Landeshauptstadt: Im Stasi-Ranking vorne
Vortrag des Zeithistorikers und Stasi-Experten Helmut Müller-Enbergs
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Was die Spitzelwilligkeit betrifft, gehörte Potsdam zum Besten, was die DDR zu bieten hatte: Die Bezirksverwaltungen der DDR Geheimpolizei, der Staatssicherheit, in Cottbus, Frankfurt und Potsdam rangierten stets auf vorderen Plätzen im Stasi-Ranking. In keinem anderen Bundesland gab es mehr IM als in Brandenburg. In den Bezirken Cottbus, Frankfurt und Potsdam gab es in 1980er Jahren zwischen 27 000 und 29 000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit. Spitzenreiter Cottbus hatte sogar einen IM auf 84 Einwohner – Kinder und Alte nicht eingerechnet. Eine große Gruppe also, deren Angehörige sich untereinander vor dem Herbst 1989 nicht kannten - und danach nicht selten in Amtsstuben und Parlamente drängten.
Solche und andere Fakten zur Staatssicherheit im Land und in Potsdam hat der Historiker Helmut Müller-Enbergs recherchiert. Am heutigen Donnerstagabend wird Müller-Enbergs in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 dazu auf Initiative des Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) einen öffentlichen Vortrag halten. Der Politikwissenschaftler ist Experte auf dem Gebiet: Er arbeitet seit fast 20 Jahren in der Stasi-Unterlagenbehörde und forscht zu inoffiziellen Mitarbeitern und DDR-Spionage, hat etwa vierzig Bücher zum Thema veröffentlicht, darunter ein dreibändiges Standardwerk zu den IM. Als Professor an der Süddänischen Universität in Odense betreut er Promotionen zu den IM, aber auch zur Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes. Er gilt als der profilierteste Kenner der Materie – vor allem auch in den USA und Nordeuropa. Mit seinem Aufsatz „Das Schweigekartell“ hat er im Land Brandenburg eine Debatte mit ausgelöst, die auch zur Einrichtung der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geführt hat, wie auch zur Überprüfung der märkischen Abgeordneten auf IM-Tätigkeit. Müller-Enbergs ist selbst Mitglied der Überprüfungskommission, die kürzlich ihren Bericht vorgelegt hat. Er ist das erste Mitglied des Gremiums, das öffentlich auftritt. Daher wird erwartet, dass er sich auch dezidiert zum Umgang mit dieser Thematik im Landtag äußern wird.
Mit Brandenburg ist Enbergs seit 1990 vertraut. Er war Pressesprecher der Fraktion Bündnis 90 im Landtag und Mitglied des Landesvorstandes der Partei. Zudem gehörte er bis 1992 dem Untersuchungsausschuß Manfred Stolpe an. pet/axf
„Die inoffiziellen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit in Potsdam und andernorts“, heute 19 Uhr, Lindenstraße 54
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