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Weiter Weg. Eritreer flüchten durch die Sahara und über das Mittelmeer.

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Landeshauptstadt: „Ich will mein Leben selbst bestimmen“ Flüchtlinge aus Eritrea erzählen von ihrer Flucht

Teltow – Es ist neu für sie, das Gefühl in Sicherheit zu leben, offen sprechen zu können. Für ihre Freiheit haben sie viel bezahlt.

Von Eva Schmid

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Teltow – Es ist neu für sie, das Gefühl in Sicherheit zu leben, offen sprechen zu können. Für ihre Freiheit haben sie viel bezahlt. Seit August dieses Jahres leben Amariel und Ibrahim aus Eritrea im Teltower Flüchtlingsheim. Die beiden wollen erzählen, von dem was in ihrem Land passiert und von ihrer Flucht. Aus Angst um ihre Familien zu Hause wollen sie ihren vollen Namen nicht nennen.

Es ist das Protokoll einer Reise, die täglich Tausende auf sich nehmen. Die Zahl der Asylsuchenden aus Eritrea steigt: Das ostafrikanische Land liegt jetzt hinter Syrien und Serbien auf Platz drei der Herkunftsländer. „Bei uns gibt es keine Meinungsfreiheit, man muss alles akzeptieren“, sagt der 30-jährige Ibrahim auf Englisch. Er hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und wurde festgenommen. Der Grund: Ibrahim hatte gegen die Regierung demonstriert.

Eritrea wird oft verglichen mit Nordkorea, die Herrschaft hat die ehemalige Befreiungsarmee des Präsidenten Isaias Afewerki. Bürgerrechte und Wahlen gibt es nicht. Das Land hatte 1993 erbittert seine Unabhängigkeit von Äthiopien erkämpft. Um weitere Angriffe des Nachbarlandes abzuwehren, müssen alle Männer zum Militär.

Der Dienst an der Waffe wird später in eine Art Zivildienst umgewandelt. „Du musst dort arbeiten, wo Personal gebraucht wird“, erzählt der 27-jährige Amariel auf Englisch. Er ist ausgebildeter Elektroingenieur, gearbeitet hat er bisher als Grundschullehrer. „Niemand sagt einem, wie lange man die Arbeit machen muss.“ Er hatte keine Ahnung, wie man Kinder unterrichtete. Wer für den Staat Zivildienst leistet, wird zudem schlecht bezahlt. Wer den Job wechseln möchte, der kommt zur Strafe ins Gefängnis. Wer über die Grenze flieht, gilt als Deserteur und kann erschossen werden.

Wie Ibrahim landete auch Amariel im Gefängnis. Beide berichten, dass sie monatelang in unterirdischen Verließen festgehalten, auch gefoltert wurden. Die Flucht gelang ihnen, weil Rebellen aus Äthiopien das Gefängnis gestürmt haben.

Über den Sudan flüchteten die beiden Richtung Europa. In einem offenen Geländewagen brachten Schlepper sie durch die Sahara nach Libyen – bis zu 40 Flüchtlinge drängten sich auf der Ladefläche. Anfangs forderten sie 1000 Dollar für die Überfahrt. Am Ziel in Libyen angekommen, wollten die Schlepper das Doppelte. Wer nicht zahlte, sollte erschossen werden, erzählt Ibrahim. Er wurde drei Monate in Libyen von seinen Peinigern festgehalten, bis seine Familie zahlte.

Auch die Schlepper, die die Überfahrt über das Mittelmeer organisierten, verlangten fast 2000 Dollar. „Nach vier Tagen auf See ohne Essen und Wasser hat uns ein chinesisches Frachtschiff aufgenommen“, erzählt Ibrahim. Zuerst sollten sie wieder zurück an die afrikanische Küste gebracht werden. „Als eine Frau auf dem Schiff starb, hatten sie Mitleid und brachten uns nach Italien.“ Von dort ging es weiter über Frankreich nach Deutschland. Angekommen sei Ibrahim in Dortmund, dann kam er ins Erstaufnahmelager nach Eisenhüttenstadt. Auch Amariel hatte eine ähnliche Reiseroute.

Ihr Traum: „Ich will endlich mein Leben selbst bestimmen können“, sagt Amariel. Sein Asylverfahren läuft noch, der Mann mit den aufgeweckten Augen will Deutsch lernen, um in Deutschland als Elektroingenieur arbeiten zu können. Den Beruf, den er bisher noch nie ausüben durfte. Ibrahim hingegen will sein Wirtschaftsstudium beenden. Sie fühlen sich sicher in Teltow, doch noch immer haben sie Angst, dass auffliegt, wo sie sich gerade befinden. „Wenn wir mit unseren Familien telefonieren, müssen wir vorsichtig sein – es gibt nur einen Mobilfunkanbieter in Eritrea und der wird abgehört.“ Eva Schmid

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