
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Kavalkade zur Kirche
Motorradfahrer-Gottesdienst fand erstmals in Potsdam statt – Tausend Biker aus Berlin und Brandenburg kamen zum Bassinplatz.
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Es ist eine knatternde, aber sehr diszipliniert heranrückende Kavalkade von tausend Motorrädern, die kurz nach 13 Uhr auf dem Bassinplatz neben der Kirche St. Peter und Paul eintrifft. Die Masse der schweren Maschinen wird bestaunt, ist sie doch in Potsdam ein gänzlich ungewohntes Bild: Erstmals findet der Gottesdienst zum Gedenken an die tödlich verunglückten Motorradfahrer, den es seit 1974 jährlich gibt, an diesem Sonntag in Potsdam statt. Vom Olympischen Platz in Berlin über die Glienicker Brücke sind die vor allem schwarz ausgerüsteten Biker in die Landeshauptstadt gekommen. Bisher war die Gedächtniskirche in Berlin der Gedenkort. Doch da Brandenburgs Straßen immer mehr Biker anziehen, sollte es diesmal Potsdam sein.
Die katholische und die evangelische Kirche haben für den ökumenischen Gottesdienst ihre Kräfte vereinigt und Bernd Schade hält als evangelischer Pfarrer in der katholischen Kirche die Predigt. Schade ist selbst aktiver Motorradfahrer, macht sich täglich mit seiner Kawasaki auf den Weg. Von der brandenburgischen Landeskirche wurde er als Beauftragter für die Motorradfahrenden eingesetzt.
Er weiß also, wovon er spricht, wenn er meint, ein Motorradfahrer sei den Dingen des Lebens unmittelbarer ausgesetzt als andere Verkehrsteilnehmer und deshalb wohl auch Gott ein Stück näher. Er ist sehr froh, dass die Zahl der tödlichen Unfälle im Vergleich zum Vorjahr von 38 in Berlin und Brandenburg auf 30 gesunken ist. Eine intensivere Ausbildung in den Fahrschulen, ABS auch fürs Motorrad und bessere Schutzkleidung hätten dabei geholfen. Die Kirche ist komplett gefüllt, manche stehen sogar in den Gängen. Nicht alle der Motorradfahrer sind gläubig im strengen kirchlichen Sinne, doch bei diesem Gottesdienst wollen sie dabei sein. Teilnehmen kann jeder, Jacken von Motorradklubs müssen jedoch im Schrank bleiben. Daran halten sich die Biker weitgehend. Mit ihren Spenden im Gottesdienst unterstützen sie ein Kinderheim im kenianischen Kitale.
Auch wegen der langen Berliner Vorgeschichte der Biker-Gottesdienste ist das „B“ an den Nummernschildern der Maschinen, die auf dem Bassinplatz stehen, eindeutig in der Überzahl. Doch die Brandenburger, die am Gedenken teilnehmen, mehren sich. Zu ihnen gehört Rolf Alisch, ein Ur-Potsdamer, der jetzt in Glindow wohnt. Seit seiner Jugend sei er Motorrad gefahren, sagt der 60-jährige Mann mit dem grauen Rauschebart und dem Biker-Kopftuch. Begonnen habe er mit einem „Star“ von Simson Suhl, danach kam die ES 175/I und dann eine Familienpause. Jetzt sitzt er auf einer Harley-Davidson und dröhnt mit 75 PS über die Straßen. Bei den Ferientouren nach Spanien oder quer durch die USA war seine Frau auf dem Rücksitz stets dabei. „Heute ist es ihr zu kalt“, meint er.
Den Berlinern Ralph (47) und Sabine (46) Köhler war es warm genug, um gemeinsam auf Tour zu gehen. Man müsse sich eben anziehen wie eine Zwiebel, sagt sie lachend. Die beiden nehmen das erste Mal an einem Biker-Gottesdienst teil. Matthias Haarbach dagegen ist von Anfang an dabei. Er sei der Chef einer kleinen Bikergruppe und seine Frau fahre selbst Motorrad, sagt er. Nicole (44) und Annette (54), die für die Gruppe „Christ und Motorrad“ das Treffen mitorganisiert haben, sind ebenfalls aktive Biker. Die eine fährt seit fünf Jahren eine 650er BMW, die andere seit 16 Jahren eine Yamaha. Bei „Christ und Motorrad“ seien viele Frauen aktiv, sagt Nicole, ansonsten aber sitzen sie wohl mehrheitlich auf dem Sozius.
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