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Links und rechts der Langen Brücke: In der Grauzone

Sabine Schicketanz meint, dass in Potsdam ein über Jahre gewachsenes politisches Klima kleine und große Tricksereien befördert hat

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Der Oberbürgermeister, das ist bekannt, macht aus seinem Herzen eher selten eine Mördergrube. Passt ihm etwas nicht, kann er irgendwann auch in aller Öffentlichkeit nicht mehr an sich halten. So auch am Mittwoch im Stadtparlament: Die Journalisten sollten doch Verantwortungsgefühl zeigen, Schluss machen mit ihren Verdrehungen und Unterstellungen. Die Berichterstattung über die Gewoba-Privatisierungen, ein vermeintlich neues Kapitel der „Potsdamer Affären“, sei zum Schaden der Stadt, wetterte Jakobs.

Diesen Appell möchte man postwendend umkehren und ihn an die Spitzen von Politik, Verwaltung und kommunalen Unternehmen in Potsdam richten: Sie mögen doch bitte aufhören mit den kleinen und großen Tricksereien, mit Geschäften in der Grauzone, die jenen Tür und Tor zu Grenzüberschreitungen öffnen, die auf Deals aus sind, die dann tatsächlich als Schaden für die Stadt verbucht werden müssen.

Dass sich in Potsdam und Brandenburg die Sensibilität der Bürger extrem erhöht hat und schneller Verdacht geschöpft wird, dürfte die Politik nach Enthüllungen über die Krampnitzer Kasernen oder das krude Gebahren an der Spitze der Stadtwerke nicht verwundern. Beide Affären haben ein Netzwerk zutage gefördert, das bei vielen maßgeblichen Entscheidungen in der Landeshauptstadt seine Finger im Spiel hat(te). Manche würden das auch Filz nennen.

Die jüngste Episode um die Privatisierungen städtischer Immobilien scheint dafür ein weiterer Beleg: Zwar war Potsdam vor elf Jahren in einer komplett anderen Lage, war noch Jammerhauptstadt der Ossis nicht Boomtown der neuen Bundesländer, doch rechtfertigt auch dies nicht einen laschen Umgang mit Regeln und Gesetzen. Dass schon bei den mehr als zehn Jahre zurückliegenden millionenschweren Immobiliendeals so vieles krumm gelaufen ist, unterstützt den Eindruck, dass sich in der Landeshauptstadt in aller Ruhe ein politisches Klima entwicklen und ausdehnen konnte, das Filz und Machenschaften befördert.

Es konnte auch gedeihen, weil sich jene, die von den Bürgern mit politischer Macht ausgestattet wurden, nicht vehement dagegen stellten. Warum duldeten – im aktuellen Fall Gewoba – ein Beigeordneter als Aufsichtsratschef und ein Oberbürgermeister, dass öffentliches Eigentum im Wert von rund 30 Millionen Euro unter dubiosen Bedingungen privatisiert wurde? Warum konnte sich – im Fall Stadtwerke – ein intrasparentes System von Sponsoring und Spenden, in dem niemand wusste, wer wem eigentlich wie viel Geld zahlte, über Jahre halten, auf dass daraus eine Art Schattenhaushalt der Machthabenden erwuchs?

Rhetorische Fragen? Nein.

In Potsdam ist offensichtlich die Gefahr groß, dass alles sich mit allem verbindet, die Abhängigkeiten die Stadt regieren – kaum anders wohl als in anderen mittelgroßen Orten Deutschlands, wo über Jahre eine politische Kraft an der Macht ist und sich immer dieselben Leute immer wieder treffen. Es wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, naiv obendrein, doch umso mehr hätte der Bürger Mächtige verdient, die keinerlei Regelbrüche dulden.

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