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Benachteiligt? Potsdams private Musikschule bekommt keine öffentlichen Gelder.

© dpa

Landeshauptstadt: In Potsdam spielt die Musik

Das Angebot der Musikschulen ist riesig. Doch die privaten Schulen fühlen sich benachteiligt

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Mehrere Tausend Kinder und Jugendliche in Potsdam machen sich jede Woche nachmittags auf den Weg zu ihrer Musikschule. Nirgends sonst in Brandenburg ist das Angebot an außerschulischem Unterricht so groß wie in Potsdam. Ob Oboe oder Klavier, Geige oder Schlagzeug, ob frühkindliche Musikerziehung, Kammermusik-Ensemble oder Popband – für jedes Alter und jeden Musikgeschmack bietet die Stadt den passenden Lehrer. Und das sogar zumeist umgehend.

Die zwei großen Bastionen unter den Musikschulen in Potsdam sind die städtische „Johann Sebastian Bach“ und die private „Bertheau und Morgenstern“. Beide unterrichten mehr als 2000 Schüler. Ihre Haupthäuser liegen wenige hundert Meter Luftline in der Innenstadt voneinander entfernt. Und doch scheinen sie Welten zu trennen. Zumindest beansprucht jede Schule ihren eigenen Hoheitsbereich. Zwischen beiden herrsche „Burgfrieden“ – so drückt es Katrin Morgenstern aus.

Die ehemalige Hochschullehrerin an der Universität Potsdam hat ihr Büro, ein Durchgangszimmer zu einem der Unterrichtsräume, in der Brandenburger Straße. Morgenstern ist Mitinhaberin der größten privaten Musikschule in Brandenburg. Erst im vergangenen Jahr haben sie und ihre Kollegen Andreas Bertheau und Manfred Behm eine Filiale in Berlins Prenzlauer Berg eröffnet. „Klar, wir profitieren davon, dass wahnsinnig viele Kinder da sind“, sagt Morgenstern. Aber die Schule profitiert auch davon, dass viele gutausgebildete Musiker, ob aus New York oder Russland, „nach Berlin lechzen“, wie Morgenstern sagt. Ihr Zubrot verdienen sie meist als Lehrer – auch in Potsdam. Anders als bei der städtischen gebe es keine Warteliste, keine langen Anmeldeformulare. Flexibel und schnell kann auf die Bedürfnisse der Kunden reagiert werden.

Morgenstern und ihr Team versprühen Offenheit und gute Laune. Immer wieder fällt das Wort „Spaß“. Musik müsse Spaß machen. Erst mit dieser Motivation komme auch das Niveau und der Wille, Leistung am Instrument zu erbringen.

Das Wort „Spaß“ nimmt Heike Lupuleak, die Leiterin der Städtischen Musikschule, nicht so gern in den Mund. Sie denkt eher andersherum: „Wer sagt denn, dass es keine Freude macht, sich anzustrengen?“ Lupuleak sitzt in ihrem Büro im barocken Haupthaus der Schule in der Jägerstraße. Seit 30 Jahren arbeitet sie an der Städtischen Musikschule. Derzeit laufen hier die Vorbereitungen für „Jugend musiziert“. Seit Jahren sind die Schüler der „Johann Sebastian Bach“ stark beim Landeswettbewerb vertreten.

Bertheau und Morgenstern nehmen seit 2008 offiziell nicht mehr an „Jugend musiziert“ teil. Zu intransparent sei die Bewertung und Preisvergabe. „Als Lobbyveranstaltung der städtischen Musikschulen“ und „knallhartes Pflaster“ bezeichnet Morgenstern den Wettbewerb. „Das hat nichts mit Spaß zu tun.“ Stattdessen überlegen Bertheau und Morgenstern, einen eigenen Wettbewerb mit eigenen Kriterien ins Leben zu rufen.

Eine elitäre Drillanstalt für Wettbewerbe will die „Johann Sebastian Bach“ aber nicht sein. Genau wie Bertheau und Morgenstern sieht Lupuleak ihre Schule nicht nur der Begabten-, sondern auch der Breitenförderung verpflichtet. Vor zwei Jahren hat die Stadt mit einem Neubau in der Galileistraße am Stern eine weiteres Haus eröffnet. Das musische Angebot komme diesem Stadtteil mit eher einkommensschwachen Familien enorm zugute, sagt Lupuleak. „Es hätte auch Babelsberg sein können. Das wäre eine wirtschaftliche Entscheidung gewesen.“

Bertheau und Morgenstern haben in den vergangenen Jahren zwei Filialen in bester Lage in Babelsberg eröffnet.

Die Eltern und Kinder können von beiden Schulen eigentlich nur profitieren. Eine Bereicherung der Musiklandschaft in der Stadt sind beide Schulen auf ihre Weise. Wenn da nicht die Sache mit dem Geld wäre.

Mehr als eine Million Euro fließen jährlich in die städtische Einrichtung. Als eine „enorme Ungerechtigkeit“ empfindet Morgenstern den Geldfluss. „Man kommt an den Punkt, wo man sauer wird.“ Schließlich müssten sie sich in ihren Preisen immer an der bezuschussten Musikschule orientieren. „Ich hätte immer noch gern eine Begründung, warum wir nicht bezuschusst werden“, sagt Morgenstern.

Auch Martina Engel-Fürstberger von der FDP sagt: „Die privaten Schulen sind eindeutig benachteiligt.“ Bereits 2010 habe ihre Stadtfraktion in einer Studie darauf hingewiesen. Geändert habe sich seitdem nichts, so Engel-Fürstberger. Zu groß sei die Angst gewesen, man wolle der städtischen Musikschule den Geldhahn abdrehen. Doch darum gehe es nicht, so die FDP. Eher darum, die Gelder effizienter zu verteilen und Preisnachlässe einkommensschwachen und kinderreichen Familien zugute kommen zu lassen. Schließlich würden der FDP-Analyse zufolge lediglich 4,1 Prozent der erhaltenen Subventionen für Sozialnachlässe verwendet. Martina Engel-Fürstberger favorisiert eher ein Modell, wonach sich die Elternbeiträge nach Einkommen staffeln, ähnlich wie bei Kita- oder Schulbeiträgen – egal, ob das Kind in einer privaten oder der städtischen Musikschule angemeldet sei.

Das sei nicht umsetzbar, hält Jan Brunzlow, Pressesprecher der Stadtverwaltung, dagegen. „Für die Verwaltung würde das einen enormen Arbeitsaufwand bedeuten.“ Statt den Geldsack breiter auszuschütten, plant die Verwaltung, die Elternbeiträge an der Städtischen Musikschule anzuheben. Damit erhöhen sich die Einnahmen der Stadt. Sozialverträglicher wird die Schule so aber kaum.

Grit Weirauch

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