
© Andreas Klaer
Interview: „Ich bin nicht ohne Hoffnung“
Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt über den Potsdamer Synagogenstreit und die Chancen auf Einigung
Stand:
Herr Gorholt, welche Bedingungen müssen aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit die Landesregierung grünes Licht geben kann für den Bau der Potsdamer Synagoge?
Es muss zu einer Einigung der jüdischen Gemeinden in Potsdam darüber kommen, wie jüdisches Leben in Potsdam zu gestalten ist, wie die Synagoge aussehen soll und wie das Leben der Gemeinden in der Synagoge strukturiert wird. Diese Einigung ist die Voraussetzung dafür, dass die Landesregierung grünes Licht für den Synagogenbau gibt.
Es ist also nicht nur eine Architekturfrage, die da auszudiskutieren ist?
Ud Joffe von der Synagogengemeinde weist immer wieder darauf hin, dass es ihm darauf ankommt, Grundlagen zu klären. Welches sind die Ziele, die auch mit Förderung des Landes erreicht werden sollen? Es gibt die Frage der Integration der aus Russland stammenden Zuwanderer, es geht um Lebenschancen, die soziale Unterstützung. Es geht aber auch zentral um die Förderung des religiösen Lebens und um die Kooperation zwischen den Religionen. Es gibt viele Aspekte, über man in der Tat intensiv reden kann und muss.
Zwischenfrage: War das nicht bereits vorher ein Problem, bevor alles vorbereitet wurde für den Bau der Synagoge?
Ja, diese Fragen standen schon länger im Raum. Sie haben in der ersten Planungsphase für die Synagoge aber keine zentrale Rolle gespielt, sondern rückten erst mit der Diskussion des Architektenentwurfs von Jost Haberland in den Vordergrund. Erst da hat sich die Situation zugespitzt bis zur Neugründung einer weiteren Gemeinde, der Synagogengemeinde. Die hat zum Teil andere Intentionen und setzt andere Schwerpunkte.
Gibt es bereits Annäherungen zwischen den beiden Gemeinden?
Man muss sehen, dass es eine heftige Auseinandersetzung gab, öffentlich und hinter den Kulissen, zur Frage der Synagogengestaltung innen wie außen. Da sind auch ein Stückchen weit Grundlagen für eine Zusammenarbeit zerstört worden, die man wieder neu erarbeiten muss. Darum gilt es in dem Prozess auch, dass Vertrauen wieder herzustellen, zunächst zwischen der Synagogengemeinde und der Jüdischen Gemeinde. Die Gesetzestreue Gemeinde macht trotz mehrerer Einladungen bei dem Prozess nicht mit und verfolgt ganz eigene Ziele. Dann gibt es noch das schwierige Wechselspiel mit dem Jüdischen Landesverband, aus dem die Jüdische Gemeinde aus verschiedenen Gründen erst einmal ausgetreten und in den die Synagogengemeinde eingetreten ist. Insofern geht es vor allem darum, eine offene Gesprächskultur zu schaffen.
Welchen Zeithorizont haben Sie? Wann sollten Ergebnisse erzielt werden?
Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen. Wir als Landesregierung, in Abstimmung mit dem Zentralrat der Juden, laden die Gemeinden ein und lassen uns über den erreichten Stand berichten. Wir reden auch bilateral miteinander – insofern versuchen wir, immer wieder einen Anschub zu geben. Ende November ist der nächste Gesprächstermin. Ich hoffe, dass man bis zum Frühjahr nächsten Jahres absehen kann, ob es zu einer Einigung kommen kann oder nicht. Wenn es zu keiner Einigung kommt, werden wir uns als Landesregierung überlegen müssen, wie wir dann weiter vorgehen. Ich halte es zumindest für einen ganz guten Schritt, dass die Jüdische Gemeinde zusammen mit dem Architekten Jost Haberland überlegt hat, was an dem Synagogen-Entwurf außen und was innen anders gestaltet werden kann, um den Kritikern entgegenzukommen. So wurde der Synagogenraum vergrößert, Büroräume wurden reduziert, die Fassade wurde transparenter gestaltet. Das sind Schritte, die vielleicht sogar vor etwas über einem Jahr noch zu einer Verständigung geführt hätten, bevor alles derart eskaliert ist. Insofern: Ich bin nicht ohne Hoffnung, es ist jedoch noch kein Durchbruch abzusehen.
Der Haberland-Entwurf genießt ja nicht nur bei den Juden keine ungeteilte Zustimmung, sondern auch bei den nichtjüdischen Potsdamern. Stichwort Fassadenform, Erkennbarkeit als Synagoge ...
Eigentlich sind sich alle einig: Wir wollen keinen historisierenden, wir wollen einen modernen Bau. Bei Moderne gibt es immer Streit über die Gestaltung. Insofern würden auch moderne Entwürfe anderer Architekten einige Menschen zunächst stören. Wenn man sich in der Bundesrepublik neue, moderne Synagogenbauten ansieht, muss man sagen, es gibt Gebäude, die in Potsdam sicher noch mehr Kritik auf sich gezogen hätten.
Es hätte noch schlimmer kommen können?
Aus Sicht einiger interessierter Menschen, wenn sie so wollen, ja. Das, was Haberland jetzt an Veränderungen vorgelegt hat, verändert, wie ich schon angedeutet habe, auch die Außenansicht. Die Landesregierung ist nicht festgelegt auf den Haberland-Entwurf, Haberland ist aber auch nicht aus dem Rennen. Das ist Teil der Einigung: Muss man neu ausschreiben oder kann man mit einem veränderten Haberland-Entwurf weiterarbeiten?
Sagen Sie, wenn das Land Brandenburg die erste Synagoge in der Landeshauptstadt baut, ist das dann eine Landessynagoge?
Eine Synagoge in einer Landeshauptstadt hat immer auch eine Landesbedeutung. Alles, was in der Landeshauptstadt passiert, soll auch ausstrahlen in das ganze Land. Natürlich haben aber auch die im Land verteilten jüdischen Gemeinden einen Anspruch auf angemessene Räumlichkeiten. Das heißt aber nicht, dass das Land auch andere Synagogenbauten finanziell unterstützen kann. Das werden wir nicht tun. Deshalb hat die Potsdamer Synagoge eine große Bedeutung. Es ist denkbar, dass auch der Landesverband dort Veranstaltungen durchführt.
Dann müssten die Juden Brandenburgs auch alle reinpassen in die Synagoge.
Bei der Größe hat man sich an vergleichbaren Synagogenbauten orientiert. Aber auch das ist zu besprechen.
Die Voraussetzungen sollten doch aber da sein, dass alle reinpassen. Im Zweifel kommen doch auch mal alle Juden Brandenburgs zu einer Veranstaltung.
Ja, das ist mit zu berücksichtigen.
Der Landesverband jüdischer Gemeinden kritisiert, kaum einbezogen worden zu sein in die Synagogen-Planungen.
Der Landesverband war formal über den Vertreter der Potsdamer Ortsgemeinde im Bauverein vertreten und war mit diesem Verfahren bis letztes Jahr einverstanden. Der Staatsvertrag mit dem Landesverband bezieht sich insgesamt auf das jüdische Leben in Brandenburg. Darin bindet sich das Land, in der Landeshauptstadt eine Synagoge zu fördern. Diese Festlegung bindet uns gegenüber dem jüdischen Leben im Land Brandenburg. Die Hauptnutzer sollen die drei Gemeinden sein, die in Potsdam ihre Arbeit tun. Insofern kommt es uns darauf an, dass sich die drei Gemeinden Potsdams verständigen. Der Landesverband wird mit eingebunden.
Eine Einigung mit den Gesetzestreuen dürfte sehr schwer werden.
Die Tür für die Gesetzestreuen steht immer offen. Sie sind allerdings bis jetzt nicht bei uns erschienen.
Erschwert das den Synagogenbau, wenn sich die Gesetzestreuen nicht beteiligen?
Uns kommt es auf eine Einigung der Gemeinden an, die ein Interesse am Synagogenbau haben.
Zum Pogromgedenken am 9. November hat der Geschäftsführer der Gesetzestreuen Gemeinde, Shimon Nebrat, das Land hart kritisiert. Es gebe keine jüdischen Einrichtungen im Land. „Wir haben hier nichts zu verlieren in Brandenburg“, sagte er. Wollen Sie ihm widersprechen, bitte?
Das Judentum gehört zum Land Brandenburg wie zur Landeshauptstadt Potsdam. Seit Anfang der 1990er Jahre fördert das Land Brandenburg das jüdische Leben. Ich glaube, dass es sich dabei um eine angemessene Förderung handelt. Wir sind gerne bereit, darüber zu reden, wie noch in anderer Form gefördert werden kann. Aber es wäre auch für das Land besser, wenn es einen größeren Konsens gäbe zwischen den Gemeinden. Dann könnte das Land auch besser und gezielter unterstützen. Wenn die Gesetzestreuen auch an Kooperationen und nicht immer nur an das Prozessieren gegen das Land denken würden, wären wir vielleicht bereits einen Schritt weiter mit der Förderung jüdischen Lebens im Land Brandenburg.
Bringt der Synagogenstreit nicht auch etwas Konstruktives mit sich?
Ja, ich finde, dass wir mit den Personen, die sich da jetzt engagieren, eine unglaubliche Chance haben, einen großen Schritt nach vorne zu kommen. Sehen Sie, das was Ud Joffe als Person ausdrückt und wie er sich engagieren und artikulieren kann, kann auch denen helfen, die als Zuwanderer aus Russland nach Brandenburg gekommen sind und hier ein jüdisches Leben führen wollen. Daher mein Appell: Wichtig ist, aufeinander zuzugehen und nicht immer Einzelinteressen in den Vordergrund zu stellen. Ich glaube, dass wir in Potsdam und im ganzen Land herausragende Chancen für das jüdische Leben haben, die zurzeit einfach nicht voll genutzt werden.
Das Interview führte Guido Berg
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