Landeshauptstadt: In den Kochtopf geschaut Slavistik-Professor erklärt die Kultur des Essens
Alljährlich im Herbst besuchen rund 2000 Mädchen und Jungen die Vorlesungen der Potsdamer Kinderuni. In den PNN gibt es jetzt die Vorträge von Wissenschaftlern der Universität Potsdam zum Nachlesen.
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Alljährlich im Herbst besuchen rund 2000 Mädchen und Jungen die Vorlesungen der Potsdamer Kinderuni. In den PNN gibt es jetzt die Vorträge von Wissenschaftlern der Universität Potsdam zum Nachlesen. Heute erklärt Prof. Dr. Norbert Franz den Zusammenhang von Kultur und Essen. Als Slavist beschäftigt er sich vor allem mit Osteuropa.
Warum essen die Italiener gern Nudeln, die Deutschen Kartoffeln und die Russen Kohlsuppe? Weil das Essen und Trinken nicht nur für die Ernährung von Bedeutung ist, sondern auch für die Art und Weise, wie die Menschen leben. Welche Lebensmittel sie zubereiten, wie sie sie anrichten und schließlich essen, verrät etwas über ihre Herkunft und Kultur. Auf Reisen in andere Länder ist es deshalb immer interessant, fremde Speisen zu probieren und zuzuschauen, wie die Menschen dort ihr Essen kochen.
Ob sie das Fleisch im Topf schmoren oder in der Pfanne braten, den Fisch räuchern oder über offenem Feuer grillen, das hängt vom Herd und von der Küche ab. In alten russischen Holzhäusern, wie jene in der Kolonie Alexandrowka, gab es oft nur einen großen Steinofen. Er diente zum Heizen und gleichzeitig zum Kochen und Backen. Im Gegensatz zum modernen Elektroherd, der vier verschiedene Heizflächen hat, verfügten solche Steinöfen nur über eine Kochstelle. Was sollten die russischen Hausfrauen tun, wenn sie ein ganzes Familienessen zubereiten wollten? Sie gaben alle Zutaten in ein Tongefäß: Fleisch, Würstchen, Kartoffeln, Kohl, Rote Beete, Zwiebeln und Knoblauch, saure Gurken und saure Sahne, ordentlich Pfeffer und Salz. Fertig war ein deftiger Eintopf wie der Borschtsch oder die Soljanka.
Ein anderer Trick bestand darin, Fisch, Fleisch, Pilze oder Gemüse in Teig einzuwickeln und wie kleine Brote im Ofen zu backen. So entstanden leckere kleine Piroggen und Pasteten, die noch heute zu den Spezialitäten der russischen Küche gehören.
Dass die Russen viel Kohl essen, liegt daran, dass sie ihn auf ihren Feldern gut anbauen konnten. Außerdem wussten sie, wie man ihn lange aufbewahren konnte. Eine beliebte Methode, Kohl haltbar zu machen, kennt auch die deutsche Küche: das Säuern. Manch einer verzieht beim Sauerkraut vielleicht das Gesicht. In Russland aber ist die säuerliche Kohlsuppe, die man dort Schtschi nennt, ein Nationalgericht.
Was die Menschen in einem Land häufig und gern essen, hat also auch damit zu tun, was im Klima der Heimat gut gedeiht. In Italien ist es der Weizen, aus dessen Mehl Nudeln und Pizza gemacht werden. Und weil die Tomaten in der südlichen Sonne besonders fruchtig werden, gibt es dazu eine kräftige Tomatensauce. Italiener, die nach Deutschland kamen, brachten Rezepte für Pizza und Pasta mit, so wie die Türken den Döner, die Amerikaner den Hamburger und die Chinesen die Frühlingsrolle. Die verschiedenen Arten des Essens vermischen sich in unserer Kultur immer mehr. Längst können wir die Spezialitäten aller Länder im Supermarkt kaufen und zuhause asiatisch oder mexikanisch kochen.
Dass die Menschen von ihren Reisen exotische Früchte und Gewürze mitbringen, ist nicht neu. Schon vor 300 Jahren kam mit den Seefahrern die Kartoffel von Lateinamerika nach Europa. Weil sie sich gut anbauen und lagern ließ, wurde sie hier zu einem der wichtigsten Lebensmittel. Der Name Kartoffel stammt übrigens von dem italienischen Wort Tartufo, einem Trüffelpilz, der unter der Erde wächst. Die Bezeichnung sollte die Menschen daran erinnern, die im Boden wachsenden Knollen zu essen und nicht die giftigen grünen Beeren am Strauch. Andere Früchte tragen ihre Herkunft im Namen. Die Apfelsine etwa ist nichts anderes als ein „Apfel aus Sina“. Das ist eine alte Bezeichnung für China, aus dem die süße Orange ursprünglich kommt.
Es gibt auch etwas Deutsches, das in Esskultur und Sprache eines anderen Landes eingegangen ist. Überall in Russland isst man es gern und spricht es auch mit dem deutschen Wort aus: das Butterbrot.
Aufgeschrieben von
Antje Horn-Conrad
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