Landeshauptstadt: Keine Wahl
Stadtverordnete und Migrantenvertreter fordern eine Änderung des Kommunalwahlrechts
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Innenstadt – Fast 5000 Potsdamer müssen draußen bleiben, wenn am 28. September 2008 die Wahllokale öffnen. Sie dürfen sich an der Kommunalwahl nicht beteiligen, weil sie aus Ländern stammen, die nicht der Europäischen Union angehören. Anders geht es den 1793 Potsdamern, die laut statistischem Jahresbericht aus einem der mittlerweile 27 EU-Länder kommen: Sie können – wenn sie am Wahlsonntag das 18. Lebensjahr vollendet haben – wählen und gewählt werden. Diese im Grundgesetz vorgesehene doppelte Regelung kritisieren Migrantenvertreter und Lokalpolitiker, wie sie gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten.
Mit einem offenen Brief wandten sich Stadtverordnetenversammlung und Ausländerbeirat demnach an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD): Darin bitten sie ihn, den Vorstoß des Bundeslandes Rheinland-Pfalz im Bundesrat zu unterstützen. Denn damit sogenannte „Drittstaatenangehörige“ das Kommunalwahlrecht bekommen können, ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Und dafür müssen Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag gefunden werden. Ein entsprechender Änderungsantrag von Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2007 werde bereits von Berlin unterstützt: „Wir bitten Sie, darauf hinzuwirken, dass sich das Land Brandenburg dieser Initiative anschließt“, heißt es im Schreiben an Platzeck. Der Brief wurde von allen Fraktionen mit Ausnahme der DVU unterschrieben. Drei weitere Briefe mit gleichen Anliegen schickten die Arbeitsgemeinschaft für die Ausländerbeiräte Brandenburg e.V. (Agab), der Grünen-Landesverband und Brandenburgs EU-Abgeordnete Elisabeth Schroedter (Bündnis 90/Die Grünen) ab.
Die Koppelung des Wahlrechts an das Staatsbürgerrecht bezeichnete Schroedter gestern als „veraltet“. In 16 EU-Ländern hätten mittlerweile auch „Drittstaatenangehörige“ Kommunalwahlrecht. Alexander Lapyrov, der Brandenburg im Bundesausländerbeirat vertritt, sprach von einer „nicht nachvollziehbaren Diskriminierung zwischen Ausländern“. Brandenburgweit könnten 31 000 der insgesamt knapp 46 300 Migranten nicht wählen gehen. Alba Gjoka, stellvertretende Vorsitzende des Potsdamer Ausländerbeirates, betonte: „Solange ein Teil der Gesellschaft kein Wahlrecht hat, ist die Demokratie defizitär.“ Wenn man Integration glaubwürdig betreiben wolle, schließe dies das Kommunalwahlrecht ein, sagte Hans-Jürgen Scharfenberg, Linken-Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung. Potsdam lebe von Zuwanderern, betonte SPD-Fraktionschef Mike Schubert.
Die Stadtverordnetenversammlung hatte sich bereits 2005 auf Antrag der Linken für die Änderung des Kommunalwahlrechts ausgesprochen.
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