Von Thorsten Metzner: Jakobs in Erklärungsnöten
Gerügte Dienstanweisung Klipps zu Steuerbescheiden gilt doch noch
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In der Abschreibungs-Affäre um den Baubeigeordneten Matthias Klipp (Grüne) hat das Rathaus die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Das wird nun zu einem Problem für Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der sich bislang hinter Klipp stellt. Im Gegensatz zu einer offiziellen Presseerklärung von Jakobs vom Donnerstag ist nach PNN-Informationen die vom Wissenschaftsministerium Brandenburgs als teilweise rechtswidrig gerügte Dienstanweisung Klipps vom 22. Oktober 2009 zu Denkmalschutz-Abschreibungen weiterhin in Kraft.
Wie berichtet, wird die Anweisung vom Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde konkret beanstandet, weil sie Denkmalsanierern in Potsdam bei Dachgeschossausbauten womöglich unzulässige Steuervorteile zum Nachteil öffentlicher Kassen verschafft. Beanstandet wird auch, dass Klipp anordnete, dass solche Abschreibungsbescheide auch nach Einwänden von Finanzämtern generell „nicht zurückgenommen werden“. Das Ministerium fordert einen Stopp der Praxis und die Prüfung möglicher Dienstpflichtverletzungen Klipps.
Nachdem die PNN den Sachverhalt publik machten, hatte Oberbürgermeister Jakobs in einer schriftlichen Pressemitteilung am Donnerstag die „Kritik an der Praxis der Steuer-Bescheinigungen der Bauverwaltung bei Denkmalsanierungen zurückgewiesen“. Eine erste Prüfung habe ergeben, so die Begründung, dass die Kritik des Wissenschaftsministeriums, „auf einer längst nicht mehr gültigen Dienstanweisung des Baubeigeordneten beruht“. Das ist falsch. Nach PNN-Informationen aus dem Rathaus ist die heikle Verfügung Klipps weder aufgehoben, noch in den als rechtswidrig beanstandeten Punkten korrigiert worden.
In der Presseerklärung teilte Jakobs mit – ohne dazu Einzelheiten zu nennen –, dass Klipps frühere Anweisung im April 2010 „modifiziert“ worden sei. Bei dieser angeblichen Modifizierung handelt es sich aber lediglich um einen „Nachtrag“, wie das von Klipp unterzeichnete Papier vom 20. April 2010 überschrieben ist. Darin wird seine in der Kritik stehende Verfügung „vom 22.10.2009“ zur „Bescheinungsfähigkeit Dachgeschossausbauten im Bestand“ in einigen Punkten ergänzt, präzisiert, neu gefasst. In den neuen oder erneuerten Passagen spielen Denkmalschutz-Kriterien, Voraussetzungen für Denkmalabschreibungen, aber keine Rolle. Stattdessen wird dort etwa auf die „Schaffung neuen Wohnraums“ verwiesen, „die im gesamtstädtischen Interesse ist“. So wird erklärt, dass bei Dachgeschossausbauten zu Wohnraum „diese Maßnahme stets zur sinnvollen Nutzung des Gebäudes erforderlich“ ist. Zitat: „Eine Wirtschaftlichkeitsüberprüfung erfolgt nicht.“ Laut Wissenschaftsministerium verstößt genau dieser Ansatz, Denkmalschutz–Abschreibungsbescheide generell für jede neue Denkmal-Dachwohnung zu erteilen, gegen landesweit geltende Richtlinien. Der Hintergrund: Denkmalschutz–Steuervorteile sind gesetzlich nicht dafür vorgesehen, Eigentümer von denkmalgeschützten Häusern für den Ausbau neuer Dachwohnungen, die in Potsdam angesichts der Wohnungsknappheit lukrativ zu vermieten sind, zusätzlich zu belohnen. Stattdessen soll mit der Steuerabschreibung der besondere Aufwand für den Erhalt denkmalgeschützter Substanz honoriert werden.
Oberbürgermeister Jakobs (SPD) reagierte gestern auf die Vorwürfe überrascht, wies eine bewusste Falschinformation aber zurück. Es gehe um einen komplexen, auch juristisch komplizierten Sachverhalt. „Das Baudezernat hat mir eine umfangreiche Dokumentation vorgelegt. Das war alles plausibel.“ Danach seien, so sein Informationsstand, Veränderungen herbeigeführt worden. „Ich verlasse mich darauf, was der zuständige Beigeordnete sagt.“ Klipp, früher Baustadtrat im Prenzlauer Berg und dann jahrelang in der Berliner Immobilienbranche tätig, hat eine PNN-Anfrage vom Montag zur gerügten Praxis bisher nicht beantwortet.
Hintergrund von Klipps Anweisung war ein unter seinen Vorgängern entstandener Antragsstau, den auch der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis in seinem Bericht zu Rathaus-Missständen nach der Jauch-Kritik gerügt hatte. Klipp hatte Ende März als Erfolg verkündet, dass die Tausend angestauten Bescheide mittlerweile erteilt worden sind. Wie viele davon Dachausbauten betreffen, weiß niemand. Das Wissenschaftsministerium verlangt eine nachträgliche Korrektur.
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