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Der AfD-Vize und der Fall Boateng: Jagdbeute Gauland?
Gab es gar einen Rassismus der Journalisten? Eine neue überraschende Sicht auf die Causa Gauland/Boateng.
Stand:
„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben,“ das soll laut "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung" (F.A.S) AfD-Vize Alexander Gauland zwei "F.A.S."-Redakteuren gesagt und damit den Fußballstar beleidigt haben. Was in den vergangenen Tagen bekanntlich für einen großen Shitstorm sorgte.
Nun hat der Geschäftsführer des DJV Landesverband Berlin-Brandenburg, Klaus D. Minhardt, mit einer überraschenden Sicht der Dinge nachgelegt. In einem Kommentar auf der DJV-Website fragt er, ob die Äußerung Gaulands überhaupt beleidigend sei oder zumindest rassistisch. "Eigentlich besagt sie ja nicht, dass Gauland etwas gegen den Nationalspieler hat, sondern stellt nur die Ressentiments in der Bevölkerung dar." Man müsse schon sehr gewagt interpretieren, um das als Rassismus von Gauland zu sehen.
Bevor jedoch im Internet differenziert über diese Frage diskutiert wurde, hätte erst einmal ein veritabler Shitstorm inszeniert werden müssen, so Minhardt weiter. "Die ,F.A.S.' sorgt gleich selbst in Twitter für die nötige Empörung, und ohne auch nur eine Bestätigung von Gauland zu haben und bar jeglicher Beweise für diese Aussage stürzt sich gleich das ganze Netz inklusive der Pseudoqualitätsmedien wie ,Spiegel', ,Zeit' und unzählige weitere auf die Jagdbeute Gauland."
MInhardt zieht den Schluss, dass journalistische Grundsätze mittlerweile über Bord geworfen würden, falls es gegen die AfD geht. "Gleichzeitig zeigen sich die gleichen Medien völlig überrascht, dass sie immer öfters als ,Lügenpresse' beschimpft werden."
Warum hätte er sich über Boateng äußern sollen?
Schließlich kam es, wie man es schon fast erahnen konnte - schreibt der DJV-Geschäftsführer in Berlin-Brandenburg -, noch schlimmer: "Die Äußerung wird von AfD-Vize Gauland bestritten. Er hätte keine Ahnung von Fußball und hätte bislang Boateng nicht gekannt. Warum hätte er sich über diesen äußern sollen?"
Der unvoreingenommene Beobachter tue sich auch schwer mit der Vorstellung, dass dieser Satz einfach so gefallen sein könnte. "Wo ist der Kontext? Warum sollte ein erfahrener Politiker auch so einen Fauxpas machen? Wie kommt man auf Boateng, obwohl Gauland von Fußball keine Ahnung hat? Man ist geneigt an der Darstellung der ,F.A.S.' zu zweifeln."
Dann bringt Minhardt eine Stellungnahme der Politik-Redaktion der "F.A.S." dazu: Demnach hätten beide "F.A.S."-Kollegen die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmten überein. "Wie in früheren Gesprächen bestand Herr Gauland nicht auf einer Autorisierung von Zitaten. Herr Gauland stufte nur den Teil des Gesprächs, indem er sich über Afd-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund ein und bat, daraus nicht zu zitieren." Daran habe sich die "F.A.S." gehalten.
Nun stelle sich heraus, schreibt Minhardt weiter, dass man mit dieser Formulierung den Eindruck einer Tonaufzeichnung und veritabler Beweise erwecken wollte. "Nichts davon existiert, wie die ,F.A.S." mittlerweile zugegeben hat. Es gebe nur ein paar handschriftliche Notizen der beiden Journalisten." Die "F.A.Z." räume ein, dass nicht Gauland, sondern dass die Redakteure es selber waren, die den Namen und die Person Jerome Boateng in das Hintergrundgespräch eingebracht haben.
Sollte Gauland vorgeführt oder reingelegt werden?
"Warum bringen die beiden Redakteure den Namen Boateng in ein Hintergrundgespräch ein? Geht es um dessen schwarze Hautfarbe? Handelt es sich nicht viel mehr um Rassismus der Journalisten? Jedenfalls instrumentalisieren die beiden Journalisten den Nationalspieler als völlig ungeeignetes Beispiel in einem Gespräch über Integrationsprobleme und Religionen. Boateng hat eine deutsche Mutter, ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und ist auch noch Christ. Es gibt kaum ein ungeeigneteres Beispiel für das Thema des Gesprächs."
Daher ergebe sich für den Autor automatisch die Frage: "Sollte Gauland vorgeführt oder reingelegt werden? Wollte man zeigen, dass er Leute nach der Hautfarbe oder Abstammung beurteilt? Da bekannt ist, dass Gauland sich nicht für Fußball interessiert, konnten die Journalisten annehmen, dass Gauland bestenfalls den Namen Boateng gehört hatte und nicht wusste , dass er Deutscher, Nicht-Migrant und Christ ist."
Abschließend räumt Minhardt Gauland gute Aussicht vor Gericht ein. Man müsse jetzt den Journalisten noch nicht einmal Lügen, bösen Willen oder ein schlechtes Gedächtnis unterstellen. Die Gesetzeslage reiche für eine sehr unangenehme Lage der beiden Journalisten und der Zeitung.
"Der § 186 StGB wird den ,F.A.S.'-Journalisten das Kreuz brechen." Gauland könne Unterlassung fordern und Strafantrag wegen „Übler Nachrede” stellen – und es gebe keine Beweise für die Tatsachenbehauptungen; "die Notizen sind keine Beweise, sondern Parteivorbringen, also ziemlich wertlos. Würden sie ohne Zustimmung Gaulands eine Tonaufzeichnung vorlegen, wäre diese illegal und dürfte im Prozess nicht verwendet werden. Die Journalisten hätten sich dann auch noch strafbar gemacht."
Fazit dieses überraschenden Kommentars: Gauland müsse nichts belegen und kann sich entspannt zurücklehnen. Es wird nicht der letzte Beitrag zu dem Thema gewesen sein.
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