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Landeshauptstadt: Kein Ende in Sicht

Petra Kolle und Tim Greve bestimmen den Kurs eines TV-Riesendampfers: Sie sind die Doppelspitze von GZSZ

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Petra Kolle und Tim Greve bestimmen den Kurs eines TV-Riesendampfers: Sie sind die Doppelspitze von GZSZ Von Sabine Schicketanz Schreien und weinen ist erwünscht, wenn die Macher der erfolgreichsten deutschen Seifenoper über neuen Geschichten brüten. „Wir müssen dahin gehen, wo es weh tut“, sagt Petra Kolle. Sie ist 42, eigentlich Juristin, und wenn sie unter der Dusche steht, denkt sie über die zerbrochene Liebe von Cora und Nico nach. Vor neun Jahren ist sie zu „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ nach Babelsberg gekommen, als Storylinerin. Später war sie Chefautorin, ihr Produktionsleiter hieß Tim Greve. Seit gut einem Jahr stehen beide gemeinsam an der Spitze des TV-Riesendampfers, der sich scheinbar mühelos und schon im zwölften Jahr stetig durch die unruhigen Quotengewässer bewegt. Alle wichtigen Entscheidungen treffen Petra Kolle und Tim Greve „im Konsens“, ansonsten ist der weiblichen Teil der Doppelspitze von der Idee bis zur Übergabe an die Regie zuständig, der männliche von der Regie bis zur Abnahme. „Wir sind Berater füreinander und dann Entscheider“, sagt Greve. Mit ihrem Konzept sind Petra Kolle und Tim Greve zumindest den Quoten nach auf Erfolgskurs – am vergangenen Montag beispielsweise sahen 6,48 Millionen Menschen in Deutschland „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Mit diesem Marktanteil von 20,3 Prozent landete die TV-Soap auf Platz zwei der täglichen Quotencharts, zwischen „Wer wird Millionär?“ und der „Tagesschau“. „Wir wollen die Grenzen des Formats mehr austesten, realistischer werden, noch glaubwürdiger“, sagt Kolle. Vor fast zwei Jahren wurden bereits neue Dekorationen gebaut, im Babelsberger Studio reiht sich Esszimmer an Schlafzimmer an Wohnzimmer an Bar. Mehr filmisches Licht kam dazu, die Kostüme wurden verändert. „Das ist ein täglicher Prozess“, so Greve. „Mit jedem Monat ändern sich die Trends, sofern wir sie nicht ändern.“ Das Abbild der Wirklichkeit soll „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sein, die „Sicht des einzelnen auf die Welt“ wiedergeben. Absurde Geschichten sind da kaum zu gebrauchen. „Was wir zeigen, kann jedem passieren“, sagt Kolle. Nur die Darstellung sei größer, schneller – „larger and faster than life“. Fünf Autoren schreiben jede Woche die Geschichten auf, die vor dem Bildschirm Millionen bewegen, sechs Storyliner und zwei Storyeditoren fügen alles zu den fünf Mal 25 Minuten zusammen, die pro Woche gesendet werden. Alle halbe Jahre treffen sich die Macher außerdem zu so genannten „Futures“ – da wird die Zukunft der Seifenoperwelt besprochen. Die Storylines, die Inhalte der Geschichten, stehen acht Wochen vor der Produktion fest. Weitere zwei Wochen dauert es, daraus ein Drehbuch zu machen. Das heißt, sechs Wochen vor der Ausstrahlung ist alles fertig. „Es wird diskutiert, abgeklopft, es ist eine unglaubliche Arbeit, wohl das Intensivste, was es gibt“, sagt Petra Kolle über den Entstehungsprozess der Soap-Folgen. Wer durchhalten wolle, müsse „teamfähig, stresssicher, konfliktbereit“ sein. Fantasievoll außerdem, und bereit einzutauchen in die Welt der Fernsehwunder. „Character driven“ nennen es die Fachleute, wenn sich eine Serie wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ fast ausschließlich über ihre Darsteller trägt. Diesen gilt deshalb die größte Aufmerksamkeit. „Die Charaktere sind wie unsere Freunde, unsere Familie“, sagt Kolle. Wenn einer neu dazukommen soll, ist das eine Mordsarbeit. Ein Rollenprofil wird angelegt, „wie soll die Person innerlich aussehen“, das müsse hauptsächlich festgelegt werden, so Greve. Über mehrere Wochen wird für Hauptdarsteller gecastet. „Alle, an denen wir beteiligt waren, sind ein großer Erfolg“, meint der Produzent und zählt ohne Stocken die Namen auf: Roman Roth, bekannt als Tim Böcking, Ismail Sahin alias Deniz Ergün, Natalie Alison alias Isabel Eggert und zuletzt der US-Amerikaner Robert Lyons, der Vincent Buhr spielt. Gemeinsam mit den Verantwortlichen von RTL müssen Greve und Kolle jede Folge der Seifenoper abnehmen. Direkte Bezüge zum tagesaktuellen Geschehen gibt es nicht. Dafür ergänzen gesellschaftliche Themen wie Arbeitslosigkeit, Gewalt oder Fremdenfeindlichkeit den „basic human conflict“, womit wohl die Liebe gemeint ist. „Nur die Folie, auf der immer die gleiche Geschichte erzählt wird, ändert sich – die Geschichte nicht“, erklärt Petra Kolle. Und schon Billy Wilder habe gesagt: Es gibt nur fünfzehn gute Geschichten, und die beste davon ist „Boy meets Girl“. Die besten Quoten verzeichnete „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ im Jahr 1998. Damals, sagt Tim Greve, sei die Serie Kult gewesen. „Doch Kults kommen und vergehen, wir wollen länger bleiben.“ Nicht einfach, denn die Situation auf dem Fernsehmarkt habe sich drastisch geändert. Die erste Reality-TV-Show namens „Big Brother“ habe auch bei GZSZ für Quoteneinbußen gesorgt, doch „alle weiteren Angriffe konnten wir abwehren wie ein Bollwerk“. Dass dies so bleibt, dafür soll die Doppelspitze sorgen. Konflikte bei der Kursbestimmung gibt es zwischen Petra Kolle und Tim Greve nicht. „Wir kriegen uns gar nicht in die Haare“, sagt Kolle. Fast „irrsinnig“ sei das, schließlich „sind wir ziemlich verschieden“. Was beide eint, ist offensichtlich die Leidenschaft für die Seifenoper. Für Tim Greve war nach dem ersten Praktikantentag am Set klar: „Ich will Filme machen.“ GZSZ bedeutet für ihn „Liebe und Überzeugung“, es sei wie ein Hobby, nur ohne Hobbykeller. „Ich kenne die Geschichten von allen wohl am besten, und trotzdem packt es mich immer wieder“, sagt Petra Kolle über die Momente, in denen sie daheim den Fernseher einschaltet und GZSZ schaut. Schon immer habe sie sich Geschichten zusammengesponnen, und selbst das Versprechen, sie als Professorin zu berufen, das sie beim Erstellen ihrer Doktorarbeit ereilte, konnte die Juristin nicht umstimmen. Ihre Welt ist die Seifenoper. „Das lässt dich nicht los, in den ersten Monaten lebst du mehr in der Serie als im eigenen Leben“, sagt sie. Und: „Für mich ist GZSZ toll, weil es nie aufhört.“

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