Von Adriane Liermann: Im Zentrum der Milchstraße
Wie ein Schwarzes Loch die Sterne in einen wirbelnden Tanz zwingt
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Im gegenwärtigen Jahr der Astronomie berichten Potsdamer Astrophysiker regelmäßig in den PNN von ihren liebsten Himmelskörpern.
Vom Potsdamer Pfingstberg aus hat man einen schönen Blick auf die Stadt. Bei guten Sichtbedingungen kann man sogar das Zentrum Berlins mit dem Fernsehturm am Alexanderplatz erkennen. Das Zentrum der Milchstraße allerdings kann man von hier aus nicht sehen. Zum einen liegt das daran, dass man in der Nähe großer Städte gegen die sogenannte Lichtverschmutzung ankämpfen muss. Ein Phänomen, das wegen der vielen Straßen- und Häuserbeleuchtungen entsteht und es fast unmöglich macht, den Sternenhimmel zu sehen. Der andere Grund aber, und in diesem Fall der Entscheidende, ist, dass man das Zentrum der Milchstraße vom europäischen Nordhimmel aus gar nicht sehen kann.
Das milchig weiße Band der Milchstraße, welches uns am Himmel erscheint, zeigt die Randgebiete unserer diskusförmigen Heimatgalaxie. Um das Zentrum der Milchstraße beobachten zu können, muss man sich auf die Südhalbkugel der Erde begeben. Aber auch dort hat man keinen ungehinderten Blick, da sich im Weltall zwischen uns und dem Zentrum Staubwolken befinden. Sie erscheinen dem Beobachter als dunkle, nebelartige Gebilde vor den strahlenden Sternansammlungen in der Milchstraße.
Um dieses Hindernis zu umgehen, kann man einen Trick anwenden und mit Infrarotaugen beobachten. In den 1990er Jahren wurden die ersten Infrarot-Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße vorgenommen und es häuften sich die Neuentdeckungen. So sind zum Beispiel drei offene Sternhaufen in unmittelbarer Nähe zum galaktischen Zentrum entdeckt worden, die vorher unbekannt waren. Einer dieser Sternhaufen, der Quintuplet-Haufen, wird zurzeit von den Astronomen der Universität Potsdam untersucht.
Die Sterne im Quintuplet-Haufen führen ein ruhiges Leben im Vergleich zu denen im Zentralhaufen, direkt im galaktischen Zentrum, die ihre Bahnen um einen unscheinbaren Punkt ziehen. Die beobachteten Orbits der Sterne im Zentralhaufen sind Ellipsen, die mit den Keplerschen Gesetzen beschrieben werden können. Im Ursprung der Ellipsenbahn eines Himmelsobjekts sitzt ein schwerer Körper, wie zum Beispiel die Sonne, die sich im Ursprung der Erdbahnellipse befindet. An der berechneten Stelle im Zentrum der Milchstraße aber sieht man nichts.
Aus Beobachtungen im Radiobereich ist dort allerdings eine starke Radioquelle, Sagittarius A*, bekannt. Bei einem Vergleich stellt man fest, dass die Position der Radioquelle mit jenem Punkt übereinstimmt, um den die Sterne des Zentralhaufens zu tanzen scheinen. Dieser Punkt im Zentrum der Milchstraße ist ein Schwarzes Loch, das etwa drei Millionen mal so viel Masse wie unsere Sonne hat und die Sterne durch seine Schwerkraft in diesen wirbelnden Tanz zwingt.
Für einige Sterne konnten die Umlaufbahnen genauer bestimmt werden. Der Stern S2 beispielsweise läuft auf einer Ellipse um das Schwarze Loch, deren minimaler Abstand zum Schwarzen Loch nur dreimal so groß wie unser Sonnensystem ist. Dafür braucht dieser Stern eine Umlaufzeit von nur etwas mehr als 15 Jahren. Vergleichsweise läuft der Jupiter in einer Entfernung von ca. 780 Millionen Kilometern in 12 Jahren um die Sonne. Ein beeindruckendes Beispiel für die im Zentrum der Milchstraße wirkenden Kräfte.
Heute nimmt man übrigens an, dass jede Galaxie im Universum ein Schwarzes Loch in ihrem Zentrum trägt. Für die Milchstraße gilt, dass mit der Zeit Ermüdungserscheinungen auftreten und die Bahnen der Sterne im Zentralhaufen immer kleiner, immer enger um das Schwarze Loch werden. Bevor die Sterne dann in das Schwarze Loch fallen, werden sie von Gezeitenkräften zermahlen und unter einem letzten Aufleuchten ihrer zerschredderten Materie sterben. Bis dahin dauert es aber noch etwas und das Licht braucht etwa 26 000 Jahre von dort bis zu uns. Dieses helle Aufblitzen wird wiederum von Potsdam aus nicht zu sehen sein. Genug Zeit, eine Reise in den Süden zu planen?
Die Autorin arbeitet am Institut für Physik und Astronomie der Uni Potsdam.
Adriane Liermann
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