
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Jakobs: „Verstoß gegen Loyalitätspflicht“
Disziplinarverfahren gegen Matthias Klipp / Verweis oder Geldbuße droht / Stadtpolitik übt breite Kritik
- Henri Kramer
- Peer Straube
Stand:
Baudezernent Matthias Klipps öffentliches Abkanzeln seines Beigeordnetenkollegen Burkhard Exner (SPD) hat für den Bündnisgrünen nun dienstrechtliche Konsequenzen. Klipp muss sich als wohl dritter Beigeordneter nach Elke von Kuick-Frenz und Gabriele Fischer (siehe Kasten) in einem Disziplinarverfahren verantworten. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) begründete seine Entscheidung am Mittwoch mit einer „Pflichtverletzung nach dem Beamtenstatusgesetz und dem Verstoß gegen die Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn“.
Wie berichtet war Klipp am Dienstag ohne vorherige Absprache in eine Pressekonferenz seines Kollegen, Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD), geplatzt und hatte dessen Haushaltspolitik scharf kritisiert. Diese sei „nicht nachhaltig“, hatte Klipp erklärt und eine Million Euro mehr pro Jahr für die Sanierung des maroden Straßennetzes gefordert. Andernfalls würden einzelne Straßen gesperrt oder Tempo-30-Zonen eingeführt, drohte Klipp. Selbst im krisenerprobten Potsdamer Rathaus ist dieser Vorfall beispiellos: „So etwas habe ich in meiner gesamten Zeit hier noch nie erlebt“, sagte ein ranghoher Verwaltungsmitarbeiter den PNN.
Hinter verschlossenen Türen fand am Mittwoch in Anwesenheit von Jakobs und aller vier Dezernenten eine Aussprache statt, in deren Folge sich Klipp bei Exner offiziell entschuldigte. Dies dürfte nicht die einzige Konsequenz bleiben. Das Disziplinargesetz des Landes sieht bei Verstößen eine ganze Palette möglicher Sanktionen vor. Sie beginnt mit einem Verweis – also einem schriftlichen Tadel – , dann folgen Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und schließlich, als härteste Strafe, die „Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“.
So weit dürfte es zwar nicht kommen. Doch gebe es zur sogenannten „Flucht in die Öffentlichkeit“ eine recht umfangreiche Rechtsprechung, heißt es in der Verwaltung. Als Beispiel wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts genannt. Es hatte in einem Fall, bei dem ein Verwaltungsbeamter sich in einem Fernsehbericht geäußert hatte, einen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht gesehen. Über den TV-Beitrag habe dieser versucht, „Einfluss auf seinen Dienstherrn zu nehmen“. Das Bundesverfassungsgericht verwies auf die Disziplinarrechtsprechung, wonach dann Pflichtverletzungen vorliegen, „wenn sich der Beamte zum Zweck der Verstärkung durch eine Lobby an die außerdienstliche Öffentlichkeit“ wendet. Das gängige Strafmaß in solchen Fällen ist ein Verweis oder eine Geldbuße.
Nicht nur im Rathaus schlug Klipps Affront Wellen, auch in der Stadtpolitik sorgte er für Kritik. Selbst Parteifreunde reagierten konsterniert. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Saskia Hüneke sagte, ihre Partei stehe für eine „sachliche Debattenkultur“ in Potsdam. Das Verhalten von Klipp „passt dazu nicht“. Die Fraktion „distanziere sich“ von dem Beigeordneten, sagte Hüneke.
CDU-Fraktionschef Michael Schröder erklärte, wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre, könne man den Auftritt von Klipp der „Narrenzeit“ zurechnen. Dessen „ewige Alleingänge und Eskapaden“ seien nicht länger hinnehmbar. Auch liege es in Klipps Verantwortung, die Mittel in seinem Etat so einzusetzen, dass Pflichtaufgaben wie die Straßeninstandhaltung erfüllt werden könnten, erinnerte Schröder. Zur Ankündigung des Baudezernenten, allzu marode Straßen sperren zu lassen, sollte er nicht mehr Geld für die Sanierung bekommen, sagte Schröder, Klipps Drohgebärden hätten auch schon beim Thema Humboldtbrücke „nicht funktioniert“. Bekanntlich musste die Stadt im vergangenen Jahr in aller Eile fast neun Millionen Euro an Eigenmitteln auftreiben, weil das Land damit gedroht hatte, Fördermittel für die erste Brückenhälfte zurückzufordern, sollte an dem Havelübergang nicht rasch weitergebaut werden. Klipp hatte damit gedroht, die Brücke halbseitig zu sperren, wenn das Land nicht zahle.
SPD-Fraktionschef Mike Schubert bezeichnete das Disziplinarverfahren gegen Klipp als „die richtige Reaktion“. Zum wiederholten Mal verstoße der Baubeigeordnete gegen den „kollegialen Umgang und die Regeln des Verwaltungshandelns“, kritisierte Schubert. Linke-Kreischef Sascha Krämer warf Klipp einen „destruktiven Politikstil“ vor. Die „kalte Arroganz der Macht“ und der „quasi-autistische Politikstil“ des Dezernenten gegenüber der Bürgerschaft, aber auch gegenüber der eigenen Verwaltung, „vergiftet das soziale Klima der Stadt“ und verhindere Akzeptanz, die „gerade im Baubereich absolut nötig“ sei.
Die Aktion ist der Höhepunkt einer Kette von Vorfällen, mit denen Klipp seit seiner Amtseinführung 2009 beim Oberbürgermeister für Verdruss sorgte. So kam etwa eine private E-Mail ans Licht, in der Klipp die Sanierung der Bibliothek geißelte. Auch die bis heute nicht endende Reihe juristischer Niederlagen im Fall des geschassten Tiefbauchefs Frank Steffens geht zum Teil auf Klipps Konto.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: