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Binationale Ambitionen. Die Universität Potsdam (r.) entwickelt das Profil der Naturwissenschaften für die neu gegründete Deutsch-Türkischen Universität, die bis Herbst 2011 in Istanbul errichtet werden soll.

© Christiaan Briggs/ Karla Fritze

Von Jan Kixmüller: Hörsaal am Bosporus

Deutsch-Türkische Universität: Naturwissenschaftliche Expertise aus Potsdam

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Das Projekt ist ambitioniert. Bis zu 6000 Studierende soll sie haben und an die 1400 Mitarbeiter, bereits im Herbst 2011 soll sie ihre Arbeit aufnehmen: Die Deutsch-Türkische Universität (DTU) in Istanbul. An ihrer Errichtung wird die Universität Potsdam neben anderen deutschen Hochschulen einen wesentlichen Anteil haben. Die Universität Potsdam und das Potsdamer Forschungsnetzwerk „pearls“ koordinieren den Aufbau der naturwissenschaftlichen Fakultät der DTU mit den Schwerpunktthemen Geo- und Biowissenschaften.

Den Zeitplan findet Bernd Müller-Röber etwas zu ambitioniert. Zumindest was Labore und Geräte, also die Infrastruktur für die Biowissenschaften betrifft, geht der Professor für Molekularbiologie an der Uni Potsdam und am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie von einem höheren Zeitbedarf aus. Grundsätzlich hält er das Vorhaben aber für richtungsweisend. Auf der asiatischen Seite im Nordosten Istanbuls soll eine Hochschule für forschungsbasierte Lehre entstehen, Spitzenforschung und -lehre ist das Ziel. Auf einem Workshop in Potsdam berieten in dieser Woche rund 40 führende deutsche und türkische Wissenschaftler über das Konzept für die Naturwissenschaftliche Fakultät. Insgesamt sind in Istanbul fünf verschiedene Fakultäten vorgesehen.

In welcher Sprache der Unterricht stattfindet, sei noch offen. Zum Teil in Deutsch und Türkisch, in jedem Fall aber auch auf Englisch, der Sprache der internationalen Wissenschaft. „Wir wollen internationale Forscher und Studierende rekrutieren“, erklärte Müller-Röber gegenüber den PNN. Ziel der DTU ist es, Studierende auszubilden, die sowohl auf dem deutschen und türkischen als auch auf dem internationalen Arbeitsmarkt beste Chancen haben.

Erdwissenschaften und Life-Science hat man nun in Potsdam als Schwerpunkte festgelegt. Für die Biowissenschaften weiß Müller-Röber schon, dass Neurowissenschaften, Molekulare Pflanzenphysiologie, Systembiologie und Bioinformatik sowie Molekulare und zelluläre Biologie gelehrt werden sollen. Das besondere Interesse der türkischen Kollegen liege auf diesen Themen, da sie bislang in der türkischen Forschung noch unterrepräsentiert seien. „So ein Vorhaben muss ja Hand in Hand geplant werden“, erklärte Müller-Röber.

Allgemein sei die Forschungslandschaft in der Türkei gut aufgestellt, von rund 140 Universitäten würden etwa zehn im Spitzensegment arbeiten. Kooperiert werde zumeist mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den USA. Für die Potsdamer Universität sei die Deutsch-Türkische Uni von besonders herausragender Bedeutung, da die Hochschule mit dem Forschungsnetzwerk „pearls“ vor allem in Südamerika und der Türkei Kooperationen aufbauen will. Gerade im Bereich der Pflanzenforschung sieht Müller-Röber in der Türkei zudem noch Wachstumspotenzial.

Die Idee einer deutsch-türkischen Uni ist nicht neu, es gab sie bereits in den 50er Jahren, ein weiterer Anlauf in den 90er Jahren scheiterte. „Nun aber haben wir einen vielversprechenden Start“, schätzt Müller-Röber. „Der Grundstein ist gelegt, die Hochschule formal gegründet und ein Rektor bereits bestellt.“ Die Studierenden könnten sowohl aus Deutschland als auch aus der Türkei kommen, denkbar wäre auch, dass man für in Deutschland geborene Türken besonders attraktiv wird. Wie aber auch bei den Dozenten will man bei den Studierenden sich international öffnen. „Zu wünschen wären auch binationale Promotionen zwischen Potsdam und Istanbul“, erklärte Müller-Röber. Das sei aber nur mit gemeinsamen wissenschaftlichen Aufgabenstellungen machbar – regelmäßiger Kontakt und Austausch seien Voraussetzungen dafür. „Dann erhalten wir einen Mehrwert für die Studierenden.“

Der Spatenstich für die Deutsch-Türkische Universität in Istanbul erfolgte am 22. Oktober, die DTU soll in einem idyllischen Waldgebiet im Bosporus-Vorort Beykoz entstehen. Insgesamt haben sechs deutsche Universitäten die Federführung beim Aufbau der bilateralen Universität übernommen, sie soll die größte deutsche Universität im Ausland werden. Die Kosten teilen sich beide Länder: Die Türkei wird das Gebäude und die laufenden Kosten tragen, Deutschland soll Lehrpläne entwickeln, Dozenten schicken und bezahlen. Die verschiedenen Fakultäten sollen von den verschiedenen deutschen Hochschulen betreut werden. Auch Teile der Lehre sollen von akademischem Personal aus Deutschland vor Ort übernommen werden. Derzeit wird an Modellen gearbeitet, die das Studium in beiden Ländern und den Abschluss an der DTU und einer weiteren deutschen Hochschule erlauben.

Ein türkischer Rektor und ein deutscher Vizerektor sollen die DTU leiten. Vom Auswärtigen Amt war zu erfahren, dass mit dem Vorhaben die Türkei auch in der Wissenschaft und Kultur enger an Europa gebunden werden soll. Für die Uni Potsdam steht vor allem auch eine engere Bindung an die türkische Forschungslandschaft im Vordergrund.

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