Am 19. September wählt Potsdam einen neuen Oberbürgermeister. Sieben Männer und Frauen bewerben sich um das Amt. Was macht sie und ihre Politik aus? Was wollen sie in der Landeshauptstadt bewegen? Heute: BARBARA RICHSTEIN, CDU (Folge 5) Mit: im Wahlkampf
Felix und Gypsy erobern neues Terrain. Die beiden Jack-Russell-Terrier erkunden den Nuthe-Park hinter dem Hauptbahnhof.
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Felix und Gypsy erobern neues Terrain. Die beiden Jack-Russell-Terrier erkunden den Nuthe-Park hinter dem Hauptbahnhof. Und ahmen damit ihre Besitzerin nach. Auch Barbara Richstein erobert Neuland: „Ich lerne Potsdam in den letzten Wochen immer besser kennen.“
Barbara Richstein ist die „Neue“ im Potsdamer Oberbürgermeister-Wahlkampf. Es war mehr als eine kleine Überraschung, als im April bekannt wurde, dass die 44-Jährige aus Falkensee für ihre Partei, die CDU, als Kandidatin aufgestellt wird. In der Tat ist Barbara Richstein die einzige der sieben Oberbürgermeisterkandidaten, deren Heimatadresse nicht Potsdam ist. Und die keinen Stallgeruch eines Potsdamer Parteiverbands besitzt. Das Erstaunen war groß, über Parteigrenzen hinweg: Richstein als Ex-Landesministerin und zweimal direkt gewählte Landtagsabgeordnete stellt sich einem Oberbürgermeister-Wahlkampf in einer ihr im Grunde fremden Stadt. Warum tut sich die 44-Jährige diese Knochentour an? „Ach, antun hört sich an, als ob es eine Strafe wäre. Nein, es ist eine große Herausforderung.“
Als Rückschritt in ihrer politischen Laufbahn will es die gebürtige Sindelfingerin nicht sehen. „Natürlich habe ich überlegt, ob ich das Angebot der Potsdamer CDU annehme“, gesteht sie. Die erste Anfrage als OB-Kandidatin anzutreten, hatte Richstein abgelehnt. „Ich habe schon gezögert, weil ich direkt gewählt bin und meine Wähler in Falkensee zu recht davon ausgehen, dass ich über die gesamte Zeit meinen Auftrag ausübe.“ Auch der Zustand der in Lager gespaltenen und nicht immer einfachen Potsdamer CDU hat sie, die erfahrene Landespolitikerin, nicht sofort für die Potsdamer Aufgabe eingenommen. „Ich habe mich schon gefragt, wie es werden wird, mit diesem Kreisverband Wahlkampf zu machen.“ Allerdings: „Auch die Landes-CDU war ja nicht immer einfach“, sagt sie grinsend.
Richstein, in Sindelfingen geboren, kokettiert gern mit ihrer schwäbischen Herkunft, gibt sie zu. Doch sei Brandenburg „Heimat geworden, hier habe ich bislang am längsten gelebt.“ Ihre Kindheit war geprägt von Umzügen. „Alle zwei Jahre hieß es Koffer packen.“ Richsteins Vater, ein Bundeswehroffizier, nahm seine Familie von Einsatzort zu Einsatzort mit. Bis nach Israel. In Tel Aviv legte Barbara Richstein ihr Abitur ab. „Umziehen hat mich flexibel werden lassen, weil man sich überall zurechtfinden muss“, sagt die studierte Anwältin. Und es schafft neue Blicke: „Gerade, was die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte angeht, waren die Auslandserfahrungen, die ich als Kind und Jugendliche gesammelt habe, sehr wichtig. Ich kann deshalb heute wohl auch manche Diskussion etwas gelassener sehen, als andere.“
Barbara Richstein strahlt diese Gelassenheit auch im Wahlkampf aus, den sie als eine der ersten OB-Kandidaten bereits Mitte Juni begann. Wahlkampf sei für sie Spaß, hört man die stets auffallend gut angezogene Berufspolitikerin mehr als einmal sagen. Man nimmt es ihr sogar ab, die Intensität, mit der Richstein in den Kampf um die Stimmen startete, war stellenweise beängstigend hoch. Nahezu täglich war sie unterwegs in Potsdam. Die passionierte Marathonläuferin startete beim Staffellauf in der Potsdamer Innenstadt, beim Benefizlauf für die Stiftung Altenhilfe. Die Verbissenheit, mit der manch Oberbürgermeisterkandidat in Diskussionen und an Wahlkampfständen agiert, geht ihr ab. Sie gesteht: „Früher habe ich selbst um jeden Parteistand einen riesigen Bogen gemacht. Ich kann die Leute also verstehen, und belatschere sie nicht pausenlos.“
Lieber hört sie erst einmal zu – und das ist auch wichtig. Denn sie hat aufzuholen, was ihr alle sechs anderen Kandidaten voraus haben: Einen Bekanntheitsgrad in der Stadt und Kenntnisse über die herrschenden Probleme. „Natürlich kannte ich Potsdam schon aus meiner Landtagsarbeit“, versucht sie dem Vorurteil der „Fremden“ zu begegnen. Einblicke in städtische Problemfelder versucht sie in sogenannten Hearings zu erhalten. Eine Politikerin, die erstmal zuhört und nicht gleich Meinungen postuliert – so will Richstein gesehen werden. Das sorgt bei mancher Wahlkampfveranstaltung für Verwunderung bei den Gästen. Die Potsdamer Kabarettistin Barbara Kuster erhoffte sich Antworten von der CDU-Kandidatin zur künftigen Potsdamer Mitte, doch Richstein wollte erst einmal Eindrücke sammeln.
Mittlerweile hat sie Positionen formuliert in ihrem Wahlprogramm. Die Wiederherstellung der historischen Mitte, insbesondere der Garnisonkirche, ist ebenso enthalten wie die Unterstützung eines investorenfreundlichen Klimas für Wohnungsbau und Industrieansiedlungen. Klassische CDU-Themen. Selbst die Ankündigung eines ganzheitlichen und umweltfreundlichen Verkehrskonzepts passt in die heutige grün angehauchte Christdemokratenwelt. Allerdings geht Richstein weiter: eine energetische Gebäudesanierung hat sie sich ebenso ins Programm geschrieben wie das Ziel, Potsdam als Modellregion für Elektromobilität vorzuschlagen. Selbst die Berücksichtigung „verschiedener neuer Formen der Familie“ wird erwähnt. Nach konservativer Weltsicht klingt das nicht. Richstein kontert: „Ich mag diese Klischees nicht. Als ich nach Brandenburg kam, wollten mich alle in die linke Schublade der CDU stecken. Ich bin keine Schublade.“ Immerhin, bei den Werten besteht die Katholikin auf das Christentum: „Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität – ja, da stutzen viele, aber das ist der Ausdruck christlicher Menschenliebe. Danach richte ich mich aus“, erklärt sie.
Wobei auch die Tierliebe nicht zu kurz kommt. Felix und Gipsy, die zwei äußerst agilen Jack-Russell-Terrier sind für die ledige Richstein ihre Familie vor Ort. Nicht erst seit der Landtagswahl im vergangenen Jahr, als die 44-Jährige statt ihres Konterfeis Hund Felix auf die Plakate drucken ließ, wird Richstein als Hundenärrin gesehen. „Oft genug werde ich als Allererstes gefragt, wo denn meine Hunde seien“, lacht sie. Auch den Potsdamer OB-Wahlkampf erleben die Vierbeiner hautnah mit – zehn Beine sind dann auf Wahlkampftour. Bei offiziellen Terminen, wie dem Besuch beim russischen Priester Anatoli Koljada bleiben die zwei kleinen Hunde in Richsteins silbernem Cabrio, freie Minuten werden zum Gassi gehen und Austoben genutzt. Echte Potsdamer sind weder Richstein noch ihre beiden Terrier. Das kleine Ein-Zimmer-Apartment, das Richstein kurz nach ihrer Nominierung zur OB-Kandidatin im Zentrum-Ost anmietete, ist nicht hundetauglich, Richstein pendelt zwischen Falkensee und ihrer Wahlkampfstadt. Also nur eine Alibi- Wohnung? „Ich bin genügsam“, sagt Richstein grinsend. Oder doch nur realistisch, dass bei der Wahl im besten Fall lediglich ein Achtungserfolg möglich ist? „Ich will in die Stichwahl, und das halte ich auch für realistisch“, meint Barbara Richstein kämpferisch.
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