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"Maison Voltaire" zeigt historische Kleider: Hohe Taille und freizügige Beinkleider

Modische Zeitreise ins 18. Jahrhundert. Der Verein "Maison Voltaire" präsentierte im Marmorpalais historische Kleider aus der Zeit von Friedrich Wilhelm II.

Von Sarah Kugler

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Potsdam - Große Schals, griechische Schleier und turbanähnliche Kopfbedeckungen. Schon in der Mode des 18. Jahrhunderts durften auffällige Accessoires nicht fehlen. Die Grundfarbe der Damenbekleidung wurde hingegen eher im schlichten Weiß gehalten. „Zu Zeiten Friedrich Wilhelm II. verabschiedete man sich nach und nach vom Pomp des Rokoko“, sagte Marita Müller, Vorsitzende des Vereins für historische Theatertechniken „Maison Voltaire“. Wie dieser Übergang genau ausgesehen hat, präsentierte der Berliner Verein am vergangenen Samstag im Marmorpalais im Neuen Garten anhand einer szenischen Modenschau. „Die Kleider waren einfacher geschnitten und hatten nicht mehr die großen bauschenden Röcke“, sagte Müller.

Tänzer der Tanzgruppe „Passi nel Tempo“ zeigten dabei nicht nur verschiedene Kleidervarianten, sondern führten auch zeitgenössische Tänze vor. Moderiert wurde das Ganze von Müller selbst, die als Modeberichterstatterin des „Journals des Luxus und der Moden“ auftrat, eine Zeitschrift, die im 18. Jahrhundert wirklich existierte.

„Sie wurde in den 1780er-Jahren gegründet und enthielt Berichte über neue Entwicklungen der europäischen Mode“, beschrieb Müller, die ebenfalls Ensemblemitglied bei „Passi nel Tempo“ ist, die Funktion des Blattes. Für ihre Modeschau griff sie dabei weitgehend auf diese Zeitung zurück. „Sie diente als einer meiner Quellen“, sagte sie. Denn Authentizität ist der studierten Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, die auf Kostüm- und Tanzgeschichte spezialisiert ist, sehr wichtig. Die verwandten Kostüme sind teilweise von ihr selbst nach historischen Vorbildern genäht worden und bestehen nur aus authentischen Stoffen.

Vorbild Griechenland

Die Begeisterung für die historischen Kleider merkte man Müller am Samstag deutlich an, so sehr schwärmte sie von all den Details und Kleinigkeiten. So berichtete sie von einer Damenhaube aus Musselin, die mit einem Goldband und einem roten Tuch verziert war. Musselin ist ein lockerer, glatter Stoff. In seiner Ursprungsform war er zumeist mit orientalischen Mustern verziert und ist nach der Stadt Mosul im heutigen Irak benannt. Vor allem das antike Griechenland diente als Vorbild für die Damen. „Der griechische Einfluss spiegelte sich Ende des 18. Jahrhunderts überall in der Mode wieder“, erklärte sie. „Sei es in Form von Tuniken oder Schleiern, die über dem Haar getragen wurden.“ Auch die Frisuren wurden nach antikem Vorbild geformt. Dabei sah man die Haare oft am Hinterkopf zu einem aus heutiger Sicht streng anmutenden Dutt zusammengefasst, wobei die Stirn von verspielten kleinen Löckchen eingerahmt wurde. Auch die Kleider erinnerten mit dem hellen Weiß und der hohen Taille an griechische Tuniken und bildeten den Übergang zur Empire-Mode des 19. Jahrhunderts.

Die Herren trugen "High Heels"

Friedrich Wilhelm II. (1744 bis 1797) soll seine Mätresse Gräfin Wilhelmine von Lichtenau viele modische Inspirationen von ihren Italienreisen mitgebracht haben, die der modebegeisterte König begeistert aufnahm, wie Müller erzählte. Somit spielte am Samstag nicht nur das weibliche Erscheinungsbild eine Rolle, auch die männliche Kleidung wurde beleuchtet. Auffällig dabei: Die Herren tragen Absatz, während die Frauen im flachen Schuhwerk flanieren – also genau entgegen der heutigen Mode.

Wie Müller erzählte, kamen flache Schuhe für Männer erst im 19. Jahrhundert auf. „Viel bemerkenswerter finde ich allerdings die Beinkleider, die durch die Kniebundhosen sehr viel von der Beinform zeigen“, sagte Müller. „Und dazu die bunten Seidenfracks, das sieht doch klasse aus.“ Geschmackssache und zudem abhängig von den Beinen der jeweiligen Träger.

Ihre Leidenschaft für historische Mode war einer der Hauptgründe für die Gründung der Tanzgruppe „Passi nel Tempo“ vor zehn Jahren und dann des Vereins vor drei Jahren, in dem verschiedene Organisationen zusammenkommen, die sich mit historischem Theater, Tanz und Theater beschäftigen. Zeitlich bewegt sich der Verein dabei von der Renaissance bis in das frühe 19. Jahrhundert. „Der Barock bildet dabei schon einen Schwerpunkt, aber wir mögen auch die Abwechslung“, so die Kulturhistorikerin. Finanziert wird der Verein durch verschiedene Förderer, die Veranstaltungen wie solche zur Mode im 18. Jahrhundert am Samstag möglich machen.

Unbekannte Modeschauen

So authentisch die Ausführung in allen Details dabei auch war, in einem Punkt wurde aber doch ein wenig geschummelt, wie Müller zugab: „Eine solche Modenschau, wie wir sie hier zeigen, hätte es zur damaligen Zeit nicht gegeben“, sagte sie. „Das ist dann doch ein Element der Moderne.“ Wie sie erklärte, war es im 18. Jahrhundert eher üblich, Modepuppen, bekleidet mit den neuesten Trends, durch Europa zu schicken und diese so zu verbreiten. Auf echte Models verzichtete man daher. „In kleineren Gesellschaften wurden manchmal lebendige Bilder präsentiert, die durchaus auch modische Trends verrieten, aber das war auch alles.“

„Passi nel Tempo“ ist in Potsdam wieder zum UNESCO-Welterbetag am 7. Juni auf der Pfaueninsel im Programm zu „Luises Bauernhof“ zu erleben. Weitere Infos gibt es hier >>

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