Vermisster Junge aus Potsdam: Keine Spur von Elias
Bei der Suche nach dem sechsjährigen Jungen kämpfen 150 Polizisten und Dutzende Anwohner am Schlaatz auch gegen die Zeit. Bis zum Abend war das Schicksal von Elias noch völlig unklar. Ein Unfall oder ein Verbrechen werden wahrscheinlicher.
Stand:
Schlaatz - Eine dramatische Suchaktion nach einem kleinen Jungen bewegt Potsdam: Der sechsjährige Elias aus dem Wohngebiet am Schlaatz gilt seit Mittwochabend als vermisst. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe blieb die groß angelegte Suche der Polizei und freiwilliger Helfer erfolglos, gab es nach Polizeiangaben keine heiße Spur. Auch in der Nacht zu Freitag wollten Polizei und Helfer weiter das verwinkelte Areal durchkämmen. Seine Mutter meldete Elias am Mittwochabend um 19.12 Uhr bei der Polizei als vermisst.
Was ereignete sich am Mittwoch?
Laut Darstellung der Mutter Anita spielte Elias – den sie als „aufgeweckten“ Jungen beschreibt – seit etwa 17.30 Uhr im Sandkasten vor dem Haus der Eltern. Mehrfach habe sie aus dem Fenster geschaut und ihn unten gesehen, sagte die 25-Jährige den PNN. Um 18.45 Uhr wollte der Lebenspartner der jungen Frau ihn zum Abendessen hochholen, doch da war Elias verschwunden. Erst suchte das Paar das Kind allein, dann alarmierte die Mutter die Polizei. Sie setzte die ganze Nacht Hubschrauber ein, die mit Wärmebildkameras nach dem Jungen suchten. Dutzende Beamte waren mit Spürhunden unterwegs. Über das soziale Netzwerk Facebook organisierten sich Freunde und Nachbarn zur Suche nach Elias. Bis in die Nacht waren die Freiwilligen mit Taschenlampen in der Umgebung des vierstöckigen Plattenbaus unterwegs. Jedoch ohne Erfolg.
Wie verlief die weitere Suche?
Hektisch. 150 Beamte der Bereitschaftspolizei, der Streifendienste, der Bundespolizei und anderer Einheiten durchkämmten am Donnerstag den ganzen Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit das komplette Wohngebiet entlang der Nuthe. Sie klingelten an jeder Haustür, überprüften Kellerräume, leer stehende Gebäude, Tankstellen und befragten Mitarbeiter eines nahen Schnellrestaurants. Dabei wurden wieder Hubschrauber und sogenannte Mantrailer-Hunde eingesetzt. Einer der Hunde, der sechs Jahre alte Gebirgsschweißhund Benji, nahm den Geruch von Elias von einem Kleidungsstück auf und verfolgte die Spur bis zu einem Supermarkt am Horstweg. In einem nahen Waldstück verlor er die Fährte. Dies müsse aber nicht unbedingt etwas bedeuten, sagte ein Polizeisprecher. Das Waldstück grenzt an eine Kleingartensiedlung, dahinter liegt der Aradosee. Die Nuthe sowie die Alte und Neue Fahrt wurden mit Booten der Polizei abgesucht. Taucher suchten erneut die Nuthe bis zur Havel ab. Dort gibt es einen unübersichtlichen und sumpfigen Uferbereich. Zudem wurden am Donnerstag rund 3000 Handzettel mit dem Bild des vermissten Jungen verteilt.
Bei der Polizei gingen allein bis 19 Uhr 40 Hinweise aus der Bevölkerung ein. Zum Fall Elias ist ein Hinweistelefon geschaltet worden, es ist unter Tel.: (0331) 5508 11 08 erreichbar. Eine heiße Spur befand sich laut Polizei am Donnerstag aber nicht unter den Hinweisen.
Die Ermittler sichteten auch die Bilder von Überwachungskameras in allen Potsdamer Bussen, Straßenbahnen und dem Supermarkt, vor dem der Suchhund die Spur von Elias verloren hatte.
Was weiß die Polizei?
Offiziell noch nicht viel. Dass sich der Junge plötzlich vom Spielplatz vor seinem Zuhause wegbewegt und sich zur nahe gelegenen Nuthe begeben hat, könne nicht ausgeschlossen werden, hieß es dazu lediglich. Dass der Junge bei Bekannten oder Verwandten sitzt, hält Polizeisprecherin Jana Birnbaum mittlerweile für unwahrscheinlich. „Diese hätten sich sicherlich gemeldet.“ Von Anwohnern gab es Hinweise, dass der Junge in ein Heizungsrohr gefallen sein könnte, das zum alten unterirdischen Heizungssystem in dem Wohngebiet gehöre. Die Polizei überprüfe das, sagte ein Sprecher am Abend.
Wie geht es Elias’ Familie?
Elias Mutter wirkte am Telefon sehr tapfer. „Ich will jetzt nicht spekulieren“, sagte die 25-Jährige, die sich Mittwochnacht selbst bei der PNN-Redaktion gemeldet hatte, am Donnerstag. Sie hoffe nur, dass ihr Sohn bald wieder auftauche. Es gebe keinen Kontakt mehr zum Vater, dieser habe „noch nicht einmal ein Bild von seinem Sohn haben wollen“, sagte sie. Der Vater lebt nach Angaben der Polizei nicht in Potsdam. Elias soll ein Einzelgänger gewesen sein, aber durchaus aufgeweckt. Erst vor drei Wochen zog die Frau mit ihrem neuen Partner in die Wohnung in der Straße Inselhof. Zuvor lebten die beiden ebenfalls am Schlaatz. Die Mutter sollte am Donnerstag eigentlich einen neuen Job antreten. Wo, wollte sie nicht sagen. Am Abend war die gesamte Familie bei der jungen Frau, um sie zu unterstützen. „Wir stapeln uns hier“, sagte sie den PNN.
Wie reagierten Nachbarn?
Überwältigend. Am Morgen standen Dutzende bereits auf der Straße, um sich über den Fall auszutauschen. Viele beteiligten sich engagiert an der Suche nach dem Jungen und wollten helfen. „Der Schlaatz steht zusammen“, sagte zum Beispiel David Krause den PNN, der seit Jahren in dem Plattenbauviertel lebt. „Wir haben zwar nicht den besten Ruf, aber ...“ Auch er suchte in der Nacht und am Donnerstag die Umgebung mit ab. „Wir sind alle sehr motiviert“, betonte er.
Was passierte im Netz?
Es entwickelte sich ein Sturm der Unterstützung. Binnen Stunden hatte die Facebookgruppe „Suche Elias“ mehr als 7500 Mitglieder. Viele drückten ihr Mitgefühl aus. Allerdings schossen auch die Gerüchte und Vermutungen teilweise deutlich übers Ziel hinaus.
Wie geht es weiter?
Die Zeit läuft gegen einen glücklichen Ausgang. Je mehr Stunden vergehen, desto unwahrscheinlicher wird ein harmloses Verschwinden. Am Freitag seien nur noch ein schwerer Unfall oder ein Verbrechen denkbar. „Dann können wir nur noch beten“, sagte Polizeisprecherin Jana Birnbaum.
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