Lärmaktionsplan zweiter Teil: Jeder zehnte Potsdamer schläft im Lärm
Warum für die Gesundheit in der Landeshauptstadt bald noch mehr Tempo 30 gilt
Stand:
Potsdams Straßen sind zu laut. Etwa jeder zehnte Bewohner der Stadt wird selbst im Schlafzimmer noch vom nächtlichen Verkehrslärm geplagt. Besonders betroffen sind Anwohner in der Großbeeren-, der Charlotten-, der Rudolf-Breitscheid-, der Karl-Liebknecht oder der Friedrich-Engels-Straße. Das ist das Ergebnis des jetzt vom Rathaus veröffentlichten Entwurfs der zweiten Stufe des Lärmaktionsplans der Stadt. Der von Autos und Lkws erzeugte Lärm ist demnach so hoch, dass er bei den Lärmgeplagten Herz-Kreislauf- Krankheiten, Diabetes, Hör- und Schlafprobleme hervorrufen kann. Damit die Potsdamer wieder ruhig schlafen können, sollen Autofahrer zurückstecken: Künftig soll auf mehr Straßen der Stadt Tempo 30 gelten, so der Vorschlag.
Der auf der Straße erzeugte Lärm zähle zu den mit Abstand wichtigsten Lärmquellen Potsdams, heißt es in dem neuen Lärmaktionsplan. Die erste Stufe wurde von den Stadtverordneten bereits im Jahr 2008 verabschiedet, im Mittelpunkt standen alle großen Potsdamer Hauptverkehrsadern. Das neue Papier befasst sich nun mit den weniger befahrenen Hauptstraßen, auf denen täglich zwischen 8200 und 16 400 Fahrzeuge unterwegs sind. Außerdem wurde der Lärm von Straßen- und Regionalbahnen sowie Flugzeugen untersucht. Angesichts des vergleichsweise hohen Straßenlärms spielen diese Lärmquellen aber eine untergeordnete Rolle, heißt es in dem Papier.
Zum Vergleich: Nimmt man alle vorhandenen Lärmkartierungen der Stadt zusammen, müssen rund 15 000 Potsdamer in ihren Wohnungen Straßenlärm ertragen, der über den nächtlichen Prüfwerten von 55 Dezibel liegt – das ist etwas lauter als ein Kühlschrank aber leiser als eine Nähmaschine. Ist man dem Lärm dauerhaft ausgesetzt, können Lern- und Leistungsfähigkeit abnehmen, das Herzinfarktrisiko steigen. Tagsüber liegen die Werte an den betroffenen Strecken mit 65 und 70 Dezibel zudem deutlich höher, der Grenzwert beträgt 65 Dezibel. Von krankmachendem Straßenbahnlärm sind hingegen nachts nur 115 und tagsüber 28 Potsdamer betroffen. Wichtig zu wissen: Der Lärm wird nicht gemessen, sondern errechnet.
Will Potsdam seine Bewohner schützen, sei laut Lärmaktionsplan eine „Neuabwägung zwischen Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs einerseits und einem verträglichen Schallimmissionsniveau andererseits erforderlich“. Kurzfristig soll demnach auf viel befahrenen Strecken, wie der Charlotten-, Friedrich-Engels- oder Großbeerenstraße (siehe Grafik), ein Tempo-30-Limit geprüft werden. Auf der Drewitzer Straße, in der Kastanienallee oder der Templiner Straße könnte künftig zumindest in der Nacht Tempo 30 gelten. „Eine Absenkung des Geschwindigkeitsniveaus um 20 km/h sorgt für eine Pegelminderung von drei Dezibel und ist vergleichbar mit der Halbierung der Verkehrsmenge“, erklären die Lärmwissenschaftler in dem Bericht.
Doch es sollen nicht nur Verkehrsschilder ausgetauscht werden: Auch zusätzliche Radarkontrollen durch Polizei und Ordnungsamt sind Teil des neuen Lärmaktionsplans. Soll der Verkehr besser fließen, müssten zudem Ampelschaltungen verändert werden. Wer im normalen Stadtverkehr künftig auf der grünen Welle reiten will, muss 45 km/h fahren, so der Vorschlag. Da es an Kreuzungen besonders laut wird, könnten einige zudem durch Kreisverkehre ersetzt werden wie am Knotenpunkt Sternstraße/Konrad- Wolf-Allee.
Ziel sei es nicht nur den Lärm zu minimieren, sondern auch die Innenstadt aufzuwerten und die Luft am Straßenrand zu verbessern. Innerstädtische Alleen könnten den Straßenlärm abfangen und das Stadtbild verschönern. Laute Pflasterstraßen könnten modernem Flüsterasphalt weichen. Infrage kämen dafür beispielsweise die Konrad-Wolf-Allee, die Ketziner-, die Forst- oder die Amundsenstraße.
Geht es nach den Machern des Lärmaktionsplans, wird auch Straßenraum beschnitten: Die vierspurigen Abschnitte der Neuendorfer Straße sowie des Horstweges könnten zurückgebaut werden. Pro Fahrtrichtung sei ein Streifen ausreichend. Im Gegenzug sollen Radfahrer mehr Platz erhalten – neue Radwege in der August-Bebel-Straße, am Brauhausberg, in der Friedrich-Engels- oder in der Großbeerenstraße seien wünschenswert. Auch der Umstieg zu Bus und Bahn soll gefördert werden, so könnten neue Parkplätze an Bahnhöfen entstehen.
Man kann vor dem Lärm auch flüchten: Der Park Sanssouci oder der Neue Garten zählen zu den ruhigsten Gebieten in der Stadt. Noch leiser ist es nur in noch größerer Entfernung wie im Wildpark oder am Sacrower See.
Im Internet ist der Lärmaktionsplan unter www.potsdam.de abrufbar. Am Mittwoch, dem 17. August, soll er um 18 Uhr im Stadthaus öffentlich vorgestellt und diskutiert werden, bevor der Plan den Stadtverordneten vorgelegt wird.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: