Landeshauptstadt: Im Griff der Kälte
Der Winter sorgt für eingefrorene Rohre und streikende Autos. Der Montag war der kälteste 6. Februar in Potsdam seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Andernorts in Brandenburg war es noch kälter
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Der Winter hat Potsdam fest im Griff: Die Nacht zum Montag war die bisher kälteste des Winters. Minus 19,8 Grad wurden auf dem Telegrafenberg gemessen. Es war der kälteste 6. Februar seit Beginn der Messungen im Jahr 1893. Eine Herausforderung für Mensch und Natur. Mittlerweile häufen sich Schäden.
Einige Potsdamer mussten am gestrigen Montag auf fließendes Wasser verzichten – ihre Leitungen waren eingefroren und Hilfe schwer aufzutreiben. „Wir sind ununterbrochen im Einsatz“, sagte Sylvia Ehring. Sie und ihr Mann Andreas betreiben in der Jägerstraße eine Installateursfirma. Bei den anhaltenden Minusgraden seien vielen Potsdamern die Wasser- und Heizungsleitungen eingefroren. Drei- bis viermal so viele Aufträge wie üblich habe die Firma bekommen. „Wir schieben Extraschichten“, so Ehring.
Wegen der niedrigen Temperaturen standen auch beim ADAC die Telefone nicht still. Bis zum Nachmittag wurden die Pannenhelfer im Stadtgebiet bereits 65 Mal gerufen. Wer den Pannendienst rief, musste sich in Geduld üben: Die durchschnittliche Wartezeit lag am gestrigen Montag bei mehr als 100 Minuten. Üblich ist etwa eine halbe Stunde. Der Automobilklub rechnete mit mehr Einsätzen als vor einer Woche, als es erstmals zweistellige Minusgrade gab. Am 30. Januar verzeichnete der ADAC die bisherige Rekordzahl von 102 Einsätzen in diesem Winter in Potsdam. Bei über zwei Dritteln der Einsätze gehe es um Starthilfe, weil die Batterien nicht mehr genug Leistung haben, um den Motor zu starten. Autofahrern rät der ADAC deshalb, besonders bei Kurzstreckenfahrten so wenig zusätzliche Verbraucher – also Sitz- oder Heckscheibenheizungen – wie möglich einzuschalten. Zu den Pannen wegen schwacher Batterien kommen nun auch die ersten Probleme bei Dieselfahrzeugen. Der Treibstoff beginnt bei Temperaturen um minus 20 Grad zähflüssig zu werden.
Immerhin geht es den Potsdamern besser als vielen Berlinern, die am Montag über kalte Wohnungen klagten. Dort war im Kraftwerk Ruhleben ein Heizkessel ausgefallen. Das drohe in Potsdam nicht. „Wir haben noch Reserven“, so Stefan Klotz, Sprecher des Energieversorgers EWP. Werde zusätzliche Heizleistung gebraucht, stehe noch das Heizwerk in der Zeppelinstraße bereit. Mit den dortigen 38 Megawatt Leistung können Verbrauchsspitzen abgedeckt werden. Sorgen über eingeschränkte Gaslieferungen aus Russland müsse sich niemand machen. Die Gasspeicher des Lieferanten VNG seien gut gefüllt. Auch die S-Bahnverbindung nach Berlin ist bisher stabil. Eine Weichenstörung am Bahnhof Westkreuz behinderte nur die Ringbahn. Die S 7 nach Potsdam blieb verschont.
Weil es zwar sehr kalt, aber nicht glatt ist, blieb es in den Krankenhäusern weitgehend ruhig. Sowohl das Bergmann-Klinikum als auch das Krankenhaus St. Josefs verzeichneten keine kältebedingten Einlieferungen. Im Obdachlosenheim der Arbeiterwohlfahrt (Awo) mehren sich unterdessen die Anfragen, so Angela Basekow, Geschäftsführerin der Potsdamer Awo. Das Heim am Lerchensteig mit 95 Plätzen könne aber weitere Menschen aufnehmen. Obdachlose, die nicht ins Heim gehen möchten, werden von der Awo täglich besucht. Auch in der Suppenküche der Volkssolidarität auf dem Gelände der Stadtverwaltung war es in den letzten Tagen voller als üblich. Am heutigen Dienstag steht Würzfleisch mit Reis für 1,50 Euro auf der Speisekarte. „Obdachlose kommen selten hierher“, so Friedhelm Loter, der die Suppenküche leitet. Die Besucher seien vor allem Rentner und Arbeitslose, die sich sonst kein warmes Essen leisten könnten. „Außerdem kommt man so in Gesellschaft“, sagte eine 80-jährige Besucherin der Suppenküche. Fast jeden Tag treffe sie sich mit Bekannten in dem Container hinter dem Rathaus zum Kartenspielen.
Die Vogelwelt komme mit den Temperaturen zurecht, so Axel Kruschat vom Bund für Umwelt- und Naturschutz in Potsdam: „Gesunde Tiere folgen ihren Instinkten und bewegen sich.“ Deshalb müsse man sich auch keine Sorgen machen, dass die Tiere festfrieren. Wer helfen möchte, könne die Vögel aber füttern. Derweil wächst die Eisdecke auf den Seen und der Havel. Das Wasser- und Schifffahrtsamt geht von 15 bis 17 Zentimetern Eisdicke aus. Es gebe aber brüchige Stellen, besonderes bei Brücken und an Zuflüssen. Außerdem sei auf der Havel erst am Samstag ein Eisbrecher gefahren. Das winterliche Wetter wird Potsdam die ganze Woche erhalten bleiben. Es könnte aber auch kälter sein: Der Rekordwert vom 11. Februar 1929 liegt bei minus 26,8 Grad.
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