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Landeshauptstadt: Italienisches Flair und deutsches Bier

Das Krongut muss sich neu erfinden: Von den 22 Selbstständigen, die 2002 im ehemaligen Sitz der Kronprinzessin Victoria in Bornstedt ihre Chance suchten, hat nur der Hutladen überlebt. Ein Besuch vor Saisonbeginn

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Die Februarsonne schält den frisch sanierten Campanile des Bornstedter Friedhofs glasscharf aus dem adriablauen Himmel. Italien liegt in der Luft. Der Glockenturm leuchtet, das Krongut leuchtet, Ursula Klosa leuchtet. Sie trägt ein weißes Kleid und einen weißen Hut, sitzt in einem Klappstuhl, liest ein Kulturjournal und reflektiert das warme Sonnenlicht und über das Leben. „Ich bin die Letzte!“, sagt sie selbstbewusst und frohgemut; sie, die eine kommunistische Revolutionärin zu ihrem Maskottchen erwählte, ist die letzte freie Gewerbetreibende auf dem Krongut Bornstedt. Wenn das gilt, „Survival of the fittest“, dann ist sie das.

22 Gewerke gingen 2002, nach der Sanierung des einstigen Vorzeigegutes – dem „Bauch all dieser Schlösser“, wie Krongutmanagerin Jenny Krüger sagt – gemeinsam mit Ursula Klosa an den Start. Das Krongut ist mindestens so gut besucht wie das Schloss Sanssouci, doch die Leute gucken viel und kaufen wenig. Der Glasbläser gab 2006 auf, die Krongutbäckerei im vergangenen Herbst, übrig geblieben ist Ursula Klosa und ihr Hutladen. Wer ihn betritt, erblickt unweigerlich eine große Schwarz-weiß-Fotografie der Revolutionärin, Schauspielerin und Fotografin Tina Modotti. Sie trägt einem extrem kleidsamen Hut im Stil der 1920er-Jahre, was sie als Maskottchen für einen Hutladen passend erscheinen lässt. Ach, die 20er-Jahre, das war die Hutzeit par excellence, schwärmt Ursula Klosa, „meine Oma ging nie ohne Hut aus dem Haus“. Sie selbst biete „sehr tragbare Hüte“ verschiedener Hutmacher und dies nicht nur für Frauen, für Männer habe sie gerade sehr schöne weiße Leinen-Käppis da.

Das Krongut muss sich neu erfinden, das alte Konzept, die Schau traditioneller Gewerke, hat auf Dauer nicht funktioniert. Hutfrau Klosa schwärmt von den ersten Jahren, die gut waren. Doch dann fiel es ab, langsam, aber stetig. Das weiß auch Betriebsleiterin Jenny Krüger, die aus Halle an der Saale stammt und sich Managermeriten in London erwarb. Das Jahr 2013 hat sie trotz allem „mit einem Plus“ abgeschlossen, doch die Krongutbäckerei fehlt sehr seit der Insolvenz Ende September. Gleich am Eingang erblicken die Besucher ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossen“, das ist kein gutes Aushängeschild für das Gut. „Unsere Gäste empfinden die Bäckerei als Herzstück des Krongutes“, erklärt Jenny Krüger. Die Laggner-Gruppe von Krongut-Eigentümer Josef Laggner sei „bemüht, die Bäckereiräume vom Insolvenzverwalter zurückzubekommen, um sie den Besuchern wieder zugänglich zu machen“.

Jenny Krüger versprüht Energie und Tatendrang, sie muss jetzt alles selbst in die Hand nehmen und den ehemaligen Sitz der Kronprinzessin Victoria komplett selbst bespielen lassen. „Das Krongut ist wie das Leben, mal geht es aufwärts, mal abwärts“, sagt sie und versichert bestimmt: „Es geht jetzt wieder aufwärts.“ Der Gutsladen wird schon nicht mehr durch einen Selbstständigen betrieben, sondern durch das Krongutmanagement; Doris Löbe, die den Besuchern diverse Mitbringsel mit Lokalkolorit verkauft, ist eine Angestellte. Sie ist es, die nun etwa die Keramik-Produkte eines Künstlers verkauft, der vor Jahren noch selbst im Krongut töpferte, sich aber längst wieder in sein Rathenower Atelier zurückgezogen hat. Was ist ihr Bestseller, Frau Löbe? Die freundliche Frau lacht und antwortet, ganz ehrlich, am besten verkauft sich die hausgemachte Marmelade aus dem Spreewald. Auch im Blumenladen arbeitet mit Simone Ratajski eine Angestellte, die momentan schon jahreszeitbedingt in Aufbruchsstimmung ist. Die Sonne, der blaue Himmel, die länger werdenden Tage kündigen den Frühling an, „jetzt geht’s los“, frohlockt die Blumenverkäuferin, „mit Primeln, Hornveilchen und Blumenzwiebeln“.

Jenny Krüger braucht neue Leute für den Neubeginn im Krongut; Menschen wie den 24-jährigen Braumeister Sven Blinde, der sein Handwerk in der Schlossbrauerei Fürstlich Drehna gelernt hat, beim Brauen des Odin-Trunkes etwa, einem Bier mit Bienenhonig. Im Krongut hat er bereits sein erstes Bockbier gebraut, „mit 17 Prozent Stammwürze und sieben Prozent Alkohol“. Der Ehrgeiz des jungen Brauers ist groß, „die Richtung ist klar vorgegeben – besser zu werden als die anderen Brauer in der Region“. Erreichen will er das mit sehr guten Rohstoffen, speziellen Brauverfahren und der kreativen Anwendung des Gelernten. Die Biere der Konkurrenz, etwa der Braumanufaktur Forsthaus Templin, hat er noch nicht probiert, sagt er. Sein stark schäumendes Bockbier, von dem er bereitwillig kosten lässt, schmeckt sehr würzig und ist wegen seiner ausgesprochenen Süffigkeit ein wenig heimtückisch, „denn nach drei Gläsern kann man ein Taxi bestellen“, sagt Krongutchefin Krüger, die sicher ahnt, dass mit gutem Bier sicher nicht alles, aber schon einmal manches gut läuft auf dem Krongut. Am 26. Februar solle ein Bierfest auf dem Krongut gefeiert werden, vereinbart Jenny Krüger spontan mit ihrem Braumeister, zu Ehren des „Tages des deutschen Bieres“. 498 Jahre Deutsches Reinheitsgebot, das ist Sven Blinde eine Geburtstagsparty wert. „Brauen“, sagt er, „ist eine Leidenschaft.“

Mit wehendem Mantel führt Jenny Krüger durch die ehemaligen Ställe, Scheunen und durch das historische Herrenhaus. Die Räume sehen nach Innehalten, Luftholen, nach Saisonvorbereitung und somit nicht untypisch für den Monat Februar aus. In einem Dachgeschoss-Saal hat bereits die erste große Veranstaltung des Jahres stattgefunden. 150 Besucher, Eltern mit ihren Kindern, sahen „Petterson & Findus“ als Puppentheater. Überhaupt will Jenny Krüger mehr für Kinder anbieten. Im ehemaligen Schlacht- und Backhaus, in dem zwischenzeitlich eine Wollverkäuferin zu wenig Wolle an die Touristen verkaufte, um bestehen zu können, sollen nun Tagungen stattfinden. Die Vermarktungschancen hierfür scheinen nicht schlecht: Die Räume sind schön, das Ambiente mit Rosengarten, Bornstedter See und „italienischem Dorf“ äußerst ansprechend. Für eine der beiden Scheunen, die nun als Weinhandlung von Luther & Wegener genutzt wird, gibt es Jenny Krüger zufolge „Pläne, die noch nicht verraten werden dürfen“.

Vor dem Restaurant „Brauhaus“ steht ein Kellner und blinzelt in die Sonne. Noch hat er Zeit für Muße, „von Ende März bis September ist hier die Hölle los“, versichert er. In dieser Zeit muss das Krongut den Speck ansetzen, den es braucht, um den Winter zu überstehen. Winter, die hart sein können, selbst wenn die Sonne derart scheint, als läge Bornstedt wirklich in Italien.

nbsp;Guido Berg

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