zum Hauptinhalt

Von Günter Schenke: Kampf mit dem Drachen

Erster vietnamesischer Unternehmertag im Stadthaus / In Potsdam leben rund 400 Menschen aus Vietnam

Stand:

Innenstadt – Gelungene Premiere: Mehr als einhundert Gäste trafen sich am Samstag im Plenarsaal des Stadthauses zum 1. Vietnamesischen Unternehmertag. Bürgermeister Burkhard Exner bedankte sich beim Veranstalter, der Thang Long-Arbeitsgemeinschaft vietnamesischer Unternehmer e.V., dass er Potsdam für das Start-Ereignis ausgewählt hatte.

Der Plenarsaal erwies sich allerdings für eine Tagung dieser Größenordnung als zu klein, viele Teilnehmer hatten keinen Sitzplatz und zu den Darbietungen musste die Flügeltür geöffnet werden, damit die Schaulustigen auf dem Flur etwas mitkriegten. Der spektakuläre Kampf gegen den roten Drachen, in dessen Hülle zwei wendige Artisten agierten, spielte sich auf dem winzigen Podium ab, und als dann auch noch ein temperamentvoller Schwertkämpfer gegen einen unbewaffneten Gegner blank zog, grenzte es an ein Wunder, dass auf der engen „Bühne“ nicht ein Unglück geschah.

Die Kampfkünste der kleinen und großen Artisten scheinen symbolisch für den Überlebenskampf der vietnamesischen Unternehmer in den vergangenen zwanzig Jahren in Deutschland zu sein. Denn wie gegen einen Drachen mussten sie sich gegen unsägliche Erschwernisse mit Mut und Zähigkeit durchsetzen. „Mit leeren Händen“ hätten seine Landsleute nach der Wende ihre Existenz aufgebaut, bemerkte der Vorsitzende des Unternehmervereins Nguyen Quoc Hung. Heute hätten sich die meisten stabilisiert und leisteten einen Beitrag für die deutsche Wirtschaft. 100 000 Vietnamesen lebten in Deutschland, sagte der Botschafter der Vietnamesischen sozialistischen Republik Do Hoa Binh. 400 von ihnen wohnen laut Exner in Potsdam, 5000 im Land Brandenburg.

Dass die Geschichte der Vietnamesen in Deutschland weiter zurückreicht als zwanzig Jahre, darauf verwies die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg Karin Weiss. Seit Ende der siebziger Jahre gab es die sogenannten Vertragsarbeiter, die sich in der DDR zum Facharbeiter qualifizierten; noch wenige Wochen vor dem Fall der Mauer seien die letzten 9000 Vietnamesen in die DDR gekommen. Insgesamt 20 000 seien nach deren Untergang im Land Brandenburg geblieben, berichtet Arbeits- und Sozialminister Günter Baaske (SPD). Erst 1997 gab es für diese Menschen eine Bleiberechtsregelung. Allerdings kamen schon vorher viele weitere Menschen aus Vietnam nach Deutschland. So lebt Frau Nguyen Thi lé Hang seit 17 Jahren in Potsdam. „Ich kam zu meinem Mann“, erzählte sie. Beide betreiben in der Großbeerenstraße einen Asia-Imbiss. Während sie den Unternehmertag besuchte, musste ihr Mann im Laden stehen, denn das Geschäft könne nicht einfach schließen.

Das Gastgewerbe ist mit 26 Prozent die zweithäufigste Branche der Vietnamesen. 61 Prozent der Unternehmer sind Händler und 13 Prozent sind im Dienstleistungsgewerbe tätig. Charlotte Grosse teilte auf der Tagung die Ergebnisse einer Befragung von 103 vietnamesischen Unternehmern im Land Brandenburg mit, nach der 95 Prozent von ihnen ein monatliches Netto-Einkommen bis 2000 Euro erwirtschaften. Die deutsche Sprache sei für die Unternehmensführung besonders wichtig, sagen die Geschäftsleute, jedoch bewerten sie ihren eigenen Kenntnisse nur mit der Note 3,2. Bei den Jungen scheint das anderes zu sein. „Ich bin mehr Deutscher als Vietnamese“, sagt ein 18-jähriger junger Mann, der Schüler eines Potsdamer Gymnasiums ist. Einen deutschen Pass habe er aber nicht.

Günter Schenke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })