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Landeshauptstadt: Im Namen des Volkes

Im Streit um Mauergrundstücke bezeichnet ein Anwalt die Rechtssprechung als „juristische Eierei“

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Groß Glienicke - Die Eigentümer des ehemaligen Terassencafés in Groß Glienicke bleiben enteignet. 1952 in die britisch besetzte Zone Berlins geflohen, gehören ihre Grundstücke in der Seepromenade und dem Rehsprung zu jenen Objekten, die nach der Wende viele gerne hätten: Die es während der DDR-Zeit gepflegt und gekauft haben einerseits, die Erben von Paul und Charlotte Michler andererseits. Gestern entschied das Verwaltungsgericht in drei Fällen für die jetzigen Besitzer, in einem vierten Fall bekommt Wolfgang Bathe das Grundstück seiner Großeltern zurück. Doch die gestern offenbarten Umstände, unter denen die jetzigen Eigentümer das Haus damals bekommen haben, lassen den Rechtsanwalt Karl Alich nur den Kopf schütteln.

Der geborene Potsdamer Alich flüchtete einst selbst aus der DDR und saß zwischenzeitlich in der Lindenstraße 54 ein – gestern nun stand er im Gerichtssaal den Anwälten Peter-Michael Diestel und Gerhard Steiniger gegenüber. Diestel war letzter DDR-Innenminister, Steiniger war früher Oberstleutnant und schrieb 1985 eine Arbeit über die „wirksame Betreuung von inhaftierten bzw. strafgefangenen IM durch die Ständige Vertretung der DDR in der BRD“. Es wurde ein Kampf Alichs gegen ein seit 17 Jahren nicht mehr existierendes System und dessen Auswirkung in der heutigen Zeit.

Er wollte das Potsdamer Verwaltungsgericht nur als Zwischensprosse auf dem Weg zum Bundesverwaltungsgericht nutzen, dessen Präzedenzurteil von 1994 zu so genannten Mauergrundstücken als „juristische Eierei“ bezeichnet. Jedoch nicht ohne seine Äußerungen zu begründen: Der Fall, der seit dem als Grundlage für mehrere hundert andere Fälle gilt, sei ein Grundstück in Berlin-Pankow, das enteignet worden ist aber nie im Grenzgebiet gelegen habe, wirft Alich den Richtern vor. Wie also könne ein Grundstück, das für einen NVA-Oberstleutnant als Haus diente, als Grundsatzurteil für Mauergrundstücke dienen, so Alich. Er könne nicht verstehen, warum sich keiner traut, dieses seiner Ansicht nach offensichtliche Fehlurteil zu revidieren. Mit Verweis auf dieses Urteil wurde gestern erneut die Klage auf Rückübetragung eines Mauergrundstückes in Groß Glienicke abgeschmettert. Selbst die Revision – der Weg in die nächst höhere Instanz – bleibt Alich nach dem Richterspruch von Ralf Leithoff versagt.

Dabei ging es um die Enteignung eines 312 Quadratmeter großen Flurstücks nahe der heutigen Badestelle Groß Glienicke am 13. August 1965 auf Grundlage des Verteidigungsgesetzes. Das Grundstück, heute Naturschutzgebiet, hat mit 3420 Mark eher symbolischen Wert.

Um wesentlich mehr ging es bei den anderen Grundstücken, die Wolfgang Bathe als Erbe der Michlers gerne wieder gehabt hätte. 17 Jahre nach dem Mauerfall traten in der Verhandlung dabei gestern erstaunliche Dinge zutage, wie in der Grenzkommune Groß Glienicke Grundstücke enteignet und neu vergeben worden sind: Ein Grundstück gehörte 1984 beispielsweise immer noch Paul Michler, der 32 Jahre zuvor die DDR verließ. Es war zu dieser Zeit unbebaut. Doch eine Frau, deren Familie in der Nachbarschaft schon andere enteignete und verwaltete Grundstücke bekommen haben soll, und ihr Mann wollten ein Haus darauf bauen. Geld dafür erhielten sie durch einen Kredit, auf dessen Antrag stand: Das Grundstück sei in Volkseigentum. Unterzeichnet wurde dies vom damaligen Bürgermeister Huppel.

20 000 Mark hat die Familie dadurch zinslos erhalten. Enteignet worden ist das Grundstück aber erst im November 1989 – wie eine ganze Reihe anderer Grundstücke auf einer Sammelliste auch. Richter Leithoff erklärte gar, es sei davon auszugehen, dass alle wussten, dies ist falsch. Unrecht sah er darin nicht: Es sei durchaus üblich gewesen, dass erst gebaut und dann enteignet wurde, so der Vorsitzende Richter. Alich hatte dafür nur ein Kopfschütteln übrig. Im Dezember steht er mit einem anderen Groß Glienicker Mauergrundstück dennoch vor den höchsten Richtern des Landes. Jan Brunzlow

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