Landeshauptstadt: Im Höhenflug aufs „Mercure“
Auf dem Hotel leben seit Freitag zwei Bienenvölker. Den ersten eigenen Honig will Direktor Marco Wesolowski im August anbieten
Stand:
Jetzt braucht sie erst einmal eine Cola light, mit Eis. „Oben auf dem Dach ist es heiß“, sagt Katharina Wesolowski und fächelt sich Luft zu. Die Ehefrau des „Mercure“-Hoteldirektors Marco Wesolowski hat soeben einige Mitarbeiter geschult – in Bienenkunde. Seit Kurzem leben 20 000 Bienen auf dem Hoteldach in 55 Metern Höhe und schwärmen von hier in die umliegenden Gebiete aus, in den Lustgarten, die Freundschaftsinsel, die Kleingärten. Der Grund für diesen ungewöhnlichen Ort vis à vis des Landtagsschlosses: Die Hobbyimkerin will ausprobieren, wie ihre Bienen auf einen neuen Standort reagieren und wie sich der Honig dadurch verändert. Ihr Mann Marco Wesolowski – seit sechs Jahren arbeitet er im „Mercure“, seit 2013 als Direktor – beruft sich dagegen augenzwinkernd auf sein ökonomisches Interesse: Für das „Mercure“ seien die Bienen auf dem Dach „ein Alleinstellungsmerkmal“. Welcher Hotelier könne schon seinen Gästen am Frühstücksbuffet hoteleigenen Honig bieten? Oder den Stammgästen ein kleines Gläschen mitgeben?
Allerdings hat bei der Pflege der Bienen und der Honigproduktion seine Frau das Sagen. Ein Jahr lang hat die Steuerfachgehilfin einen Bienenexperten begleitet und ihm das Handwerk abgeschaut. Auch die Idee, mit den Bienen in die Stadt umzuziehen, stammte von ihr. Denn der Honig, den die fleißigen Insekten auf ihrem Grundstück im Barnim inmitten von Kiefernwäldern und Robinien gemacht haben, war ihr zu kräftig: „Den muss ich mir nicht jeden Sonntag aufs Brötchen schmieren.“ Der neue Honig, mit dem das Ehepaar in kleineren Mengen bereits im August rechnet, werde sicherlich nicht blütenrein. Dazu sei die Vielfalt an Blüten mitten in der Stadt zu groß. „Hier wachsen nicht nur Linden, Robinien und Wildkräuter, sondern in den Kleingärten auch die Obstbäume. Ich rechne mit einer Sommermischung.“
Doch zunächst steht der süße Brotaufstrich nicht im Vordergrund. Seit dem gestrigen Freitag erst befinden sich auf dem Hoteldach zwei sogenannte Holzbeuten: grüne Holzkisten, in denen die Rahmen mit den wächsernen Platten und Waben hängen, dicht besetzt von Bienen. Katharina Wesolowski hat ihr Bienenvolk geteilt, um zwei daraus zu machen. Dazu musste die Königin mit einer Gefolgschaft von 1500 Bienen und Drohnen in der zweiten Kiste untergebracht werden. Die nun führungslose größere Gruppe habe heute sehr unruhig darauf reagiert, erzählt die Hotelchefin: „Die Bienen brausen durch die Gegend und jammern nach ihrer Königin – bis deren Duft verfliegt.“ Später würden sie beginnen, die von der alten Königin bereits gelegten Eier mit Gelee Royal zu füttern und ein neues Oberhaupt heranzuziehen. Die erste Königin, die aus den Eiern schlüpft, hat gewonnen.
„Bienenhaltung ist nicht einfach“, kommentiert Ines Makus vom Imkerverein Groß-Potsdam mit mehr als 60 Mitgliedern das Experiment auf dem Hoteldach. Sie ist zwar überzeugt davon, dass die Bienen genug Nahrung in der Umgebung finden. Aber es gebe viel zu beachten: „Haben die Bienen genug Schatten? Sind sie vor Wind geschützt? Finden sie da oben auch Wasser?“ Die Expertin rät dazu, es auszuprobieren, aber im Auge zu behalten, wohin der Schwarm fliegt, ob die Bienen an der Virroa-Milbe erkranken und bei Wintereinbruch massenhaft sterben.
Dass ihre Bienen zumindest einen Teil des Tages vor Sonne und Wind geschützt sind, sieht Katharina Wesolowski durch ein Häuschen gewährleistet, das auf dem Dach steht. Neben den Bienenwohnungen liefert eine Schale das nötige Wasser und in einer Kiste befindet sich die Ausrüstung: der gelbe Hut mit dem Netzschutz, die Arbeitshandschuhe und der Smoker. Mit ihm führt die Hobbyimkerin die Bienen an der Nase herum: Wenn sie das qualmende Gefäß in die Nähe ihrer Behausung hält, ziehen sich die Tierchen angesichts eines scheinbaren Waldbrandes in ihren Stock zurück. „Sie schlagen sich den Bauch voll und verhalten sich ruhig“, sagt Wesolowski. Dann ist ihr Moment gekommen – und sie kann damit beginnen, die Riemchen voller Honig herauszuziehen.
„Es war eine Grundsatzentscheidung, ob man mit Tausenden von summenden Tieren zu tun haben will“, erzählt die junge Frau. Von einem Imker aus Berlin, wo die Familie lebt, habe sie das Bienenvolk bekommen. Und erlebe seitdem, wie sehr die Bienen ihre Freunde und Verwandten faszinieren: „Unsere Kinder schauen fasziniert zu, wie die Bienen ein und aus fliegen – und wie sie mit voll bestäubtem Höschen zurückkommen.“ Sie selbst sei bisher nur zweimal gestochen worden. Ihr Mann allerdings muss da besser aufpassen, hat er doch eine Insektenallergie. „Letztes Jahr habe ich den Fehler gemacht, mich über die Bienenbeute zu beugen, als meine Frau gerade zugange war.“ Tagelang habe er eine dicke Gesichtshälfte gehabt, kichert sie: „Unmöglich sah das aus.“
Dass das Ehepaar diesen Zeitpunkt für den Bienen-Umzug gewählt hat, ist kein Zufall. Kommenden Dienstag findet das dritte und letzte „Werkstattgespräch“ zur Zukunft des Lustgartens und des Hotels „Mercure“ statt. „Der neue Honig ist unser Beitrag für den Lustgarten“, sagt Hoteldirektor Marco Wesolowski. Bis zum kommenden Winter sollen vier Bienenvölker auf dem Dach ein und aus fliegen. Wenn sie im nächsten Jahr eine größere Menge Honig produzieren, wäre auch an eine regionale Vermarktung zu denken. Dann hofft das Direktorenpaar darauf, dass die Gäste – oder die Potsdamer – einen guten Namen dafür finden.
Isabel Fannrich-Lautenschläger
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: