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ZUR PERSON: „Jüdische Dominanz im Bauverein“

Horst Mentrup, Vorsitzender des Synagogenbauvereins, zum Streit um die neue Synagoge in Potsdam

Stand:

Sollte nicht jeder Potsdamer Jude das Recht haben, Mitglied im Potsdamer Synagogenbauverein zu sein?

Der Synagogenbauverein hat eine Satzung, in der steht: Das Ziel des Vereins ist der Bau einer Synagoge mit Gemeindezentrum – und: Der Verein arbeitet eng mit der Jüdischen Gemeinde zusammen. Jetzt gibt es einige, die wollen keine Synagoge mit Gemeindezentrum. Sie sind zwar nur wenige, aber sie treten vehement auf. Nun muss sich der Vereinsvorstand genau überlegen, ob er die aufnehmen will. Das ist, glaube ich, nachvollziehbar. Es sind im Übrigen nur wenige Potsdamer Juden darunter, die einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt haben. Wir führen derzeit Gespräche; einige haben wir aufgenommen, andere werden wir vermutlich nicht aufnehmen und eine Reihe von Anträgen ist inzwischen auch wieder zurückgezogen worden.

Aber den aus Israel stammenden Juden Ud Joffe vor der Gemeindetür stehen zu lassen, ihm Hausverbot zu erteilen und sogar von „feindlicher Übernahme“ zu sprechen – das ist schon starker Tobak.

Es gab kein Hausverbot; allerdings haben wir mitgeteilt, dass die Mitgliederversammlung nicht öffentlich ist. Das Stichwort „feindliche Übernahme“ hat mein Kollege Schulze-Eggert gebraucht, der sich dafür in der Mitgliederversammlung des Bauvereins entschuldigt hat, weil er der Auffassung ist, damit übers Ziel hinaus geschossen zu sein.

Hätten Sie Ud Joffe nicht so etwas wie einen Beobachterstatus in der Bauvereins-Vollversammlung einräumen können?

Es gab vor über zwei Jahren ein Gespräch zwischen Herrn Joffe und mir zu der Frage, ob er nicht Mitglied im Bauverein werden will. Dazu ist es nicht gekommen. Es war damals die Zeit, als wir die grundlegenden Konzeptionen für die neue Synagoge beraten haben. Es gab nun nach der Jahreswende, als sich Ud Joffe wieder gemeldet hat, zahlreiche Gespräche mit ihm, mit der Betergemeinschaft Minjan, auch mit einer erweiterten Gruppe, die aber alle nichts mehr gebracht haben. Die Positionen sind fundamental verhärtet, es geht nur noch um die Frage: Diese Synagoge, ja oder nein? Die Gruppe hat klar gemacht, dass sie diese Synagoge nicht will. Dabei steht aber hinter dieser Synagoge mit Gemeindezentrum die Jüdische Gemeinde Potsdam mit fast 400 Mitgliedern. Diese drängt nun auch danach, dass die Pläne umgesetzt werden.

Nun gibt es um Ud Joffe und dem Rabbiner Nachum Presman eine dritte Gemeinde ...

... gibt es nicht sogar vier?

Eine vierte?

Ich glaube, wir haben auch eine liberale Gruppierung rund ums Abraham Geiger Kolleg.

Ist das eine Gemeinde?

Nein, aber es gibt mit Sicherheit weitere jüdische Gruppierungen in Potsdam. Es lässt sich nicht auf die drei Gemeinden reduzieren.

Aber gerade das spricht doch eher für eine übergemeindliche Synagoge für alle Juden in Potsdam.

Genau – eine orthodoxe Synagoge kann eine übergemeindliche Synagoge sein. Man darf nicht vergessen, die jüdische Gemeinde, mit der wir das Gemeindezentrum bauen wollen, gehört dem Zentralrat der Juden in Deutschland an – also der großen jüdischen Organisation, der 90 Prozent der Juden in Deutschland angehören. Auch von den Größenverhältnissen her ist das die Gemeinde in Potsdam. Diese Gemeinde nun hat für sich entschieden, dass sie eine orthodoxe Synagoge bauen will. Damit gibt es die Chance, dass Juden aller Glaubensrichtungen in diese Synagoge gehen können. Genau das ist auch das Ziel des Bauvereins.

Wir reden von Synagoge, dabei wird das Gebäude zu großen Teilen ein Gemeindezentrum sein. Die Synagoge ist ein größerer Nebenraum in der zweiten Etage ...

Das ist nicht richtig, beim besten Willen. Eine Synagoge im deutschen Kulturbereich ist immer verbunden mit einem Gemeindezentrum. Bei fast allen Synagogen, die nach 1945 in Ost- und Westdeutschland neu gebaut wurden, hat das Thema Gemeindezentrum eine große Rolle gespielt. Und das gilt auch für Potsdam.

Diese starke Anlehnung an die Jüdische Gemeinde wird aber von religiösen Juden als Stärkung des weltlichen, nichtreligiösen jüdischen Zweiges wahrgenommen.

Ich kann mich an Äußerungen des Rabbiners Presman erinnern, der sagte, er brauche die enge Verbindung zwischen Gotteshaus und Gemeindezentrum, um die teils nichtreligiösen Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion an den Glauben heranzuführen. Es gibt von Herrn Presman eindeutige Zitate. Er hat zum Nutzungskonzept im November 2009 noch gesagt: „Machen wir es doch nicht so kompliziert. Die Synagoge soll natürlich ein Gemeindezentrum beherbergen, soziale Arbeit leisten und Kultur anbieten.“ Er wollte sogar noch das jüdische Kulturzentrum Kibbuz integrieren. Er wollte also genau das, was wir die ganze Zeit gemacht haben.

Da hat er einen Wandel durchgemacht.

Ja, das versteht die Jüdische Gemeinde auch nicht. Das Nutzungskonzept sieht nur zehn Prozent Büroräume vor. Das andere ist zum Beispiel ein großer Veranstaltungssaal als Treffpunkt, als Mittelpunkt jüdischen Lebens. Wir haben eine Bibliothek, Schulungs- und Lehrräume. Wir haben eine Mikwe, ein Ritualbad für Männer und Frauen. Das sind alles Einrichtungen, die in Richtung Religion führen können.

Also: Eine Verstärkung der jüdischen Religiosität in der Jüdischen Gemeinde Potsdam ist durchaus auch beabsichtigt?

Wieso soll es denn zu wenig Religiosität in der Jüdischen Gemeinde geben? Das behauptet Ud Joffe immer. Das bestürzt die Gemeinde aufs Tiefste. Es ist auch nicht so, dass mit dem Weggang von Rabbiner Presman in der Gemeinde nicht mehr gebetet wird. Sie hat Gast-Rabbiner, die sie am Shabbat und an Feiertagen betreuen und sie wird im Spätsommer wieder einen eigenen Rabbiner haben. Sie ist im Augenblick auf der Suche.

Können sie sich den Rabbiner auch leisten?

Ich denke mal, die Gemeinde bekommt ihn zunächst von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland gestellt. Da gibt es Überlegungen. Aber es gibt auch einen neuen Vertrag zwischen der jüdischen Landesgemeinde und dem Land, das die jährlichen Zuschüsse von 200 000 auf 500 000 Euro erhöht hat. Damit ist dann auch die Basis da, dass sich die Gemeinde die Anstellung eines Rabbiners leisten kann.

Ich möchte Sie mit einer These konfrontieren: Es gibt viele Mitglieder der evangelischen Kirche im Synagogen-Bauverein. Sind diese überhaupt an einer Stärkung des Judentums in Potsdam interessiert?

Eine alberne Diskussion! Im Bauverein gibt es eine Mehrheit jüdischer Mitglieder. Von den sieben Vorstandsmitgliedern sind zwei nicht-jüdisch. Der eine ist Hans-Jürgen Schulze-Eggert und der andere bin ich. Das bedeutet, es gibt eine klare Dominanz jüdischer Mitglieder im Bauverein. Natürlich hat der Bauverein bei seiner Gründung 2002 eine Hilfestellung aus der Gesellschaft für Christlich- Jüdische Zusammenarbeit gehabt und natürlich gibt es christliche Mitglieder.

Und deren Motivation ist welche?

Da fange ich an zu spekulieren. Ich denke, es ist auch Verantwortung gegenüber der Geschichte.

Werden die Mitglieder der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde und der Synagogen-Gemeinde nicht immer das Gefühl haben, bei der Jüdischen Gemeinde zu Gast zu sein, wenn sie die Synagoge besuchen?

Das Gebäude wird letztlich in eine Stiftung überführt, zu der alle Gemeinden Zugang haben. Die Stiftung wird Gremien haben, in denen Juden eine ganz klare Dominanz haben müssen. Wir haben also nicht nur die orthodoxe Ausrichtung der Synagoge, wir haben sogar noch neben dem Hauptsaal einen zweiten Synagogenraum vorgehalten, falls eine weitere Gemeinde dort sein will. Die Gesetzestreuen haben das abgelehnt. Aber von mir aus kann der Raum auch durch Ud Joffes Gemeinde genutzt werden. Religiös spricht nichts dagegen. Wir haben das mit dem Rabbiner Ehrenberg von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands lange besprochen: Es gibt keine halachischen Gründe, die tief religiösen orthodoxen Juden eine Nutzung dieser Synagoge verbieten würden.

Aber wenn wirklich alle Potsdamer Juden zu einem bedeutenden Feiertag in die Synagoge kommen, ist der Saal zu klein.

Die christlichen Kirchen sind auch nur einmal im Jahr voll, zu Weihnachten. Glauben Sie mir, das schönste Problem, das wir bekommen können, wäre, wenn die 200 Plätze im Synagogen-Saal eines Tages nicht mehr ausreichen. Kaum jemand würde sich darüber mehr freuen als ich.

Das Interview führte Guido Berg

Horst Mentrup ist am 4. Februar 1952 in Ahlen (Westfalen) geboren, wo er auch aufwuchs. In Münster studierte er Volkswirtschaft und promovierte zum Dr. rer. pol. Nach Jahren im Bundesfinanzministerium wechselte er 1991 ins Finanzministerium Brandenburg, wo er von 1996 bis 2001 Staatssekretär war. Seit 2001 ist er Chef der Lotto-GmbH. Mentrup ist verheiratet und hat drei Kinder. Er kocht und wandert gern. gb

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