Unterkünfte in Potsdam: Jakobs warnt: Zu wenig Platz für Flüchtlinge
Die Landeshauptstadt sucht händeringend nach Unterkünften für Menschen aus Krisenregionen. Doch die sind viel zu knapp. Im Ernstfall müsste sogar eine Zeltstadt gebaut werden.
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Potsdam - Die Raumnot für neue Flüchtlingsunterkünfte in Potsdam wird dramatisch: Noch in diesem Jahr muss die Landeshauptstadt 175 Menschen unterbringen, die derzeit in der Zentralen brandenburgischen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt warten – momentan gibt es in den vorhandenen Potsdamer Einrichtungen allerdings lediglich zehn freie Plätze. Das sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am gestrigen Mittwoch im Stadtparlament. Das Land habe in einem Rundschreiben Ende August mit einer sogenannten Ersatzvornahme gedroht. Sollte es dazu kommen, müsste Potsdam die Flüchtlinge entsprechend des Aufnahmesolls binnen einer Woche in der Stadt unterbringen. Jakobs warnte vor einem Szenario mit Zeltstädten und Turnhallen als Unterkünften – in Nordrhein-Westfalen und Bayern schon Realität –, sollte es der Stadt nicht gelingen, andere Wege der Unterbringung zu finden.
Hintergrund ist die aufgrund der weltpolitischen Lage gestiegene Zahl der Flüchtlinge in Deutschland. Brandenburg hatte bislang mit rund 5000 Flüchtlingen in diesem Jahr gerechnet. Inzwischen geht das Sozialministerium von 6800 Asylsuchenden im gesamten Jahr aus. Bis Ende Juli wurden in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt 2565 Flüchtlinge registriert, wo die Lage extrem angespannt ist. Im gesamten Jahr 2013 waren es 3305. Der Bund hatte für 2014 einst 175 000 Asylsuchende in Deutschland prognostiziert. Inzwischen ist die Zahl ist auf 200 000 angehoben worden.
Die Kommunen stellt das vor große Herausforderungen. Man könne kaum so schnell Unterkünfte nachbauen, wie die Zahlen steigen, heißt es aus der Landesregierung. Potsdam muss laut Jakobs in diesem Jahr 336 Flüchtlinge aufnehmen – diese Zahl könnte im Herbst noch steigen. 161 Flüchtlinge konnten bereits untergebracht werden. Zum Vergleich: In den Jahren 2004 bis 2012 wurden jeweils weit unter 100 Flüchtlinge in Potsdam aufgenommen, 2013 waren es 195 Menschen.
Verschärft wird die Lage, weil die geplante neue Gemeinschaftsunterkunft im Horstweg möglicherweise rechtlich unzulässig ist, sagte Jakobs. Dort sollten bis Jahresende auf einer Brachfläche Container- Neubauten mit Unterkünften für bis zu 100 Flüchtlinge entstehen. Die Verwaltung prüfe jetzt, ob eine Baugenehmigung vor dem Hintergrund eines aktuellen Gerichtsurteils aus Stuttgart zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Nähe von Gewerbegebieten überhaupt erteilt werden kann, so Jakobs. Insgesamt gebe es in der bestehenden Gemeinschaftsunterkunft am Schlaatz sowie in Wohnungsverbünden in der Hegelallee, der Haeckelstraße und dem Staudenhof aktuell 303 Plätze. 2015 soll ein neuer Wohnungsverbund in einem Neubau am Stern hinzukommen.
Eine Arbeitsgruppe der Verwaltung sei nun stadtweit auf Standortsuche für eine neue Gemeinschaftsunterkunft. Falls kein Investor gefunden werde, müsse die Stadt finanziell einspringen, so der Oberbürgermeister: „Das Land interessiert es nicht, wie wir das finanzieren.“ Es gehe darum, den Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft in Potsdam zu bieten: „Wir sind es den Flüchtlingen in der Zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt schuldig, sie schnellstmöglich aus den überfüllten und damit unzumutbaren Bedingungen dort herauszuholen.“ Aus rechtlichen Gründen und Kapazitätsgründen sei es nicht möglich, neu in Potsdam eintreffende Menschen sofort in Wohnungsverbünden unterzubringen. Ziel der Stadt bleibe es aber, den Aufenthalt der Flüchtlinge in Heimen zeitlich zu begrenzen.
Potsdams Migrationsbeauftragte Magdolna Grasnick forderte vom Land eine Anpassung des Betreuungsschlüssels: Wenn wie derzeit ein Sozialarbeiter 120 Flüchtlinge beraten soll, sei qualitativ gute Sozialarbeit nicht zu schaffen, sagte sie vor den Potsdamer Stadtverordneten. Sie kritisierte auch die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Flüchtlinge auf die Kreise zu verteilen, deren Rückführung in ein anderes EU-Land bereits feststehe: „So kommen auch in Potsdam Flüchtlinge an, die sich hier Bleibe und Zukunft erhoffen – und dann steht irgendwann die Ausländerbehörde im Auftrag des BAMF vor der Tür und begleitet die Familie Richtung Grenze.“ Für die Betroffenen sei das „ein Schock fürs Leben“. Flüchtlinge müssten in Potsdam die weitestgehende Zuwendung erhalten können. (mit axf)
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