Landeshauptstadt: „Keine Imbissbude“
Werner Höhn arbeitete acht Jahre lang als Saaldiener im Landtag: Sein Platz bleibt jetzt leer
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Eigentlich ist es zu früh für die Rente: „Ich habe doch noch keine Enkel“, klagt Werner Höhn, Saaldiener im Brandenburgischen Landtag auf dem Brauhausberg. Trotzdem geht der Vater von 33-jährigen Zwillingen jetzt in die „Freistellungsphase der Altersteilzeit“.
Acht Jahre lang hat er den Abgeordneten im Plenarsaal gegenüber gesessen. „Wir waren zu zweit“, erzählt der 62-Jährige. Zu den Aufgaben der beiden Saaldiener zählt zum Beispiel das Verteilen von Dokumenten während der Sitzung: Denn Gesetze und Eilanträge müssen schnell auf allen Tischen liegen. „Wir sind für die Ordnung zuständig“, sagt Höhn – die Geschäftsordnung des Parlaments, der zufolge im Plenarsaal weder Transparente noch Hüte getragen werden dürfen, erklärt er. Auch Essen und Trinken sei nicht erlaubt: „Wir sind ja schließlich keine Imbissbude.“ Wassergläser tragen, wie es seine befrackten Kollegen im Bundestag tun, muss Höhn deshalb nie: Für Durstige gibt es den „Service“ auf dem Flur. Auch die telefonische Verbindung zu den Büros halten die Saaldiener während der Sitzung: Wenn sich Besuch ankündigt, ist es die Aufgabe des Saaldieners, den Abgeordneten zu informieren.
Die Sitzungen seien „die interessanteste Arbeit“ gewesen, sagt Höhn: „Ich habe die Debatten verfolgt“, erklärt er. Sein Platz auf der linken Seite ist momentan leer: Denn einen Nachfolger gebe es nicht. Theoretisch allerdings könne jeder Mitarbeiter der parlamentarischen Geschäftsstelle die Tätigkeit übernehmen – die entsprechende Uniform mit dunkelblauem Jacket haben dort jedenfalls alle im Schrank, sagt Höhn, der 1988 eine 25-jährige Berufskarriere bei der Nationalen Volksarmee beendete.
An Tagen ohne Sitzung hieß es für ihn: Treppensteigen. Denn dann mussten die Dokumente in die Büros der Abgeordneten und Verwaltungsmitarbeiter gebracht werden: Und die liegen auf vier Etagen verteilt – „ohne Aufzug“, betont Höhn. Darüber, dass er den neuen Landtagsbau in Potsdams Mitte nicht mehr im Dienst erleben wird, ist er trotzdem nicht traurig. Denn ob es dort so gute Luft und so viele Parkplätze geben wird wie beim „Kreml“ auf dem Brauhausberg, hält er für fraglich.
„Ich bin als einer der ersten mit hochgezogen“, erinnert er sich. Damals allerdings noch als Telefonist. Erst 1999 wechselte Höhn in den Parlamentssaal – und sah die Abgeordneten zum ersten Mal persönlich: „Ich kannte ja nur die Telefonnummern.“
Das hat sich im Laufe der Jahre gründlich geändert: Zum Abschied jedenfalls erhielt Höhn selbstgestaltete Plakate, Urkunden und gerahmte Erinnerungsfotos. Am meisten überrascht habe ihn jedoch die SPD-Fraktion, die Geld für ein neues Fahrrad gesammelt hatte: „Ich war nahe daran, den Aufnahmeantrag auszufüllen“, sagt Höhn, der täglich zur Arbeit radelte und auch jetzt noch „jeden Tag“ eine Runde dreht. Das neue Fahrrad steht nun allerdings im Keller seines Hauses in Groß Glienicke: „Nur für gut.“
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