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Sport: Im Orkan grandios gescheitert

Die Füchse verzweifeln in Kiel an ihrer Defensive

Stand:

Kiel - Der Abend hatte ganz Kiel verzaubert. „40 Tore für die gute Kieler Handball-Laune“, hieß es am Mittwoch auf der Titelseite der Kieler Nachrichten. Erst darunter beschäftigte sich das Blatt mit irdischen Dingen wie einer neuen Job-Offensive in Schleswig-Holstein oder der Krise in Italien. „Das hat richtig, richtig Spaß gemacht“, hatte Marcus Ahlm kundgetan, Kapitän des Rekordmeisters THW Kiel. „Wir haben richtig Gas gegeben, und vieles hat heute sehr gut geklappt“, befand Trainer Alfred Gislason nach dem 40:33-Sieg gegen die Füchse Berlin.

Eine neuerliche Demonstration modernen Angriffshandballs durch den THW, vor über 10 000 jauchzenden Fans – das war aber nur die eine Seite. Die andere Seite war, dass die Abwehr der Füchse, die seit Jahren einen hervorragenden Ruf genießt, förmlich kollabiert war. „Wir waren vor allem im Angriff stark“ – so formulierte es Co-Trainer Alexander Haase; der Potsdamer hatte seinen grippeerkrankten Chef Dagur Sigurdsson vertreten. Wenn nicht Petr Stochl, der in der zweiten Halbzeit den enttäuschenden Silvio Heinevetter im Tor abgelöst hatte, nicht einige Glanzparaden gezeigt hätte – es hätten leicht auch 45 Gegentore werden können. Oder noch mehr.

„Ich kann mich kaum daran erinnern, wer gegen den THW Kiel einmal 33 Tore erzielt hat“, sagte hinterher Bob Hanning, Manager der Füchse. In dieser Bundesliga-Saison noch niemand. Aber 40 Gegentore hatte auch noch kein Gegner kassiert. „Wir sind einfach zum Schluss überlaufen worden“, sagte später Johannes Sellin, der formstarke und freche Rechtsaußen der Füchse, der mit sieben Toren bester Schütze war und den Spielverlauf komprimiert so darstellte: „Der THW läuft seine Konter, haut sich volle Kanne rein und ist dann auf fünf, sechs Tore weg.“

Schon in der ersten Halbzeit hatten sich viele Beobachter gewundert. Jeder hatte langgezogene Angriffe der Berliner erwartet. Weil jeder weiß, dass verschleppte Angriffszüge die Kieler Individualisten irgendwann wahnsinnig machen – auf diese Weise hatten sie zuletzt das Heimspiel gegen Melsungen verloren. Offensichtlich hatten die Füchse tatsächlich geglaubt, das horrende Tempospiel des THW mitgehen zu können.

Dass die Berliner Abwehr sich in Kiel so schwertat, hat allerdings keine allzu große Aussagekraft für den weiteren Saisonverlauf. Schließlich verfügt Kiel im Rückraum über die größte Wucht im europäischen Klubhandball. Dennoch erscheint die direkte Champions-League-Qualifikation (also Platz drei) bei schon zwölf Minuspunkten kaum noch möglich – zu souverän spulte der Tabellendritte Flensburg-Handewitt (32:8 Punkte) sein Programm ab. Und weil sich zudem der HSV Handball (28:12) stabilisiert hat, ist auch der vierte Platz, der zum Wildcard-Turnier berechtigen kann, ernsthaft gefährdet. Erik Eggers

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