sprengten Geldautomaten und Tresore und erbeuteten 300.000 Euro. Eine Bande aus Potsdam und Umgebung wurde nun am Landgericht verurteilt.
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Potsdam - Es ging um aufgesprengte Geldautomaten und Tresore, diverse Einbrüche und eine filmreife Verfolgungsjagd auf der Autobahn: Am Samstag sind sieben Mitglieder einer sogenannten Panzerknacker- Bande aus Potsdam und Umgebung am Landgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Angeklagt waren die zum Großteil in Untersuchungshaft sitzenden Männer – drei stammen aus Kasachstan und der Ukraine – wegen schweren Bandendiebstahls. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vorgeworfen, von 2010 bis 2013 unter anderem aus Geschäften, Cafés und Autohäusern Tresore gestohlen oder noch am Tatort aufgebrochen und ausgeraubt zu haben. Zudem sollen sie in Berlin und Brandenburg fünf Geldautomaten in die Luft gesprengt haben, wobei an einzelnen Gebäuden hohe Sachschäden entstanden. Angeklagt waren die Bandenmitglieder wegen insgesamt 30 Straftaten.
Haftstrafen bis zu elf Jahren
Die Staatsanwaltschaft hatte für die zum Teil mehrfach vorbestraften Männer Haftstrafen zwischen elf und drei Jahren verlangt. Die Verteidiger plädierten auf mildere Strafen beziehungsweise Freispruch. Die höchste Strafe mit acht Jahren Gefängnis erhielt der 26 Jahre alte, gebürtige Potsdamer Maurice K. Der 59 Jahre alte Jürgen E. aus Potsdam muss für zweieinhalb Jahre hinter Gitter. Der Anwalt von K. kündigte gegenüber den PNN an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Für drei der Verurteilten wurde der Haftbefehl zunächst außer Vollzug gesetzt.
Während der rund zweistündigen Urteilsverkündung sprach Richter Axel Gerlach mehrfach von „erheblicher krimineller Energie“. Ein Beispiel: Die Sprengung eines Geldautomaten der Commerzbank in Kleinmachnow im Mai vor zwei Jahren. Dabei wurde ein explosives Gasgemisch in den Geldautomaten geleitet, zuvor hatten die Täter die Überwachungskamera mit blauer Farbe übersprüht. Nach der Detonation, bei der der Eingangsbereich der Bank verwüstet wurde, fehlte die Geldkassette mit rund 80 000 Euro.
Versteck der "Panzerknacker"-Bande im Industriegebiet-Süd
Das Beispiel Kleinmachnow zeigte aber auch die Komplexität des Prozesses: Letztlich konnte das Gericht nur Maurice K. die Beteiligung nachweisen, drei Helfer blieben unbekannt, wie Richter Gerlach einräumte. K. bestreitet diesen Vorwurf – er räumt aber ein, in derselben Nacht wiederum einen Geldautomaten in Bergholz-Rehbrücke gesprengt zu haben. Hier blieb die Geldkassette aber stecken, die Täter flüchteten. Ebenso räumt K. beispielsweise den Einbruch in einen Blumenladen im Bornstedter Feld ein, dort wurden 1000 Euro und ein Laptop gestohlen. Andere Bandenmitglieder wurden unter anderem auch wegen Versicherungsbetrugs verurteilt, für vermeintliche Schäden an ihren Autos. Nicht beweisen ließ sich andererseits ein Einbruch in einen Schuhladen, bei dem ein Tresor aus der Wand gerissen wurde.
Ihr Versteck hatte die Bande auf einem Betriebsgelände im Industriegebiet-Süd, hier sei „das Vertrauen eines Arbeitgebers missbraucht“ worden, so der Richter. Vor Ort fanden die Ermittler später zum Beispiel Werkzeug und Maschinen aus einem Einbruch in einen Autotechnik-Handel im Landkreis Märkisch-Oderland. Bei weiteren Durchsuchungen stellten Polizisten auch Brecheisen, Schreckschussrevolver, Elektroschocker und Sturmhauben sicher, ebenso wurden Handys, hochwertige Autos, Schmuck und hohe Bargeldbeträge eingezogen. Bei den Razzien waren rund 100 Polizisten, darunter Spezialeinheiten, im Einsatz.
Streit der Bande bedeutete ihr Ende
Aufgeflogen war die Bande im August 2013. Allerdings hatten die Ermittler die Gruppe schon länger im Visier, unter anderem wurden Telefon und Gespräche in einem Auto abgehört – so wurden weitere Hintergründe bekannt. Richter Gerlach schilderte einen Streit innerhalb der Bande, der letztlich ihr Ende bedeutete. Demnach habe sich der 59-jährige E. betrogen gefühlt und aus dem Versteck der Bande wertvolle Beute mitgenommen – zum Ärger seiner Komplizen. Diese hätten ihn später zufällig beim Fahren auf der Autobahn bei Michendorf entdeckt und verfolgt. Dabei habe der 22 Jahre alte und zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilte Andriy G. mit seinem BMW vor dem Auto von E. gebremst – dieser fuhr auf, verlor die Kontrolle und fuhr beinahe durch die Mittelleitplanke. „Ein lebensgefährliches Manöver“, so der Richter. E. alarmierte in seiner Not – und obwohl bereits ein Haftbefehl in anderer Sache gegen ihn vorlag – die Polizei. Die Fahrt endete schließlich bei der Autobahnpolizei in Dessau, dort legte E. ein Geständnis ab. Richter Gerlach wertete das als glaubwürdig: G. sei in den Jahren zuvor zwar auch durch Delikte wie Erpressung oder Raub aufgefallen, aber kaum durch Täuschungsdelikte. Zudem sei die Aussage von E. durchaus differenziert gewesen.
Die gemeinsame Ermittlungsgruppe Berlin-Brandenburg beim Landeskriminalamt in Eberswalde hatte kurz nach Ergreifung der Bande von Beute im Gesamtwert von 300 000 Euro gesprochen. Bemerkenswert: K. zum Beispiel deponierte einen Teil seines Geldes laut Gericht bei den Eltern seiner Lebensgefährtin, ohne dass diese davon wussten. Allein er soll sich 135 000 Euro verschafft haben.
Das Urteil wurde unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen verkündet, die rund 20 Zuschauer wurden auf Waffen untersucht – bis auf den letzten Platz war der Gerichtssaal besetzt, augenscheinlich vor allem Freunde und Angehörige der Angeklagten. Ursprünglich sollte das Urteil am Freitag verkündet werden, da aber waren Prozessbeteiligte verhindert – so hätten sich alle schließlich auf den Samstag verständigt, ein laut einer Gerichtssprecherin „außergewöhnlicher Termin“.
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Hintergrund: Potsdams "Panzerknacker"-Bande
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