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Homepage: Kein Umgangston

Ein Forschungsprojekt zum Rechtsradikalismus in Brandenburg am Moses Mendelssohn Zentrum

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Erschreckendes ereignete sich beim Auswärtsspiel des 1. FC Energie Cottbus bei Dynamo Dresden im Dezember des vergangenen Jahres: Cottbuser Fans entrollten ein Plakat, auf dem „Juden“ zu lesen und zwei Davidsterne, wie sie in der NS-Zeit zur Diffamierung von Juden dienten, zu sehen waren. Das „D“ erinnerte dabei an das von Dynamo Dresden. Offenbar sollten so die Dresdner Fans beleidigt werden. Als DSF-Livespiel flimmerte die Aktion über unzählige Fernsehschirme, ein empörter Aufschrei in der Öffentlichkeit blieb allerdings aus.

Für Lars Rensmann sind solche Vorfälle Ausdruck eines „informellen Rechtsextremismus“, bei dem auch Antisemitismus in jüngerer Zeit wieder eine verstärkte Rolle spiele. Im Alltag kommt dieser beispielsweise zum Ausdruck, wenn selbst Menschen, die sich nicht bewusst zu rechtsradikalen Positionen bekennen, das Wort „Jude“ als Diffamierung benutzen. Angesichts des Vorfalls in Dresden müsste nun natürlich auch geklärt werden, inwieweit Fußballfans überhaupt rechtsradikal unterwandert werden.

Lars Rensmann forscht seit einigen Monaten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) zum Antisemitismus und Rechtsextremismus in Brandenburg. Dabei betrachtet er neben dieser jugendkulturellen und „informellen“ vor allem die offen rechtsextreme Szene und untersucht, wie dem Rechtsradikalismus praktisch und auf lokaler Ebene begegnet werden kann. Dabei beobachtet er, dass gerade beim Thema Antisemitismus die Grenzen zwischen bekennenden Neonazis und Kreisen, in denen rechtsradikale Redewendungen „nur“ zum Umgangston gehören, heute oft genug fließend sind.

Der Politikwissenschaftler erläutert, dass Antisemitismus in der sich bereits vor dem Ende der DDR entwickelnden rechtsextremen Szene kein zentrales Thema war. Doch seit Mitte der 1990er Jahre suchten sich Parteien wie NPD oder DVU und lokale „Kameradschaften“ neben der Mobilisierung gegen Einwanderung neue Zeitgeist-Themen wie Globalisierung, „US-Imperialismus“ und Nahost-Konflikt, die sie antisemitisch besetzten. Man machte sich neue Ängste zunutze: Amerika – als Chiffre für mächtige und reiche Juden – sowie Israel stünden demnach verschwörerisch hinter multinationalen Konzernen, Globalisierung, und Weltmachtstreben, sie hätten den „Widerstand“ der Terroristen provoziert. In diesem Zusammenhang ist auch der ursprünglich für Anfang Januar angestrebte Prozess gegen den bereits mehrfach vorbestraften, einst links- und heute rechtsradikalen Rechtsanwalt Horst Mahler vor dem Potsdamer Amtsgericht zu sehen. Mahler hatte die terroristischen Angriffe vom 11. September 2001 als gerechtfertigt bezeichnet.

Eine weitere Aufgabe, die sich das noch am Anfang stehende Forschungsprojekt gesetzt hat, ist es zu klären, wo genau die örtlichen Schwerpunkte des Rechtsradikalismus innerhalb des Landes liegen – und warum sie gerade dort liegen. Denn die Behauptung, dass Brandenburg eine „Nazihochburg“ sei, sei zu pauschal, meint Rensmann. Auch die Schlussfolgerung, Rechtsradikalismus sei die unmittelbare Folge von Arbeitslosigkeit und Armut greife, so Rensmann, zu kurz. Dieser Gleichung zufolge müsste der Rechtsradikalismus dort besonders ausgeprägt sein, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist, was jedoch nur bedingt zutreffe. Ausschlaggebend sei vielmehr, so Rensmann, wie die Bewohner einer Region ihre Situation einschätzten. Dort, wo das Gefühl herrscht, „zu kurz gekommen“ zu sein, sei es für Rechtsradikale besonders leicht, Fuß zu fassen. Ein Gefühl, das beeinflusst werden kann. Von rechtsextremen Ideologen, die lokale Probleme auf imaginäre Gefahren zurückführen, für die sie Zuwanderer oder Juden verantwortlich machen – aber auch durch demokratische und zivilgesellschaftliche Kräfte. So hat es laut Rensmann durchaus mehr als symbolischen Charakter, wenn sich öffentliche Entscheidungsträger gegen rechte Aktivitäten positionieren. Er vermutet, dass nicht nur Förderprogramme, sondern auch praktische Aktionen große Wirkung auf die Bevölkerung haben. Rensmann denkt dabei an öffentliche Demonstrationen wie „Potsdam bekennt Farbe“ im vergangenen Herbst, als Politiker klar gegen Rechtsextremismus Stellung bezogen.

Am Ende will das Forschungsprojekt, das sich gerade um eine erweiterte Finanzierung bemüht, nicht für die Schublade arbeiten, sondern unter anderem ein Präventionshandbuch mit konkreten Vorschläge gegen Rechtsradikalismus entwickeln. Im Falle der Cottbuser Fans wäre der Vorschlag wohl, dass sich nicht nur – wie geschehen – der Fanclub, sondern auch Vereinsverantwortliche, die Spieler und der Trainer von Vorfällen wie denen beim Auswärtsspiel in Dresden klar distanzieren. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat in der Sache inzwischen Ermittlung wegen Volksverhetzung aufgenommen und der FC Energie wurde jüngst vom Sportgericht des Deutschen Fußball Bundes zu 20 000 Euro Strafe verurteilt. Zumindest auf seiner Internetseite bezieht der Verein dieses Urteil allerdings lediglich auf gezündete Rauchbomben.

Moritz Reininghaus

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