Sport: Hoher Stellenwert
Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes lobt das Engagement des Landes Brandenburg für gehandicapte Sportler. Aber es geht auch um die Finanzierung
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Seit 1996 ist Potsdam „Landesstützpunkt Behindertensport Schwimmen“. Seit 2013 ist Potsdam auch „Paralympischer Trainingsstützpunkt Schwimmen“. Was ähnlich klingt, ist allerdings nicht dasselbe. Vielmehr geht es auch darum, wer den Leistungssport behinderter Sportler fördert und zu welchen Anteilen er von Bund und Land finanziert wird.
Der Titel „Paralympischer Trainingsstützpunkt“ wird vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) vergeben, der die Stützpunkte auch mitfinanziert. Mindestens drei dort trainierende Kaderathleten, ein Trainer vor Ort sowie der behindertengerechte Zugang sind einige der Kriterien für die Anerkennung. Für die Bundesländer ist eine solche Anerkennung im Prinzip eine gute Nachricht: Sie müssen die Trainer nicht mehr allein bezahlen und werden attraktiver für weitere Kaderathleten.
Insgesamt gibt es 19 Paralympische Trainingsstützpunkte in der Bundesrepublik, zwei davon in Brandenburg – in Cottbus trainieren die paralympischen Leichtathleten und Radsportler, in Potsdam die Schwimmer. Am gestrigen Montag besuchte eine Gruppe von etwa zehn haupt- und ehrenamtlichen Vertretern des Leistungs- und Breitensports zwei Wochen vor der Landtagswahl gemeinsam mit der brandenburgischen Bildungsministerin Martina Münch (SPD) die beiden Stützpunkte. Urkunden übergeben, beim Training zuschauen, netzwerken.
Und Lob verteilen. „Der paralympische Sport hat hier in Brandenburg einen hohen Stellenwert“, sagt Friedhelm Julius Beucher, der ehrenamtliche Präsident des DBS und inzwischen Rentner. Das Land Brandenburg sei sportaffin, bei Fragen der Finanzierung „läuft man bei Frau Münch offene Türen ein“.
Die „Tour de Brandenburg“, wie die gestrige Reise betitelt wurde, von Cottbus über das Gut Bonhomme in Werder (Havel) bis zum Potsdamer Luftschiffhafen, sie dient auch dazu, den Behindertensport finanziell besser auszustatten. Man braucht mehr Trainer als bei Nichtbehinderten, sagt Hans-Jörg Michels, Präsident des Brandenburgischen Behindertensportverbandes, man braucht auch anderes Material, zum Beispiel für Dreiräder. Und: „Wir brauchen mehr Geld“, sagt Michels, früher Volleyballnationalspieler und heute Rechtsanwalt, klar. 30 000 bis 40 000 Euro könnten es sein, das können zwei Trainer sein oder zusätzliche Trainingslager, rechnet er vor.
Michel hofft, dass mehr Behinderte den Weg zum Sport finden. Er will deshalb die Sichtung verstärken. „Der Unterbau muss besser werden“, sagt er und setzt dabei auch Erwartungen in die Eltern. Viele Eltern würden es scheuen, ihre Kinder zum Sport zu schicken und sie lieber verstecken. „Wenn Kinder zum Sport wollen, müssen wir es unterstützen.“
In Brandenburg haben sich die Anstrengungen auch in diesem Jahr gelohnt – für die Sportler, die ihrem Sport nachgehen können, aber auch für jene, die auf Medaillen und Platzierungen bei internationalen Wettbewerben achten, um weiter gefördert zu werden. Für die in Cottbus trainierenden Leichtathleten sicherte Martina Willing den Europameistertitel im Speerwurf und wurde Dritte im Kugelstoßen, dazu kamen drei weitere EM-Medaillen durch andere Athleten. Für die Potsdamer Schwimmer brachten Torben Schmidtke (Silber) und Maike Naomi Schnittger (Bronze) zwei Medaillen von der Europameisterschaft in Eindhoven mit.
Eine Bilanz, die auch DBS-Präsident Beucher freut. Daran könne man sehen, wie richtig es war, den paralympischen Trainingstützpunkt in Potsdam einzurichten, sagte er. Derzeit sind vier Trainer mit Voll- und Teilzeitverträgen für den paralympischen Sport angestellt – in Potsdam sind es Dörte Paschke und Christian Prochnow für 15 Schwimmer.
Potsdam und Cottbus sind allerdings nur zwei der drei Stützpunkte, die das Land Brandenburg fördert. Seit 2009 ist Radensleben (Ostprignitz-Ruppin) Reiter-Leistungsstützpunkt, der 2012 um Grüneberg (Oberhavel) erweitert. Wegen der weiten Anreise wurde diese Etappe der „Tour de Brandenburg“ nach Werder (Havel) verlegt. Auf dem dortigen Gestüt Bonhomme, auf dem derzeit rund 120 Pferde gepflegt und beschäftigt werden, fanden in diesem Jahr die deutschen Meisterschaften der gehandicapten Reiter statt. Mehrere Anlagen, die die Kriterien für internationale Wettkämpfe erfüllen, sind hier in letzter Zeit entstanden – „eine olympia- und paralympics-taugliche Anlage“, schätzte DBS-Präsident Bucher.
Am Montag zeigten drei Dressurreiter den Gästen ihr bemerkenswertes Können. Trainerin Gundula Lüdtke sagt, dass beim paralympischen Reiten auch der Charakter des Pferdes eine Rolle spiele – sie dürften schlicht nicht ausnutzen, wenn sie merken, dass der Reiter die Kontrolle nicht hundertprozentig innehat. Das Land Brandenburg hat auch die Reiter unterstützt und sich am Kauf dreier Pferde beteiligt.
Das nächste große Ziel für Sportler und Trainer sind die Paralympics im September 2016 in Rio des Janeiro. Erstmals stehen dann Kanu-Wettbewerbe auf dem Programm. Deshalb strebt das Land eine Kooperation mit dem Kanuclub Potsdam an. Und wird vielleicht einen weiteren Landesstützpunkt in Potsdam einrichten.Ingmar Höfgen
Ingmar Höfgen
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