
© A. Klaer
Abi 2015: Immer in Bewegung
Zehntausende Schüler haben in den letzten Wochen in Brandenburg ihr Abitur geschrieben. Einer von ihnen ist Kirill Dmitri Borschevski, der erst im Alter von acht Jahren aus Weißrussland nach Potsdam kam. Er hat sein Abitur mit 1,2 abgeschlossen.
Stand:
Potsdam - Engagement im Flüchtlingsheim, Diskussionen mit Gleichaltrigen und jede Menge Sport: Stillstand ist keine Option für Kirill Dmitri Borschevski, der gerade erst sein Abitur am Potsdamer Humboldt-Gymnasium mit der Supernote 1,2 absolviert hat und nun eigentlich erst mal die Füße hochlegen könnte. „Klar genieße ich gerade auch die Zeit mit Freunden und entspanne“, sagt der 18-Jährige, der in Weißrussland geboren wurde. „Aber solange ich noch keine 50 bin, will ich in Bewegung bleiben.“ Diese Einstellung verhalf Borschevski auch zu einem Stipendium der Start-Stiftung, die engagierte Jugendliche mit Migrationshintergrund auf ihrem Weg zu einem höheren Schulabschluss begleitet und ihr gesellschaftliches Engagement fördert.
Die Stiftung unterstützt dabei nicht nur mit einem monatlichen Beitrag von 100 Euro, sondern bietet auch ein umfangreiches kulturelles und soziales Programm. Wie Andrea Rauch, Start-Landeskoordinatorin in Brandenburg, sagt, zeichnet sich Kirill dadurch aus, dass er zum einen sein Wissen mit anderen teilt, zum anderen gerne Angebote annimmt, die ihn persönlich weiterentwickeln. „Ich konnte in den letzten drei Jahren miterleben, wie er seine bereits schon sehr guten schulischen Leistungen kontinuierlich steigerte“, so Rauch. „Außerdem leitete er eine Badminton-AG und eine Schülerfirma am Humboldt-Gymnasium.“ Er sei ein junger Mann, der mit einer sympathischen und nur anscheinenden Leichtigkeit seine vielseitigen Ziele verfolgt und damit andere Start-Stipendiaten mitzieht. So ist Borschevski, der ab dem Jahr 2012 Unterstützung erhielt, etwa mehrfach mit anderen Stipendiaten an die Ostsee gefahren, hat dort das Haus von Gerhart Hauptmann besucht und durfte Sir Simon Rattle und den chinesischen Starpianisten Lang Lang im Konzert erleben. An einem Outdoor-Wochenende in Hessen musste er sich wiederum im Fischen und Kräutersammeln üben. „Ich habe dadurch viele Leute kennengelernt, mit denen ich sicherlich noch lange in Kontakt bin“, sagt Borschevski.
Keine Diskriminierung
Im Herbst möchte er sein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen beginnen. Bis es so weit ist, powert sich der junge Mann beim Badminton und Volleyball aus und möchte das Flüchtlingswohnheim im Staudenhof unterstützen. „Ich hatte echt Glück und war in Deutschland nie Diskriminierungen ausgesetzt“, sagt er. „Das möchte ich auch so weitergeben.“
Vor zehn Jahren kam Kirill nach Potsdam. Geboren wurde er in Grodno, der fünftgrößten Stadt in Weißrussland. „Als wir hergezogen sind, kannte ich nur zwei Wörter: ‚Hände hoch!’“, erzählt der großgewachsene Abiturient lachend. „Die habe ich aus den Filmen übernommen, die ich gesehen hatte.“ In einer speziellen Klasse mit wenigen Kindern bekam er dann zunächst intensiven Deutschunterricht und besuchte nach einem Jahr regulär die vierte Klasse in der Karl-Foerster-Grundschule. „Dort habe ich schnell Freundschaften geschlossen“, sagt der Abiturient, der heute zwar noch mit leichtem Akzent, aber ansonsten fehlerfrei Deutsch spricht. „Ich bin hier echt in einem guten Umfeld groß geworden.“ Auch Borschevskis schulische Leistungen bewegten sich schnell im oberen Bereich, ein Zustand, der sich bis zum Abitur nicht änderte. Besonders die Naturwissenschaften und Mathematik waren immer schon seine Stärken. In der fünften Klasse nahm er das erste Mal an der Matheolympiade teil und gewann seitdem mehrmals.
Matheabi mit 15 Punkten
„Ich hatte schon immer ein gutes Gespür für Zahlen“, erzählt der 18-Jährige, der seine Großmutter regelmäßig in Grodno besucht. „Allerdings haben mich die Aufgaben mit Termen am Anfang etwas unterfordert.“ Denn der Lehrplan in Weißrussland sei viel schwerer und anders ausgerichtet gewesen, sodass er in den ersten Schuljahren ganz auf Sachaufgaben getrimmt gewesen sei. „Deswegen habe ich an den Olympiaden teilgenommen und schließlich ja auch mein Matheabi mit 15 Punkten gemacht“, sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Darauf bin ich ehrlich gesagt so stolz, dass ich es fast jedem erzähle, den ich kennenlerne.“
Auch in Physik stand Borschevski eins und in der elften Klasse nahm er erfolgreich an der Chemieolympiade teil, bei der er es bis in die Endrunde nach Cottbus schaffte.
Ursprünglich hatte er sogar erwogen, Biochemie zu studieren, sich dann aber schließlich doch für Wirtschaftsingenieurwesen entschieden. „Ich finde es spannend, dass man neben dem wissenschaftlichen Aspekt auch viel mit Menschen kommuniziert und in einer ständigen Interaktion ist“, sagt der junge Mann. „Außerdem ist man viel unterwegs und das ist ja eh mein Ding.“
In Potsdam sesshaft werden
Ein Auslandssemester hat er für sein Studium schon fest im Blick, am liebsten in den USA. Neben all den großen Plänen vergisst Borschevski aber nicht, auch ein bisschen zu entspannen. Wenn er nicht gerade mit seinen Freunden im KuZe in der Hermann-Elflein-Straße oder im Volkspark zusammen ist, liest er viel oder schaut Serien. Am liebsten die Kultserie „Game of Thrones“, aber auch viele Comic-Adaptionen. „Ich bin total dem DC- und Marvel-Universum verfallen“, erklärt der Abiturient und strahlt dabei verlegen wie ein kleiner Junge. Ihn reizt vor allem die Science-Fiction, die gerade in technischer Hinsicht schneller Realität werden könnte, als man denkt. Dabei versucht er vieles im Original zu sehen, manches schaut er aber auch auf Deutsch oder Russisch. „Mir ist es schon wichtig, die Sprache meines Geburtslandes zu pflegen“, sagt Borschevski, der ein sehr enges Verhältnis zu seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder hat. „Die möchte ich auch meinen Kindern mal weitergeben.“
Wieder zurück nach Weißrussland ziehen möchte er allerdings nicht. Aber in Potsdam sesshaft zu werden, das kann er sich vorstellen. Doch das hat noch Zeit. Jetzt hat er sich erst mal für das nächste Projekt beworben: „Im September findet in Hamburg das deutsch-norwegische Jugend-Forum statt“, erzählt Borschevski. „Da diskutieren viele junge Leute über alle möglichen Themen, ich bin gespannt.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: