
© Andreas Klaer
Von Jan Brunzlow: „Ich bin ein Trainer ohne Mannschaft“
Neues Gymnasium in Babelsberg im Aufbau: Mit dem Schließen von Schulen hat die Stadt Erfahrung, eine aufzubauen ist schwerer
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Alle Hoffnungen ruhen auf Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen“, hat der Dichter formuliert. Heute ist eine Babelsberger Schule nach ihm benannt, die keiner mehr haben will. Denn die Gesamtschule soll im Sommer abgeschafft und durch ein neues Gymnasium ersetzt werden. Der Weg dahin ist gepflastert mit Enttäuschungen, Anschuldigungen und Stilblüten. Es geht um Kommunikationspannen, Dinge wie einen separaten Schuleingang für Gymnasiasten, Wortbruch und den US-amerikanischen Glauben, alles zu können. Denn den hätte Helmut Gerlach als Schulleiter des Gymnasiums gerne in Babelsberg implantiert. Sein Motto: „Yes, we can!“ – aber nicht alle wollen.
Gerlach ist Geschichts- und Englischlehrer am Lise-Meitner-Gymnasium Falkensee. Er ist vom Staatlichen Schulamt Brandenburg beauftragt, das neue Babelsberger Gymnasium, das im Sommer eröffnen soll, aufzubauen. „Es ist generell eine Herausforderung, eine Schule neu aufzubauen“, sagte er zur Aufgabe, die er seit einigen Wochen versucht mit Inhalten zu füllen. Gefunden hat er dafür den Wahlkampfslogan des US-Präsidenten Barack Obama. Herausforderungen annehmen, „auch wenn der Weg schwer ist“, sagt Gerlach. So wie die US-Amerikaner das in ihrer Geschichte getan haben. Aber nicht alle wollen diesen Wahlslogan. „Das steht auch für die amerikanische Überheblichkeit“, erklärte Elternsprecher Ingo Truppel seine Ablehnung des Mottos der neuen Schule. Die Haltung der Weltmacht wolle er seinen Kindern nicht als Leitmotiv fürs Leben vermittelt wissen. Gerlach reagiert auf die Angriffe „aus der alten Welt“, wie George W. Busch es einst nannte, nicht. Er wirkt aufgeräumt, aber auch wie ein Präsident ohne Volk.
Er selbst vergleicht sich mit einem Trainer ohne Fußballmannschaft. Das kreative Mittelfeld und ein guter Sturm fehlen ihm, sagt er den Eltern, die sich über die Gründung der Schule informieren. Denn er kann nicht viel sagen, außer dass er da ist, Ideen hat, das Gymnasium im August eröffnen wird, Eltern ihre Kinder anmelden können und er auf seine Mannschaft wartet, die eine Schule mit aufbaut.
Wer die einzelnen Positionen in seinem Team besetzen soll, steht bis zu den Sommerferien fest. Dafür gebe es ein Auswahlverfahren des Schulamtes, alle Lehrer sollen sich an der neuen Schule bewerben können. Auch die der auslaufenden Goethe-Gesamtschule, in deren Haus das Gymnasium untergebracht werden soll. Damit aber nicht alle gleich sind, gibt es die Idee eines extra Eingangs für die Gymnasiasten an einer anderen Straßenecke. Eine Lehrerin der Schule nennt das „Schwachsinn“. Danach laufen alle über einen Flur und nutzen denselben Hof.
Das Kollegium der Goethe-Schule ist verbittert. Es wollte das neue Gymnasium am Standort in der Kopernikusstraße mitgestalten, mit aufbauen. Aber es durfte nicht. Eine strikte Trennung zwischen zu schließender Gesamtschule und Gymnasium war gewünscht. Dabei sorgen sich Lehrer und Eltern vor allem um die Schüler der 7. und 8. Klasse der Goethe- Schule. Denn denen ist bei ihrer Einschulung von der Schulverwaltung versprochen worden, dass sie am Babelsberger Standort ihr Abitur ablegen können. Davon ist keine Rede mehr. Bereits ab Sommer werden keine Oberstufen mehr gebildet. Die Schule läuft aus, mit allen Konsequenzen. Weniger Schüler, weniger Lehrer, weniger Angebot. Noch kämpft das Kollegium, vereinbart an offiziellen Stellen vorbei Konzepte, die Probleme im Sinner der Eltern und Jugendlichen zu lösen. So sollen nun alle 9. und 10. Klasse nach ihrem Realschulabschluss an der Lenné- Gesamtschule ihr Abitur ablegen können.
Kommunikationsprobleme werfen die Stadtverordneten dem Schulamt und der Schulverwaltung bei der Gründung der Schule vor. Nicht zuletzt, weil immer wieder neue Details ans Licht kommen. Beispielsweise über die Infogespräche zwischen neuem Schulleiter und interessierten Schülern, die nicht im Schulhaus stattfinden. Schulfachbereichsleiterin Josefine Ewers erklärte, es haben kein Raum dafür zur Verfügung gestanden. Schulleiterin Astrid Thorak sagte dagegen, die Verwaltung hätte nur mal fragen müssen, dann hätte es auch einen gegeben. Nun wird er eingerichtet, nachdem die Beschwerden über die fehlende Zusammenarbeit immer lauter geworden sind. Und sie werden wohl nicht verstummen, denn selbst einige Eltern sind enttäuscht. Wie eine Frau aus der Nachbarschaft, deren Sohn gerne die Fußballklassen der Goethe-Gesamtschule besucht hätte. Doch das Angebot gibt es wegen der Schulschließung ab sofort nicht mehr und am neuen Gymnasium ist dafür nach bisherigen Planungen kein Platz. Dafür braucht Gerlach entsprechendes Personal, und das kennt er nicht.
Eines ist hingegen klar: Die Schule soll eine bilinguale Prägung erhalten. Zweisprachiger Unterricht. Gerlach selbst hat damit in Falkensee Erfahrung gesammelt und will ab der 7. Klasse mehr Englischunterricht anbieten und ein Jahr später Geschichte in englischer Sprache unterrichten. Das sieht er als machbar an, aber welche weiteren Sprachangebote und welche Arbeitsgemeinschaften es geben wird und ob Goethe Recht behält, wird erst am Ende des steinigen Weges sichtbar.
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