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AUS DEM KLASSENZIMMER: Inklusion: Auf dem Weg zu einer kindfähigen Schule

In den PNN berichtet die Grundschule am Pappelhain regelmäßig über ihren Alltag im Pilotprojekt „Eine Schule für alle“ des Landes Brandenburg. Heute resümiert der Rektor der Schule, Gerald Schneider, zum Schuljahr die Praxis des im August vergangenen Jahres gestarteten Modellversuchs zur Inklusion.

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In den PNN berichtet die Grundschule am Pappelhain regelmäßig über ihren Alltag im Pilotprojekt „Eine Schule für alle“ des Landes Brandenburg. Heute resümiert der Rektor der Schule, Gerald Schneider, zum Schuljahr die Praxis des im August vergangenen Jahres gestarteten Modellversuchs zur Inklusion.

Was bedeutet das Pilotprojekt „Inklusive Grundschule“ (PING) für mich und mein berufliches Leben als Schulleiter?

Auf den ersten Blick scheint es so, als wäre alles wie immer: Der Weg zur Schule - in der Regel freudig und erwartungsvoll, der planmäßige Tagesablauf, die täglichen unvorhersehbaren Situationen und Sachverhalte, die einen treffen und fordern und schließlich unsere 465 Kinder, die mir in ihrer breitesten Unterschiedlichkeit manch „saure“ Zeit im Tagesablauf versüßen.

Genau diese Unterschiedlichkeiten-oder vornehmer ausgedrückt, diese Heterogenität, sind der „Aufhänger“ für den zweiten, den inklusiven Blick.

PING verändert das berufliche Leben eines Schulleiters. Ich persönlich ertappe mich schon dabei, dass mir hinsichtlich der Inklusion viele Gedanken durch den Kopf gehen und mich auch manches bewegt. Viele kluge Köpfe haben schon viel über Inklusion geschrieben, viele Schulen haben bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt und veröffentlicht, in einigen Staaten Europas ist es sogar schon völlige Normalität- und trotzdem beeindruckt mich ein Kerngedanke, der Inklusion in wenigen Worten umfassend verdeutlicht und von der bisherigen Integration abgrenzt:

Von der Schulfähigkeit des Kindes zur Kindfähigkeit der Schule. Dieser Kerngedanke, so einfach er auch ausgesprochen ist, wird aber nach meiner Ansicht in seiner Tragweite, eben wegen der großen Unterschiedlichkeiten unserer Kinder, so gewaltig, dass umfassende Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden müssen, um auf lange Sicht, das Ziel Inklusion gesamtgesellschaftlich zu erreichen. Und so schaue ich natürlich mit anderen, mit neuem Blickwinkel auf mich selbst und auf meine Schule.

Was sehe ich? Ich sehe, dass wir durch die vielen Jahre der Integration schon sehr viel Vorlauf für die Inklusion haben, ich sehe mich, sich intensiv mit den theoretischen Grundlagen der Inklusion beschäftigend, ich sehe den Schüler R., der über eine ganze Stunde, nachdem er lauthals den Unterricht gestört hat, auf dem Fußboden liegt und auf Worte und Berührungen mit Tritten reagiert. Ich sehe Kolleginnen, die inklusive Kinder, über alle Ängste hinweg, an Schulfunk und Theaterprojekten teilhaben lassen-mit ungeahntem Erfolg. Ich sehe Lehrerinnen, die 28 Stunden Unterricht in aufgeteilten oder zusammengelegten Klassen erteilen und darüber hinaus noch Vertretungen übernehmen. Ich sehe Mitarbeiterinnen, die sich krank zur Arbeit schleppen und in der Schule an das Ende ihrer Grenzen gehen. Ich sehe Pädagoginnen, die im Team ihre Erfahrungen austauschen und ihre eigene Professionalität als Multiplikatoren weitergeben. Ich sehe Sonderpädagoginnen, die besonders benachteiligten oder förderbedürftigen Kindern helfen, ihre Stärken zu erkennen und zu nutzen. Ich sehe unsere vielen Eltern, die es möglich machen, dass auch außerhalb der Schule inklusive Bildung und Erziehung möglich ist. Ich sehe unseren „Ralfi “, wie ihn alle in der Schule freundlich nennen, der als Bürgerarbeiter eine mit Worten nicht wertzuschätzende Arbeit als einzige sozialpädagogische Hilfe im inklusiven Ganztagsprozess leistet, und, und, und Ein solch fundamentaler Veränderungsprozess, ein Prozess der Individualisierung eines jeden Kindes in allen Lebensbereichen braucht, und dass ist meine Überzeugung, den Zuspruch der gesamten Gesellschaft, Zeit und notwendige Ressourcen.

Ich wünsche mir, dass alle Institutionen die Inklusion wieder verstärkt und permanent auf die Tagesordnung nehmen, dass dieser großartige, alternativlose Prozess nicht an Bürokratie und überzogene Sparpolitik krankt und dass man allen engagierten Wegbereitern die notwendige Hilfe und Unterstützung zuteil werden lässt, die sie für einen zukunftsorientierten Optimismus benötigen.

Mein dritter Blick zeigt mir, ich habe ihn.

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