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Biomaterialforscher Peter Fratzl erklärte in der Sonntagsvorlesung, warum er den Knochen verstehen will
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Für Peter Fratzl schließt sich ein Kreis: Denn aus dem Material, mit dem er sich heute am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm beschäftigt, machte die Menschheit einst ihre ersten Werkzeuge. „Wenn der Knochen bricht“, so der viel versprechende Titel der Vorlesung, mit der der gebürtige Wiener am vergangenen Sonntag Vormittag trotz herrlichstem Sonnenschein etwa 30 Zuhörer ins Alte Rathaus locken konnte.
Dass ein Knochenbruch im menschlichen Leben ein vergleichsweise seltenes Ereignis ist, zeigt schon, dass die Natur hier mit hochwertigem Material arbeitet. Aber auch wenn seine beiden Hauptbestandteile – weiches Protein und sprödes Kalzium – lange bekannt sind, bleiben für Fratzl, der sich auf Biomaterialforschung spezialisiert hat, viele Fragen offen: Wie gelingt es, dass ausgerechnet die guten Eigenschaften der Bestandteile kombiniert werden, und nicht etwa die schlechten? Wie reagiert der Knochen auf die unterschiedlichen Belastungen, die ihn zum Beispiel als Wirbelknochen oder als Beckenknochen erwarten? Warum brechen Knochen in Längsrichtung „völlig gerade“, horizontal dagegen „wesentlich schwerer“? Und was ändert sich bei Krankheiten wie der Rachitis, bei der der Knochen weich wird, oder der genetisch bedingten „Glasknochenkrankheit“, bei der er spröde wie Glas wird? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, reiche eine einfache Untersuchung der Knochendichte nicht aus. Entscheidend für die Eigenschaften des Knochens sei seine „Architektur“, wie sich Proteine und Kalzium verbinden. „Das zu verstehen, ist ein riesiges Thema“, so Fratzl.
„Unser Knochen ist ständig in Bewegung“, erklärt er. Genau genommen handele es sich dabei auch nicht um ein „Material“, sondern um ein Organ. Durch den stetigen Knochenumbau während des gesamten Lebens gelinge es, die Struktur gezielt den Anforderungen anzupassen. Wo Knochen gebraucht werde, wird er aufgebaut, zum Beispiel bei Leistungssportlern. Er verschwinde hingegen, wo er nicht gebraucht wird, zum Beispiel bei Bettlägrigen.
„Intelligentes Material“ nennen die Forscher so etwas. Im Gebiet der „Bionik“ – eine Wortkombination von Bio und Technik – beschäftigen sie sich mit dem Nachbau solcher Stoffe, erläuterte Fratzl. Fernziel für seine Knochenforschungen ist ein „biomimetischer“ Stoff. Der soll als Implantat nach Knochenbrüchen eingesetzt werden können. Anders als zum Beispiel die heute existierenden künstlichen Hüftgelenke soll dieses Material aber nach und nach abgebaut und wieder durch körpereigenes ersetzt werden. An der Entwicklung arbeitet Fratzl derzeit zusammen mit Wissenschaftlern der Charité und anderer Einrichtungen im „Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies“. Die Methode stehe „vor der Tür“. Sie sei aber nicht für alle Knochen im Körper einsetzbar, schränkt er die Hoffnungen ein. Das Ergebnis wäre nur bedingt „neu“. Denn die Menschen würden damit „die Prinzipien der Natur umsetzen“. Jana Haase
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