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Moses Vester im Café Elflein, wo er immer montags bei frrappó! eine Radiosendung moderiert. „NaMo-Radio“, benannt nach seinem Freund Natti und ihm selbst, sendet 19.30 Uhr. Für den Fotografen stellte er sich natürlich an das alte Klavier.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Ich hab den ganzen Tag Musik im Kopf“

Der dreizehnjährige Moses Vester will einmal Jazz-Pianist werden. Aber eigentlich ist er das längst

Stand:

Ein Klavier, ein Klavier! Moses Yoofee Vester ist drei Jahre alt, da erben er und seine Mutter das alte Piano einer Freundin, die umzieht. Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Das Instrument wird restauriert und Moses beginnt bald darauf rumzuklimpern. Dann verkündet er: Mama, ich will Klavier-Unterricht. Einige Jahre besucht er die Musikschule, bis er merkt: „Dass ich total auf Jazz stehe“.

„Die Welt rechnet nicht mit einem dreizehnjährigen Jazzliebhaber“, sagt Mutter Patricia Vester, selbst freischaffende Künstlerin, die vermutlich weiß, wie schwer es sein kann, im kreativ-künstlerischem Bereich sich beruflich zu etablieren. Denn genau das hat Moses vor. Jazzpianist und Komponist will er werden, oder Show-Pianist, und aus dem Traum könnte vielleicht Wirklichkeit werden. Seit zweieinhalb Jahren besucht er das Berliner Musikgymnasium „Carl Philipp Emanuel Bach“ und bekommt als sogenannter Jungstudent zusätzlich Unterricht an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Täglich ist er zwei bis drei Stunden zwischen Potsdam und Berlin unterwegs. Er will nicht ins Internat, „das ist in Lichtenberg, und ich hab nicht so gute Sachen über Lichtenberg gehört, wissen Sie, was ich meine?“

Wir sitzen im Café Elflein, Moses managed das Interview allein, seine Mutter spricht am Nebentisch mit Freunden. Dass er manchmal während der langen S-Bahn-Fahrten, übrigens gemeinsam mit Freund Leon aus der selben Schule, Hausaufgaben macht, soll die vielleicht lieber nicht wissen, das finde sie nicht so gut. Aber außer den Hausaufgaben muss Moses noch täglich bis zu fünf Stunden Klavier üben. „Also müssen stimmt nicht, ich bin ja kein Wunderkind wie der kleine Mozart, der dazu gezwungen wurde, bis die Fingerkuppen bluten. Ich will ja üben, ich kann manchmal nicht anders, ich habe den ganzen Tag Musik im Kopf – und Rhythmus.“

Mittlerweile spielt er so gut, dass er regelmäßig von großen Jazzern zu Sessions und Konzerten eingeladen wird, zum Beispiel ins Berliner B-Flat. Dann muss er sich durch das Jugendschutzgesetz mogeln, um mit namhaften Pianisten wie Abdullah Ibrahim oder Gerald Clayton spielen zu können. Manchmal resultiert daraus eine Einladung zu kostenlosem Unterricht, so durfte er Barrie Harris in Italien besuchen und bei ihm lernen.

Italien ist für Moses praktisch „um die Ecke“, ihn treibt es noch weiter, „so Richtung Amerika“. In New York City war er schon, in New Orleans würde er gern Jazz studieren. Patricia Vester beschwichtigt: „Wenn es da überhaupt so eine Schule gibt.“ Moses schwanke manchmal zwischen Höhenflug und Angst, sagt sie später am Telefon, „er sieht, wie die Leute bei Casting-Shows rausfliegen und merkt, dass Erfolg sehr schnelllebig sein kann“.

Aber wer Moses reden hört, spürt: Da ist jemand mit sich selbst im Reinen, weiß, wohin er will. „Ich glaube, ich habe eine erfüllte Kindheit“, sagt er von sich.

Damit auch andere an seinem Glück teilhaben können, gibt er hin und wieder Benefizkonzerte für ein Aidshilfe-Projekt in Belize, spielte erst im Dezember an der Orgel der Potsdamer Friedenskirche. Dennoch muss er auch an sich selbst denken, bessert sein Taschengeld auf, indem er regelmäßig in Potsdamer Cafés spielt, „überall wo ein Klavier steht“. Denn die Karriere im Musikgeschäft kostet Geld. Viel. Klassiker haben es diesbezüglich etwas leichter, findet Moses’ Mutter, für jene gibt es mehr Plattformen, Wettbewerbe und Sponsoren. „Moses hat ein E-Piano, aber der Anschlag ist dort anders als beim Klavier. Das alte Klavier müsste allerdings dringend ersetzt werden, am besten mit einem sogenannten Silent-System, weil er an manchen Tagen schon morgens früh um sechs loslegt, übt, improvisiert, komponiert.“, sagt Patricia Vester. Moses selbst wünscht sich einen Flügel, „der hat einfach einen Hammer-Sound, so angenehm zu spielen“, schwärmt er. Mama habe ihm einen zum Abitur versprochen, „aber ich hab das Gefühl, ich brauch’ ihn schon bald“, sagt er mit einer Mischung aus Sehnsucht und Nachdruck in der Stimme.

Dann springt er plötzlich auf und läuft raus auf die Straße, einen Freund zu begrüßen. Der ist Bassist und soll bei Moses’ Nikolaisaal–Projekt mitmachen. „Da geht es um die Geschichte des Jazz, wir sind aber noch in der Planungsphase“, sagt er, ganz der Macher. Vielleicht wird er dieses Jahr auch noch eine CD produzieren, auf jeden Fall aber möglichst viele Jazz-Festivals besuchen. „Man muss Prioritäten setzen“, sagt er, auf einmal seltsam ernst.

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