Landeshauptstadt: Kettensägen in Arcadia
Eine umgehauene Trauerweide, verschwundene Obstbäume. Das Fällen von Bäumen ist verboten. Bis zur Bestrafung dauert es oft lange
Stand:
Der Nachbarfrieden am Glienicker Horn ist gestört. Denn Annegret H. – ihren richtigen Namen will die Pensionärin nicht in der Zeitung lesen – hat ihren Nachbarn „mit einer Elektrosäge“ erwischt. Er habe eine Trauerweide zwischen Zaun und Uferweg gefällt, behauptet die Anwohnerin des Villenviertels „Arcadia“. Für einen besseren Blick auf den Park Babelsberg am anderen Havelufer, wie sie vermutet. „Nach Gutsherrenart“, schimpft die 65-Jährige: „Es kann doch nicht jeder Bäume abhauen nach Lust und Laune, nur weil er die Sicht nicht hat!“ Als sie wenig später beobachtete, wie die gefällte Trauerweide auf einen Transporter geladen wurde, informierte sie die Stadt.
Eigentlich sind die Bäume im Stadtgebiet vor derartigen Aktionen geschützt – durch die Baumschutzverordnung (siehe Kasten). Ausnahmen sind auf Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde allerdings möglich. Ein Angebot, von dem die Potsdamer offenbar immer öfter Gebrauch machen: 1047 Anträge auf Baumfällung sind im vergangenen Jahr von der Unteren Naturschutzbehörde bearbeitet worden. 2006 waren es noch 820, im Jahr davor 802.
Dass der Nachbar von Annegret H. eine solche Genehmigung bekommen hat, ist indes stark zu bezweifeln: Denn im Trauerweiden-Fall wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, wie die Stadt den PNN auf Anfrage mitteilte. Abgeschlossen ist das Verfahren allerdings noch nicht – und das, obwohl die Fällung laut Annegret H. schon am 12. Januar 2007 stattgefunden hat. „Für die Zeitdauer eines Verfahrens spielen viele Aspekte eine Rolle, die bezogen auf diesen Fall vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens nicht näher benannt werden können“, so die umständliche Erklärung aus der Stadtverwaltung. „Ich glaube, da wird zu Tode ermittelt“, sagt Annegret H. Die neuen Zweige, die der Stumpf der Trauerweide in diesem Jahr getrieben hat, sind bereits wieder entfernt worden, berichtet sie – und sagt über ihren Nachbarn: „Der fühlt sich total im Recht – ich habe keine Hoffnung, dass er noch bestraft wird.“
Die Trauerweide am Glienicker Horn ist kein Einzelfall: Insgesamt 36 Mal hat die Stadt im vergangenen Jahr wegen Baumschutzverstößen ermittelt. Aber nur sieben „Baumsünder“ mussten eine Strafe bezahlen. 2006 lag die Gesamthöhe der angeordneten Bußgelder dagegen bei immerhin 10 194 Euro.
Beispiel Bornstedt. Dort waren die Bewohner der mehrstöckigen Neubauten am Fliederweg bis zum Frühjahr vergangenen Jahres an ihre Streuobstwiese gewöhnt. Im März 2007 soll jedoch der Berliner Eigentümer des früheren Kleingartenlandes an mehreren Tagen eine Reihe von Bäumen mit Stammdurchmessern um die 20 Zentimeter gefällt haben – sowie zahlreiche wild wachsende Bäume geringeren Alters und etliche Sträucher. Sogar Bagger kamen damals zum Einsatz. Kurz darauf beschwerten sich die Anwohner bei Oberbürgermeister Jann Jakobs mit einem offenen Brief und forderten ihre Wiese zurück. Doch aus Sicht der Anwohner ist seither nichts passiert, das Gelände verwildert zusehends. „Gegen den Verursacher wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet“, heißt es bei der Verwaltung. Im November 2007 wurden die Straf-Bescheide zugestellt. Einen „Fortschritt“ gibt es laut Stadtsprecherin Rita Haack seitdem nicht – weil der Beschuldigte gegen die ordnungsrechtlichen Schritte Rechtsmittel eingelegt habe, ebenso wie gegen die Auflage, die Streuobstwiese wieder herzustellen. „Auf die Dauer eines eventuellen gerichtlichen Verfahrens hat die Verwaltung keinen Einfluss“, sagt Haack.
Ohnmächtig ist die Stadt auch bei den Baumfällungen, die in den Parks der Schlösserstiftung vorgenommen werden: Denn seit 2006 existiert eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, nach der die Stiftung „gartenpflegerische Maßnahmen“ in Eigenregie durchführen kann. Jüngst wurden zum Beispiel zwei mehr als hundertjährige Buchen im Park Babelsberg gefällt – zur Wiederherstellung historischer Sichtachsen, wie Michael Rohde, der Gartendirektor der Stiftung, verwunderten Bürgern hinterher erklärte (PNN berichteten).
Schlechte Stimmung herrscht schließlich auch bei Baumfreunden in Drewitz. So sind an der Straße zum Kirchsteigfeld seit Anfang März ein Dutzend offenbar gesunder Pappeln bis auf den Stamm heruntergeschnitten worden, Anwohner zeigten die Rodungen bei der Unteren Naturschutzbehörde an. „Sie wurden illegal gefällt“, sagt Stadtsprecherin Rita Haack. Und so beginne nun wieder das übliche Procedere: Anhörung des mutmaßlichen Baumfrevlers, Schätzung des entstandenen Schadens, der Bescheid über eine mögliche Strafe – und dann die Hoffnung, dass der Beklagte vor Gericht keinen Widerspruch einlegt
Schneller geht es einzig, wenn kommunale Tochterunternehmen in Baumfällungen ohne Genehmigung verstrickt sind. Dies ist dem Entwicklungsträger Bornstedter Feld im vergangenen März passiert. Damals sollten von ihr eingewiesene Ein-Euro-Jobber in der Johannes- Lepsius-Straße Müll und Wildwuchs beseitigen – und fällten kurzerhand 41 geschützte Bäume: „Ohne Fällauftrag und ohne Vorsatz übereifrig“, hieß es hinterher in einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der Fraktion Die Andere. Offenbar hätten die Arbeiter den Stammdurchmesser mit dem Stammumfang verwechselt. Nun muss der Entwicklungsträger 41 „mittel- oder großkronige Laubbäumen“ pflanzen – und dies bis zum 30. November diesen Jahres nachweisen. Ein Bußgeld musste die Gesellschaft allerdings nicht zahlen – weil keine Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorgelegen habe.
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