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&#Hochleistungs-Debattierer: Florian Umscheid, Markus Heilig und Moritz Kirchner aus Potsdam.

© Privat;

Landeshauptstadt: In Grund und Boden reden

Drei junge Potsdamer haben die ostdeutsche Debattiermeisterschaft gewonnen

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Moritz Kirchner vertritt an manchen Tagen eine Meinung, obwohl er eigentlich genau das Gegenteil denkt. Das macht er so überzeugend, dass der 26-Jährige mit zwei anderen jungen Potsdamern, Markus Heilig und Florian Umscheid, nun einen Pokal gewonnen hat. Das Trio hat sich am Wochenende bei den Meisterschaften der ostdeutschen Debattierklubs in Halle (Saale) gegen zwölf andere Teams durchgesetzt, damit haben sie sich für die gesamtdeutschen Meisterschaften im Juni in Heidelberg qualifiziert.

Ihre Siegerfrage: „Sollen – in schweren Krisen – Verbrecher ihre früheren Straftaten mittels Heldentaten wieder absühnen dürfen?“ Privat sagen die drei Debattierer, dies sei nicht ihre Meinung. Im Finale plädierten sie gar dafür, in Deutschland wieder eine Fremdenlegion einzuführen. Dazu sollten Straftäter im Katastrophenfall eingesetzt werden. Über die Güte ihrer Argumente – auch zu Fragen wie „Soll Sachsen-Anhalt abgeschafft werden?“ wachte eine Jury, die nach einem festgelegten Bewertungsschema urteilen soll. „Das ist wie ein rhetorischer Eiskunstlauf“, sagt Moritz Kirchner.

Es ist nicht das erste Mal, dass junge Potsdamer, die sich seit 2004 im Verein „Wortgefechte – Hochschul-Debattierclub Potsdam“ organisiert haben und jeden Montag ihre verbalen Fähigkeiten trainieren, andere Rhetorik-Asse sprichwörtlich in Grund und Boden gequatscht haben – selbst in englischer Sprache. So schaffte es Florian Umscheid, 22 Jahre alt und Student für Kommunikationsmanagement, im Winter bei den Debattierweltmeisterschaften im afrikanischen Botswana in der Kategorie der Nicht-Muttersprachler bis ins Viertelfinale.

Warum er das Debattieren als Hobby gewählt hat, erklärt Moritz Kirchner mit der „Lust, mit Worten zu überzeugen“ und der „Lust am Wettbewerb“. Er promoviert an der Universität Potsdam im Fach Politik, dazu ist er Chef des Innenstadtverbands der Partei Die Linke. Dagegen gehört Markus Heilig der Potsdamer CDU an – doch die Parteizugehörigkeit spielt im „Wortgefechte“-Verein keine Rolle. Im Gegenteil: Für Heilig, 26 Jahre alt und Student der Politikverwaltung, ist das Spannende an der Hobby-Debatte die Chance, „Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen“.

So ging es ihnen am Wochenende bei der Debattenfrage, ob es im Fernsehen eine Kulturquote geben sollte. „Was ist überhaupt Kultur, wer soll das definieren?“, lehnt Kirchner so eine Quote ab. Und würden die Zuschauer nicht dennoch einfach von der „Kultur“ wegzappen? Würden nicht die Sender, die gezwungen würden, „Kultur“ zu senden, im restlichen Programm noch mehr Müll senden?

Das dauerhafte Debattieren hat bei den drei jungen Potsdamern schon Spuren hinterlassen. Florian Umscheid sagt, dass er bei Diskussionen schneller „unreflektierte Meinungen erkennt“. Auch Markus Heilig fragt sich nun häufiger, ob scheinbare Tatsachen auch wirklich stimmen. Und Moritz Kirchner meint, dass er inzwischen toleranter auf andere Meinungen reagiere: „Ich gehe nicht mehr gleich auf die Palme.“ Der Begriff von Wahrheit – angesichts der vielen Argumente, die es zu jedem Thema gebe – werde „relativer“.

Im Internet:

www.debattierclub-potsdam.de

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