Landeshauptstadt: Jeden Tag Blumen für den Alten Fritz Ein jüdischer Student campiert in Potsdam
Manche Geschichten klingen zu verrückt, als das sie sich Leute ausdenken könnten. So auch die Story des Studenten und früheren Lehrers Jonathan Brander: Der 64-Jährige lebt eigentlich in Israel, zeltet aber zur Zeit in der Nähe der Potsdamer Universität am Neuen Palais „in einem kleinen Wäldchen“.
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Manche Geschichten klingen zu verrückt, als das sie sich Leute ausdenken könnten. So auch die Story des Studenten und früheren Lehrers Jonathan Brander: Der 64-Jährige lebt eigentlich in Israel, zeltet aber zur Zeit in der Nähe der Potsdamer Universität am Neuen Palais „in einem kleinen Wäldchen“. Zudem hat er das Rückflugticket in seine Heimat verloren. Dies passierte, so sagt er, während seines morgendlichen Rituals. „Ich besuche immer um 5.30 Uhr das Grab von Friedrich II. und salutiere davor: Das ist doch eine lustige Geschichte, ein Jude, der vorm Alten Fritz salutiert“, erzählt Brander – geboren 1943 in einem ukrainischen Ghetto – in einem Mix aus Deutsch und Englisch.
An solchen Stellen könnte man Jonathan Brander freilich für verrückt halten. Doch hat er für alles eine Erklärung. Und Beweise: Zum Beispiel einen internationalen Studentenausweis mit seinem Namen. Auch das Zelt steht für den Fototermin da, wie beschrieben. Nun müsse er bald wieder in die Heimat: „Ich muss wegen meiner Tochter nach Israel“, sagt er. Sie habe gerade Probleme, drohe in falsche Kreise abzurutschen. „Da ist es doch meine Pflicht als Vater zu helfen.“ Doch im September will er nach Potsdam zurückkehren, am Abraham Geiger Kolleg studieren. Denn es habe einen sehr guten Ruf. Ob es dann mit dem Geld klappt, ist allerdings ungewiss. Schon jetzt ist es ihm ausgegangen, den Rest gebe er lieber für Lebensmittel aus als für ein Hotel. Obwohl es in dem Zelt nicht immer ungefährlich ist: Einmal ist ihm sogar ein Wildschwein begegnet. Und auch das mit der Hygiene sei „schwierig“: Zum Duschen geht er „manchmal“ in den Sportbereich der Uni. Am Schlimmsten seien aber die Mücken.
Doch findet er auch viel Positives hier, beispielsweise Friedrich II. „Er hatte Humor, Stil, viel Toleranz – ich mag einfach seine Persönlichkeit“, sagt Brander. Friedrich sei eben eine dieser speziellen Personen, die nur alle Jahrhunderte einmal die Weltbühne betreten: Wie Kennedy. Und ausgerechnet am Grab des Alten Fritz habe er seine Tasche vergessen, in der das Rückflugticket nach Israel gewesen sei. „Vielleicht hat sie ja jemand gefunden“, hofft Brander darauf, dass die verlorene Tasche in der Redaktion der PNN abgegeben wird. Ansonsten will er am Wochenende erst einmal mit Freunden telefonieren, weitere Möglichkeiten für die Rückreise ausloten. Richtig konkret klingt dies noch nicht: „Doch vielleicht klappt es ja auch ohne Ticket, meine Name als Besitzer der Karte muss schließlich irgendwo gespeichert sein.“
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