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Landeshauptstadt: Jeder fünfte Schüler auf Privatschule

Schulen in freier Trägerschaft boomen, vor allem in Potsdam und dem Berliner Speckgürtel. Der Verband Freier Schulen Brandenburg befürwortet daher eine Reform nach niederländischem Modell

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Potsdam - In der brandenburgischen Landeshauptstadt boomen Privatschulen: Mehr als zwanzig Prozent der Potsdamer Schüler lernen momentan an allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft. Das geht aus dem Statistischen Jahresbericht hervor, den Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern vorgestellt hat. Zum Vergleich, der Bundesdurchschnitt liegt bei etwa sieben Prozent, der Landesdurchschnitt bei etwa fünf Prozent.

Vor allem in den letzten beiden Jahren ist der Anteil der Privatschüler deutlich gestiegen – denn während städtische Schulen wegen sinkender Schülerzahlen geschlossen worden sind, haben die Privatschulen einen regen Zulauf. Mehr als 3200 der 16 200 Schüler haben inzwischen dem staatlichen System den Rücken zugewandt. Detlef Hardorp von der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen Brandenburg sieht daher Reformbedarf im deutschen Schulsystem und hält eine Entwicklung wie in den Niederlanden für wünschenswert. Dort sind 70 Prozent der Einrichtungen in freier Trägerschaft – allerdings werden sie vom Staat finanziert, Schulgeld gibt es nicht. Dort habe man sich für „gleiche Chancen unter gleichen Bedingungen“ entschieden, so Hardorp. Ein ähnliches Prinzip hat die Landeshauptstadt bei Kindertagesstätten angewendet. Die mehr als 80 Einrichtungen sind inzwischen sämtlichst in freier Trägerschaft, stehen in Konkurrenz zueinander und werden von der Kommune finanziert.

Detlef Hardorp erklärte, freie Schulen im Land seien nicht prinzipiell besser. Aber sie würden in der Bevölkerung als gut wahrgenommen. Warum sich Eltern immer öfter für Schulen in freier Trägerschaft entscheiden würden, dafür gibt es seiner Ansicht nach viele Gründe. Eine genaue Auswertung gebe es allerdings nicht, „diese soziologische Untersuchung wäre sehr interessant“. Er bemängelte gegenüber den PNN: „Das staatliche Schulsystem hat militärische Strukturen“. Als Beispiel nannte er das Auftreten eines Schulamtsleiters, über den es selbst aus dem Bildungsministerium heißt, es gebe keine Zweifel an der fachlichen Kompetenz, aber an der Kommunikationsfähigkeit.

Einen wettbewerbsverzerrenden Nachteil sieht Hardorp für freie Schulen wegen des Schulgeldes. In den letzten Jahren haben viele Schulen das Schulgeld angehoben, dies dürfe nicht weiter strapaziert werden. Zumal die Schulen dann häufig ihren eigenen ethischen Grundsätzen widersprechen würden, nicht nach Besitzverhältnissen auszuwählen. Denn vor allem die konfessionellen Träger im Land Brandenburg können sich vor Anmeldungen kaum retten. 104 Schulen in freier Trägerschaft wird es ab September landesweit geben, davon sind 36 konfessionell geprägt. Das Evangelische Gymnasium in Potsdam gehört mit mehr als 700 Schülern zu den größten Schulen in der Landeshauptstadt. Zudem ist in Potsdam die größte Dichte der Privatschulen zu finden: 14 allgemeinbildende freie Schulen gibt es in der Landeshauptstadt ab dem nächsten Schuljahr.

Eine Einschränkung freier Schulen fordert Die Linke seit langem, Land und freie Schulen dagegen argumentieren mit dem Grundgesetz, das die Gründung von freien Schulen ausdrücklich zulässt, wenn sie das staatliche Angebot ergänzen.

Das Angebot werde durch den Elternwillen bestimmt, sagte Hardorp. Dieser dürfe nicht staatlich eingeschränkt werden. Den Argumenten der Privatschulkritiker, freie Schulen würden die Lehrergehälter drücken und eine hohe Fluktuation der Lehrer an Schulen haben, ließ er nicht flächendeckend gelten. Jedoch sieht er beim Thema Lehrer sowohl für die staatlichen als auch für freie Schulen Probleme auf Brandenburg zukommen. Wenn die Pensionierungswelle in Berlin einsetzt, würden Lehrer abwandern. Schon jetzt winkt das Nachbarland mit Beamtenstellen und höheren Gehältern. Ob dies dem Boom der freien Schulen schadet, müsse abgewartet werden. Jan Brunzlow

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