STIMMEN ZUM TITELGEWINN: Im Meister-Himmel
Turbine Potsdam gewann gestern im Herzschlag-Finale der Frauen-Bundesliga durch ein 3:0 gegen Wolfsburg überraschend den Titel
Stand:
Tabea Kemme (17), Torschützin und jüngste Potsdamer Spielerin auf dem Feld: „Unser Trainer hat uns nach dem 0:7 im Pokalfinale, dessen Aufzeichnung ich mir noch nicht angeguckt habe, für heute wieder aufgebaut. Wir wollten drei Punkte für die Champions League – und nun sind wir Meister!“
Matthias Platzeck, Ministerpräsident und erklärter Turbine-Fan: „Das war die irrste Saison, und die fünf Minuten Warten nach dem Schlusspfiff waren für mich die schlimmsten Fußball- Minuten der letzten Jahre. Turbines junge Mannschaft hat sich diesen Erfolg so sehr verdient.“
Aferdita Podvorica (30), Turbines älteste Spielerin: „Unglaublich! Das ist Fußball, deshalb liebe ich diese Sportart.“
Jann Jakobs, Potsdams Oberbürgermeister: „Diese Extreme bringt der Fußball: Vor einer Woche haben wir alle Trübsal geblasen, und heute ist die Stimmung grandios. Die Stadt wird sich etwas einfallen lassen, wie sie Turbine ehrt. Im Goldenen Buch stehen die meisten Spielerinnen schon – wir müssen für Turbine wohl ein besonderes Buch auslegen.“ M. M.
Von der Hölle in den Himmel. Eine Woche nach dem 0:7-Debakel im DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion wurde Turbine Potsdam am gestrigen Sonntag Deutscher Frauenfußball-Meister. Dem Bundesliga-Spitzenreiter reichte in einem überaus spannenden Saisonfinale ein 3:0 (1:0)-Sieg über den VfL Wolfsburg zum Titelgewinn, da der punktgleiche Verfolger FC Bayern München beim Tabellenletzten Crailsheim ebenfalls nicht mehr als dreimal traf.
„Mir fehlen die Worte. In der letzten Nacht habe ich davon geträumt, die Schale in der Hand zu halten – und dass wir sie nun wirklich haben, ist der Hammer“, strahlte Mannschaftskapitän Jennifer Zietz. Die neu geschaffene Schale für den Deutschen Frauenfußball-Meister hat einen Durchmesser von 50 Zentimetern, wiegt über 7 Kilo, besteht aus 925er Sterlingsilber – und wird nun für ein Jahr in Potsdam stehen. Die Namen aller Deutschen Frauenfußball-Meister seit 1974 sind in der Schale eingraviert – Turbines bereits für die Jahre 2004 und 2006.
Daran dachte beim Anpfiff gestern im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion aber noch niemand, zumal die Potsdamerinnen vor 2516 Zuschauern zunächst nur schwer ins Spiel fanden – die Hypothek der 0:7-Niederlage eine Woche zuvor lastete da noch auf ihren Schultern. Doch Turbine spielte sich mehr und mehr frei, und Sekunden vorm Pausenpfiff ließ sich Potsdams Kapitän Jennifer Zietz die Chance vom Elfmeterpunkt nicht nehmen. Rebecca Smith hatte im Strafraum Turbine-Stürmerin Anja Mittag zu Boden gerissen, und Zietz traf flach halblinks zum 1:0. Nach der Pause drückte Potsdam weiter gegen immer kraftloser wirkende Gäste. Tabea Kemme per Kopf und Anja Mittag mit sattem 18-Meter-Schuss sorgten für den Endstand. Und Torfrau Desiree Schumann rettete schließlich mit toller Parade gegen Pia Marxkord die Drei-Tore-Führung (83.). Nach dem Abpfiff musste der Spitzenreiter noch fünf Minuten auf dem Spielfeld warten, ehe die erlösende Kunde aus Crailsheim eintraf. Dann spritzte der Sekt, und Jennifer Zietz stemmte die Meisterschale jubelnd in den bewölkten Potsdamer Himmel.
Anja Mittag, gestern auffälligste Potsdamerin auf dem Rasen, fand nur schwer Worte. „Das sind heute Emotionen, die ich lange nicht erlebt habe“, gestand sie schließlich. „Diesen Erfolg hatte unserer noch sehr jungen Mannschaft niemand zugetraut – und das ist das Besondere an diesem Titel.“ Als sie während des Spiels auf der Mannschaftsbank nach dem Zwischenresultat in Crailsheim fragte, „hat man mir ein höheres Ergebnis genannt; wohl, um uns weiter zu motivieren.“ Sie habe lange nicht so gezittert wie in den fünf Minuten nach dem Abpfiff. „Dafür werden wir jetzt aber einen draufmachen“, kündigte die 24-Jährige an.
Meistermacher Bernd Schröder wurde noch eine Stunde nach dem Abpfiff von den Fans im Stadion beklatscht und lobte seine Frauen: „Heute haben alle Charakter bewiesen und gebracht, wozu sie derzeit in der Lage sind. Mit unserem Glück und Gottes Hilfe ist uns das fast Unmögliche noch gelungen.“ Er werde den Titelgewinn wohl erst glauben, wenn er davon am Montag in der Presse lese, so der Coach.
Hätte Bayern seine Mannschaft auf der Zielgeraden noch abgefangen, hätte Potsdam als Tabellenzweier trotzdem in der neuen Women’s Champions League gespielt – in der Qualifikationsrunde ab 30. Juli. Als Meister aber greift Turbine erst in der Runde der letzten 32 Mannschaften ab 30. September ins internationale Geschehen ein. „Das verschafft uns Luft in der Saison-Vorbereitung“, erklärte Schröder und richtete seinen Blick im Moment des Triumphes schon voraus: „Mit unseren Neuzugängen Fatmire Bajramaj, Corina Schröder, Nadine Keßler und Josephine Henning verspreche ich, dass wir eine gute internationale Saison spielen werden.“
Turbine Potsdam: Schumann; Schmidt, Draws, Peter; M. Kerschowski (55. Sainio), Zietz, Bagehorn (65. Odebrecht), I. Kerschowski; Wich (72. Kaurin), Kemme, Mittag.
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