Landeshauptstadt: „Im Einsatzfall müssen wir Soldaten von weiter her heranholen“
Oberst Axel G. Loewe, Kommandeur im Verteidigungsbezirk 84, über die Neuordnung der Bundeswehr
Stand:
In Potsdam wird am 1. Januar 2007 das neue Landeskommando der Bundeswehr in Dienst gestellt. Es tritt an die Stelle der bisherigen Verteidigungsbezirkskommandos 84 (Potsdam) und 85 (Frankfurt/Oder). Kommandeur des Landeskommandos wird der jetzige Chef des VBK 84, Oberst Axel G. Loewe.
Herr Oberst, warum werden Landeskommandos gebildet?
Die Bundeswehr reagiert damit auf die veränderte sicherheitspolitische Lage. Der Kalte Krieg ist lange vorbei, unsere östlichen Nachbarn Polen und Tschechien gehören heute wie Deutschland dem NATO-Bündnis an. Gegenüber dem Schutz der Landesgrenzen, der weiter gewährleistet wird, rückt die Bekämpfung des internationalen Terrorismus in den Vordergrund durch unsere Beteiligung an Auslandseinsätzen innerhalb der Staatengemeinschaft. Die im Jahr 2003 erlassenen verteidigungspolitischen Richtlinien bestimmen den Transformationsprozess, der die Bundeswehr auf diese neuen Bedingungen einstellt. Dazu gehört auch die Bildung der Landeskommandos.
Bedeutet die Indienststellung dieses Kommandos eine Aufwertung Potsdams als Bundeswehrstandort?
Ich denke schon, denn während die VBKs Partner der 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte waren, ist das Landeskommando nun auf der Ebene der Landesregierung mit den Behörden verbunden. Hauptaufgabe bleibt die zivil-militärische Zusammenarbeit. Dazu zählt der Einsatz der Bundeswehr bei Naturkatastrophen.
Territorial vergrößert sich Ihr Verantwortungsbereich auf das Doppelte, außerdem werden weitere Truppenteile aufgelöst. Wie will das Landeskommando da seine Aufgaben in der zivil-militärischen Zusammenarbeit meistern?
Indem in allen kreisfreien Städten und Landkreisen zehnköpfige Kreisverbindungskommandos (KVK) aufgebaut werden. Sie setzen sich ausschließlich aus Reservisten zusammen, die damit eine neue verantwortungsvolle Aufgabe erhalten. Als Leiter sind erfahrene Reserveoffiziere vorgesehen oder in den neuen Bundesländern, wo es daran noch mangelt, Berufsoffiziere nach Beendigung ihrer aktiven Dienstzeit. Die Mitarbeit ist freiwillig und hängt auch von der Akzeptanz der Arbeitgeber für die notwendigen Freistellungen ab. Um nicht schönzufärben: Die Auflösung beziehungsweise Verlegung der Truppenteile in Lehnitz und Brandenburg/Havel bedeutet, dass wir im Einsatzfall Soldaten von weiter her heranholen müssen. Für uns wäre deshalb sehr hilfreich, wenn die Landkreise in vorhersehbaren Fällen wie Hochwasser rechtzeitig Katastrophenalarm auslösen und uns damit längere Vorlaufzeiten von 48 bis 72 Stunden einräumen würden.
Wird auch für Potsdam ein solches Kreisverbindungskommando gebildet?
Ja, in allen kreisfreien Städten und Landkreisen.
Dann werden Sie also nur noch über dieses Kommando die Potsdamer Stadtverwaltung kontaktieren?
Selbstverständlich nicht, denn ich bin ja gleichzeitig Standortältester der Bundeswehr in Potsdam und werde die direkten Kontakte wie bisher fortsetzen. So wird die gemeinsam mit Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen durchgeführte Katastrophenschutzübung „Roter Adler“ im November in Potsdam stattfinden.
Das Verteidigungsbezirkommando ist auch für die Familienbetreuung der im Ausland eingesetzten Soldaten zuständig. Doch dieser Zweig Ihrer Arbeit ist nun nach Storkow verlagert worden ...
Bisher hat unser Kommando die Familienbetreuung mit gewährleistet, nun wurde entsprechend der wachsenden Bedeutung der Auslandseinsätze ein Betreuungszentrum mit vier hauptamtlichen Kräften geschaffen. Dass es nicht in Potsdam, sondern in Storkow angesiedelt wurde, ist eine geographische Standortentscheidung. Die durchschnittlich 100 Soldaten im friedenssichernden Auslandseinsatz auf dem Balkan , in Afghanistan oder im humanitären Einsatz, wie nach dem Erdbeben in Pakistan, kommen ja aus ganz Brandenburg.
Wie sehen Sie als Standortältester das Verhältnis zwischen Bundeswehrangehörigen und der Zivilbevölkerung in Potsdam?
Ich denke, dass sich das Verhältnis seit den 90er Jahren sehr positiv weiter entwickelt hat. Die Soldaten werden als selbstverständlicher Bestandteil der Stadtbevölkerung akzeptiert. Wir bemühen uns, diese Entwicklung zu fördern, so zum Beispiel durch unsere Konzerte zugunsten sozial benachteiligter Kinder. Natürlich weiß ich, es gibt auch Vorbehalte gegenüber die Bundeswehr. Deshalb bin ich Oberbürgermeister Jann Jakobs dankbar, dass er alljährlich Soldaten, Reservisten und Wehrdienstverweigerer zum Meinungsaustausch zusammenführt. So wächst das Verständnis füreinander.
Das Gespräch führte Erhart Hohenstein
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