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Landeshauptstadt: „Integrativer geht es gar nicht“

Sozialminister Baaske sieht den Umgang Potsdams mit Flüchtlingen als Vorbild für das ganze Land

Von Katharina Wiechers

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Zwei Betten, zwei Billy-Regale, ein Fernseher. Die Einrichtung der kleinen Wohnung, die sich Alhamada Adham mit seiner Mutter teilt, ist spärlich. Doch der zurückhaltende 23-Jährige ist froh: Denn er ist dem Krieg in Syrien entkommen, und hat es dann von Italien nach Deutschland geschafft. Seit Anfang Juni wohnen Alhamada Adham und seine Mutter in der Einzimmerwohnung im Staudenhof, einem Wohnprojekt nach dem sogenannten „Potsdamer Modell“.

Die beiden waren mit die ersten, die eine der Wohnungen in dem Block am Alten Markt zugewiesen bekamen, insgesamt sind mittlerweile 16 Asylbewerber dort untergebracht. Am gestrigen Mittwoch war Brandenburgs Sozialminister, Günter Baaske (SPD), zu Besuch und ließ sich den Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss sowie eine der Wohnungen zeigen. Seit Jahren mahnt er die Kommunen im Land angesichts steigender Flüchtlingszahlen, ausreichend Unterkünfte zu schaffen – denn sie müssen die Menschen letztlich aufnehmen. Das Aufnahmelager in Eisenhüttenstadt soll eigentlich nur Zwischenstation sein, doch weil immer mehr Flüchtlinge nachkommen und die Kommunen aber nicht ausreichend viele Plätze schaffen, wird es dort immer enger. Vor drei Jahren habe Brandenburg noch 1500 Flüchtlinge aufgenommen, 2014 seien es schon 4000, sagte Baaske.

Das Potsdamer Wohnprojekt hatte Baaske für seinen Besuch gewählt, weil er es als besonders geeignet hielt, um seinen Appell an die Städte und Gemeinden zu untermauern: Das „Potsdamer Modell“ zeigt seiner Meinung nach, dass es wohl möglich ist, kurzfristig zusätzliche Unterkünfte zu schaffen, und das, ohne die Menschen in Heime am Stadtrand abzuschieben. „Wenn es sogar Potsdam mit seinem Wohnungsproblem schafft, muss es doch in der Fläche erst recht klappen“, sagte er. Vor allem die Unterbringung in innerstädtischen Wohnblocks begrüßte er. „Integrativer geht es gar nicht.“

Der Staudenhof – ein sanierungsbedürftiger Wohnblock aus DDR-Zeiten mitten in Potsdam – ist das zweite Wohnprojekt dieser Art in der Landeshauptstadt. Bereits seit Ende vergangenen Jahres leben Flüchtlinge Tür an Tür mit alteingesessenen Potsdamern in zwei Wohnriegeln in der Haeckelstraße in Potsdam-West. Dort ist der Internationale Bund der Träger, im Staudenhof der Verein Soziale Stadt. Die Sozialarbeiter an den beiden Standorten betreuen die Flüchtlinge, die frisch aus Eisenhüttenstadt kommen, und sollen ihnen den Start in Potsdam erleichtern und bei der Suche nach einer eigenen Wohnung helfen.

Potsdam muss allein in diesem Jahr 286 neue Flüchtlinge aufnehmen, 141 sind bereits angekommen. Mit 30 Personen stammt die größte Gruppe aus der Russischen Förderation – meist Tschetschenien –, gefolgt von Syrien (19), dem Irak (13), Pakistan (12) und dem Iran (12). Die übrigen flohen aus Somalia, Vietnam, Kamerun, Serbien, Afghanistan, Albanien, dem Tschad oder dem Libanon. Allein mit dem Asylbewerberheim am Schlaatz wäre das nicht zu schaffen gewesen, dort gibt es lediglich 180 Plätze. In der Haeckelstraße in Potsdam-West sind nun noch einmal rund 60 Plätze dazugekommen, im Staudenhof sollen es am Ende etwa 50 sein, ein weiteres Wohnprojekt ist am Stern geplant.

Doch das Zusammenleben zwischen den Potsdamern und den Asylbewerbern birgt auch Konfliktpotenzial. Bei einer Informationsveranstaltung im Februar hatten einige Staudenhof-Bewohner Bedenken gegenüber den neuen Mietern geäußert, Sätze wie „Wir haben schon genug Ausländer“ fielen. Doch mittlerweile habe sich die Situation ein wenig verbessert, findet Jean-Marce Banoho. Der Kameruner, der einst als Student nach Deutschland kam, arbeitet für den Verein Soziale Stadt und leitet das Wohnprojekt im Staudenhof. Anfangs habe es unter den Bewohneren sehr wohl Ablehnung gegenüber den Neuankömmlingen gegeben, sagte er am Mittwoch. Doch mittlerweile habe sich das weitgehend gelegt – auch durch gemeinsame Projekte wie das Reinemachen im Hof oder im früheren Café Staudenhof. „Dass die junge Dame heute hier ist, wäre am Anfang undenkbar gewesen“, sagte Banoho und deutete auf eine 70-jährige Bewohnerin, die sich den Rummel um den Minister nicht entgehen lassen wollte.

„Die Interaktion zwischen alten und neuen Bewohnern ist sehr wichtig“, ist der Sozialarbeiter überzeugt. Deshalb plant er weitere gemeinsame Projekte, auch mit Unterstützung der Fachhochschule. So habe er mit dem FH-Professor Peter Knösel gemeinsames Fußballspielen und Kochen verabredet, außerdem soll auf der Fläche zwischen Staudenhof und FH ein Gemeinschaftsgarten angelegt werden. „Wir haben die Flächen, wir haben die Geräte. Jetzt muss der Professor nur noch aus dem Urlaub zurückkommen“, so Banoho lachend. Er weiß allerdings, dass auch die Sprache noch eine große Hürde bei der Kommunikation darstellt. Deshalb besuchten die Bewohner regelmäßig Deutschkurse.

Auch Alhamada Adham macht einen solchen Deutschkurs, doch noch läuft es schleppend mit der komplizierten Sprache. Mit der Nachbarin, einer älteren Deutschen, haben sich er und seine Mutter trotzdem schon angefreundet und gehen zum Beispiel zusammen einkaufen. Noch kommunizieren sie mit Händen und Füßen, erzählt Adham. Aber er ist überzeugt, dass sich das bald ändern wird. „Die Sprache ist schwer, aber ich glaube, ich kann das schaffen.“

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