
© Dominik Butzmann/IGA Berlin
Internationale Gartenausstellung in Berlin: IGA-Chef: "Touristen könnten drei bis vier Euro für Sanssouci zahlen"
Christoph Schmidt, der Geschäftsführer der IGA Berlin und der Grün Berlin GmbH, spricht im PNN-Interview über die Internationale Gartenausstellung in Berlin-Marzahn, Parks und Gartenprojekte in seiner Wahlheimat Potsdam und die Diskussion über den Sanssouci-Parkeintritt.
Stand:
Herr Schmidt, wieso sollen die mit Gärten und Parks ohnehin reich gesegneten Potsdamer eigentlich zur Internationalen Gartenausstellung nach Berlin-Marzahn kommen?
In der Tat ist man als Potsdamer mit Gärten gesegnet – aber eben nur sehr historisch. Der große Schwerpunkt der IGA ist die Internationalität. Sie können bei uns auf 100 Hektar die derzeit interessantesten Garten- und Landschaftsarchitekten aus fünf Kontinenten erleben, eingebunden in den Bereich der bereits vorhandenen „Gärten der Welt“. Wir haben die Architekten gebeten, zu zeigen, wie sie ihre eigene kulturelle Identität definieren und zu interpretieren. Und da gibt es ganz überraschende Ergebnisse.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel mit dem Libanesen Vladimir Djurovic. Seine Familie stammt aus unterschiedlichen Teilen der Welt. Sein Garten lebt sehr stark von einer formalen Sprache, nimmt aber mit Steinoberflächen auch die Materialität und Farbigkeit des Libanon auf. Er verbindet die Themen mit einer sehr internationalen und modernistischen Handschrift. Oder der Beitrag von Zhu Yufan aus China: Er sagt, dass wir Europäer ein Bild vom chinesischen Garten haben, das viel zu kurz greift. Er will stattdessen zeigen, was das Land über 3000 Jahre geprägt hat. Überraschend ist auch der Beitrag aus Südafrika, der Themen wie Migration und Ausgrenzung aufgreift.
Der Garten als Ort des Politischen?
Ja, zumindest haben wir einen gesellschaftlichen Anspruch. Wir wollen auch einen Ort der Bildung und des Austauschs schaffen – mit dem IGA-Campus, bei dem auch Studenten aus aller Welt zusammenkommen. Das ist eine neue Form der Umweltbildung und ein Projekt, das wir gern in die Zukunft führen wollen, weil es beitragen kann zur sozialen Integration in einem Bezirk, der es nicht so einfach hat.
Was sind die Höhepunkte?
Wir haben die Tropenhalle, den Wolkenhain, einen Aussichtspunkt in 130 Metern Höhe, von dem aus man bis weit über den Teufelsberg hinein in die brandenburgische Kulturlandschaft blicken kann und der nächtlich illuminiert werden kann. Das ist ein spektakulärer Aussichtspunkt. Wir haben die 1,5 Kilometer lange Seilbahn mit der neuen U-Bahn-Anbindung. Wir haben die Promenade Aquatica als einen sehr atmosphärischen Ort an mit einem richtigen Wasserfall-, Quell- und Nebelgarten. Für Kinder und Jugendliche ist die Bobbahn eine Attraktion, gleiches trifft auf die Spielplätze zu, wie dem großen Wasserspielplatz. Dann gibt es die Arena von Böhm Architekten
den Architekten des Potsdamer Hans Otto Theaters.
Für die IGA haben sie ein ähnlich expressives Gebäude mit 5000 Sitzplätzen realisiert. Das alles unterscheidet uns von den historischen Gärten in Potsdam. Bei uns geht es unter anderem im Bereich Lebenskultur um Themen mit Jetztbezug, auch um die Fragen, wie wir sozial, ökologisch und ökonomisch überleben können.
Sie leiten die IGA-Vorbereitungen seit sieben Jahren. Was war die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war es, nach der Absage für das Flugfeld Tempelhof Überzeugungsarbeit zu leisten in politischen Gremien, um das Projekt nicht komplett zu verlieren. Wir mussten innerhalb kürzester Zeit ein neues Konzept entwickeln und ein neues Budget besorgen und sichern. Letztendlich blieben uns nur drei Jahre für die planerische und bauliche Umsetzung. Bei einem Gesamtumsatz von 130 Millionen Euro mit einer großen Anzahl an Gebäuden und technischen Infrastrukturen eine große Herausforderung. Aber wir sind im Kosten- und Zeitrahmen geblieben.
Sie leben seit 2008 in Potsdam. Haben Sie sich von der Bundesgartenschau 2001 einen Eindruck machen können?
Ja. Das war für die Stadt sehr prägend, ein Katalysator für die städtebauliche Entwicklung. Wenn man heute sieht, was daraus hervorgegangen ist – mit dem Bornstedter Feld ein neuer Stadtteil, in dem Tausende Menschen leben – ist das vorbildlich. Bei Gartenschauen geht es ja nicht um eine Blümchenschau, sondern um Motoren für Stadtentwicklung. Potsdam ist das beste Beispiel dafür, wie das gelingen kann.
Wo sehen Sie in Potsdam Potenziale, wenn es um Parks und Gärten geht?
Neben den historischen Parks spielt der Bugapark als moderner Volkspark eine große Rolle – dort kann man das tun, was in historischen Welterbeparks nicht erlaubt ist. Aber Potsdam wächst, damit wird auch der Bedarf nach solchen Erholungsflächen größer. Eine Frage wird sein, wie man mit dem Lustgarten umgeht. Das ist ein wichtiges Zukunftsprojekt für die Stadtmitte und ich hoffe sehr, dass die Ergebnisse aus dem Werkstattverfahren und der Bürgerbeteiligung umgesetzt werden.
Sie befürworten einen Abriss des Hotels Mercure?
Das Mercure zerstört den ganzen Stadtraum an dieser Stelle und vermeidet eine sinnvolle Entwicklung. Gleichwohl ist es Bestandteil der DDR-Architekturhistorie. In der Innenstadt wohnen Menschen und auch dort gibt es Bedarf an Freiraum – wenn man den dort schaffen könnte, wäre dieser Stadtteil, gerade zusammen mit dem Schloss und dem, was darum entstanden ist, ein unglaublicher neuer Zentrumsort. Da liegen Potenziale brach. Aber es ist gut, dass die Stadt das angehen möchte.
Momentan wird in Potsdam auch die Diskussion um einen Parkeintritt für Sanssouci wieder aktuell – nächstes Jahr läuft der Vertrag zwischen Stadt und Schlösserstiftung aus. Wie stehen Sie zur Eintrittsfrage?
Ich halte es für überhaupt nicht gerechtfertigt, dass Touristen keinen einzigen Euro Eintritt bezahlen. Ich bin mir sicher, niemand unter den Touristen würde sich beschweren, wenn er drei oder vier Euro Eintritt für Sanssouci bezahlen müsste.
Und die Anwohner?
Was die Anwohner und Potsdamer angeht, müsste man mindestens einen vergünstigten Eintritt gewähren, vielleicht sogar umsonst. In Berlin sind wir mit Eintrittsentgelten in den hochkarätigen Anlagen immer gut gefahren, das kann man mit guten Tarifstrukturen lösen, auch technisch gibt es die Möglichkeiten. Aber ich halte es für wichtig, dass man von den Touristen Geld verlangt – das ist auch zwingender, als dass man von den Gewerbetreibenden eine Touristenabgabe erhebt. Der Park erfordert ja viel Geld für den Unterhalt. Man stelle sich nur vor: 500 000 Touristen zahlen je 3 Euro Eintritt – das sind mal eben 1,5 Millionen Euro. Das bringt eine solche Anlage sehr viel weiter.
Für ein anderes Projekt wird Potsdam immer wieder gelobt und ausgezeichnet: Den Umbau des Plattenbauviertels Drewitz zur „Gartenstadt“. Gerechtfertigt?
Ich verfolge das Projekt mit großem Interesse – auch dort ist Potsdam vorbildlich. Wir haben die IGA nicht ohne Grund in einer der größten Plattenbausiedlungen Deutschlands angesiedelt – Marzahn. Es wird sich auch anderswo die Frage stellen, wie man die Lebensverhältnisse in solchen Vierteln optimieren kann. Die Gartenstadt Drewitz ist ein vorbildliches Projekt, das in diese Richtung geht. Dass man da nicht mit der Abrissbirne durchgeht, sondern mit dem Vorhandenen etwas Neues schafft, finde ich großartig. Das passiert selten genug.
Das Interview führte Jana Haase
Die IGA Berlin eröffnet am heutigen Donnerstag.
ZUR PERSON: Christoph Schmidt, Jahrgang 1968, gebürtiger Niedersachse, studierte Landschaftsplanung an der TU Berlin und Projektmanagement/Baumanagement an der Bauhaus Akademie Weimar. Von 2003 bis 2008 war er Projektmanager bei der HafenCity Hamburg GmbH, seit 2008 ist er Geschäftsführer der landeseigenen Grün Berlin GmbH, die unter anderem die Berliner Parks verwaltet. 2010 wurde er Geschäftsführer der IGA Berlin. Christoph Schmidt lebt mit seiner Familie in Potsdam.
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