
© A. Klaer
Spitzel-Affäre: Jakobs gerät in Spitzel-Affäre unter Druck
Rathaus-Kooperation will Paffhausens Freistellung, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Ab 14 tagt der EWP-Aufsichtsrat.
Stand:
In der Potsdamer Spitzel-Affäre könnte heute die Entscheidung über eine Abberufung des Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen bis zur Klärung der Vorwürfe fallen. Paffhausen wird angelastet, die Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) habe unter seiner Führung im Jahr 2001 die städtische Gewoba und ihren Geschäftsführer von dem Berliner Sicherheitsunternehmen „UP Sicherheitsmanagement“ ausspionieren lassen. Hintergrund sei eine mögliche Übernahme der Gewoba durch die Stadtwerke gewesen. Nach Angaben aus Kreisen der Stadtpolitik soll die „UP Sicherheitsmanagement“, deren Geschäftsführer ehemals hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi war, bis zum vergangenen Jahr für die Stadtwerke und die EWP Aufträge im Sicherheitsmanagement erfüllt haben.
Für den Fall, dass die Vorwürfe zutreffend seien und „die EWP die Gewoba und deren Geschäftsführer hat überwachen lassen“ oder Überwachungsergebnisse entgegen genommen hat, will die Rathaus-Kooperation aus SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP im heute Abend tagenden Hauptausschuss des Stadtparlaments die Freistellung Paffhausens empfehlen. Dies sieht ein gemeinsamer Antrag der Kooperation vor. Über die Freistellung entscheidet die Gesellschafterversammlung; Gesellschafter der EWP sind die Stadt mit 65 Prozent und die E.on Edis AG mit 35 Prozent.
Über die Hintergründe der Spitzel-Affäre soll heute ab 14 Uhr der EWP-Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung von Aufsichtsratschef und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) informiert werden.
Der Potsdamer SPD Fraktions- und Parteichef Mike Schubert kündigte gestern an, er werde als Aufsichtsratsmitglied in der Sitzung Paffhausens Abberufung fordern. Darauf legte Schubert sich fest, ohne den von Jakobs bei der Kanzlei Erbe beauftragten Prüfbericht zu den Spitzel-Vorwürfen zu kennen. Einen Antrag Schuberts auf Einsicht in den Bericht in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied hatte Jakobs am Montag abgelehnt. Wie Stadtsprecher Stefan Schulz gestern bestätigte, hatte Jakobs am Montagnachmittag Paffhausen und Vertreter der Rechtsanwaltskanzlei Erbe zu einem Treffen ins Rathaus eingeladen. Dies sei notwendig gewesen, so Schulz, um die Aufsichtsratssitzung „organisatorisch vorzubereiten“ – auch vor dem Hintergrund der Erkrankung des Rechtsanwalts Joachim Erbe.
Erbe hätte nach Angaben der Stadtverwaltung seinen Prüfbericht zu den Spitzelvorwürfen bereits am vergangenen Freitag vorstellen sollen, dies musste jedoch abgesagt werden, da Erbe erkrankt sei und im Krankenhaus liege, hieß es.
In der Stadtpolitik herrschte gestern weiterhin Unverständnis über den Umgang von Oberbürgermeister Jakobs mit den Spitzelvorwürfen. Sie sind ihm nach eigenen Angaben seit Dezember 2010 bekannt; im November 2010 war ein dreiseitiger „Zwischenbericht“ vom 26. März 2001 unterzeichnet mit „U.P.“ über die Lage im städtischen Unternehmen Gewoba und das Geschäftsgebaren des damaligen Gewoba- und heutigen Pro Potsdam-Chefs Horst Müller-Zinsius in dessen Briefkasten aufgetaucht. Müller-Zinsius soll das Schreiben mit anonymem Hinweis auf Paffhausen als Urheber dann Jakobs gegeben haben, dieser beauftragte im Januar 2011 die Kanzlei Erbe mit einem Prüfbericht. Die Frage, wann Jakobs Paffhausen erstmals über den mutmaßlichen Spitzelbericht informierte, beantwortete Stadtsprecher Schulz gestern nicht. Politiker von Linke, CDU und FDP bemängelten gestern erneut, dass Jakobs die Information über das brisante Schriftstück von Dezember 2010 bis jetzt „zurückgehalten“ habe, wie Linke-Chef Sascha Krämer konstatierte. Die Linke verlange, dass Jakobs darlege, warum er so verfahren sei. Es müsse eine „vorbehaltlose“ Aufklärung geben, so Krämer.
Während Jakobs in den vergangenen Tagen abgetaucht war und eine ganze Reihe offizieller Termine abgesagt hatte, äußerte er sich gestern Abend im RBB erstmals zu der Affäre. Er habe die „sorgfältige Prüfung“ der Vorwürfe veranlasst, sie müssten mit der „nötigen Solidität“ betrachtet und in den zuständigen Gremien behandelt werden, „das sind wir auch den Betroffenen schuldig“. Daher werde er nicht öffentlich informieren, so Jakobs.
Unterdessen will die Rathaus-Kooperation eine externe Prüfung möglicher weiterer „Verdachtsfälle der Informationsbeschaffung“ durchsetzen. Das soll der Hauptausschuss heute Abend beschließen. Angesichts der von der Stadt bestätigten Informationen, wonach die Kanzlei Erbe bereits mehrfach „die Interessen der Stadtwerke in strafrechtlichen Angelegenheiten“ übernommen habe, kritisierte FDP-Fraktionsvorsitzende Martina Engel-Fürstberger die Beauftragung der Kanzlei durch Jakobs scharf. „Das ist wie in einer Bananenrepublik“, sagte sie. Es müsse eine neue „externe, umfangreiche und unabhängige“ Untersuchung geben. Bereits bekannt war, dass Jurist Erbe Mitglied im Pro Potsdam-Aufsichtsrat ist. Diskutiert wurden gestern auch die Schlagzeilen, die es Ende 2010 über die Kanzlei gegeben hatte. Damals waren im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen um die Verwicklungen der HSH Nordbank auch die Potsdamer Kanzleiräume durchsucht worden. Die Kanzlei hatte dazu betont, auf ihre dann bald beendete Tätigkeit richteten sich keine Vorwürfe; dies hatte auch die zuständige Staatsanwaltschaft mitgeteilt.
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